Nichts ist so verlässlich wie der Wandel in der Hotellerie und der Gastronomie. Die Folgen der Corona-Krise, der Energiekrise und des Fachkräftewandels haben im Rheingau Spuren hinterlassen. Die häufig noch familiär geführten Straußwirtschaften und Gutsschänken sind davon zwar weniger betroffen als die gutbürgerliche und die gehobene Gastronomie. Doch überall sind qualifizierte oder zumindest engagierte Mitarbeiter gefragt, vom Service bis zur Spülkraft. Der verbreitete Mangel zeigt sich in teils veränderten Öffnungszeiten und Angeboten. Von einem kulinarischen Kahlschlag ist die Region noch entfernt. Hier eine kleine Übersicht über aktuelle Änderungen in diesem Jahr, und gerade stehen offenbar noch weitere an. Wir berichten fortlaufend…
Trenz zu !!!!
Regional, saisonal und nachhaltig war das Credo von Simon Neugebauer, der als Pächter die Gastronomie im Johannisberger Weingut Trenz übernommen hatte. Doch im Sommer die Überraschung: Gutaussschank geschlossen vermeldete Trenz, Hintergründe unbekannt. Schade, denn Neugebauer, der aus dem gleichnamigen Rheingauer Hotel stammt, und sein Küchenchef Dzevad Kabaretovic, hatten die Küche der beliebten Schänke behutsam weiterentwickelt. Im Rhythmus von zwei bis drei Monaten wurde die Speisekarte an das saisonale Angebot angepasst werden. Auf Rheingauer Klassiker wie den „Trenzburger“ vom Angus Beef und eine Winzervesper wurde nicht verzichtet. Nun heißt es: leider abwarten!
Closed: Gutsrestaurant Trenz, Schulstraße 3 in Geisenheim-Johannisberg
Gemüse im Mittelpunkt
Die „Bistronomie“ im Erbacher Weingut Baron Knyphausen hat zum Jahresbeginn 2024 eine spannende Metamorphose durchlebt. Mit dem neuen Namen „1818 Gutsrestaurant & Weinbar“ ist eine Neuausrichtung des kulinarischen Konzepts verbunden. Im Fokus stehen weniger Fisch und Fleisch als Gemüse in vielen schmackhaften Varianten. Die Basis sind frische, saisonale und regionale Produkte. Serviert werden sogenannte „sharing plates“. Das heißt, das Genusserlebnis ist am größten, wenn sich vier oder gar sechs Gäste viele Teller bestellen und diese dann nach Lust und Neigung miteinander teilen. Vegane Optionen sind möglich. Küchenchef Daniel Nöller geht es um ein ganzheitliches kulinarisches Erlebnis. Ich bin gespannt, ob und wie das Angebot auf Dauer im Rheingau angenommen wird.
Gutsrestaurant & Weinbar Knyphausen im Draiser Hof, Erbacher Straße 26 in Eltville-Erbach
Fleisch ist mein Gemüse
Abrupter kulinarischer Kurswechsel auch in Gunter Künstlers Dependance in Hattenheim: Die Gastronomie im „Pfaffenberg“ – vormals Schloss Schönborn – mit ihrer schönen Terrasse hat im März einen Neustart erfahren. Die Weinbar Künstler hat unter der Leitung von Fernando Elvira eine spannende Neuausrichtung erfahren. Der Argentinier ist im Rheingau aus seiner Zeit mit dem Restaurant Chamamé am Eltviller Tennisclub im Wiesweg und durch seinen Foodtruck an wechselnden Plätzen gut bekannt. Nun ist Hattenheim der neue Standort, und angeboten wird ein Mix aus argentinischer und mediterraner Küche. Im Eröffnungsmonat gab es unter anderem Locro, einen argentinischen Eintopf aus Mais, Bohnen sowie Fleisch vom Rind und Schwein, aber auch ein Trio de Empanadas und eine rote Linsensuppe.
Restaurant Chamamé in der Weinbar Künstler, Hauptstraße 53 in Eltville Hattenheim
Zäsur bei OetingerDie lange währende „italienische Phase“ in der weithin bekannten Gutsschänke des Weinguts Achim von Oetinger in Eltville-Erbach ist zu Ende. Familie Contino hat ein neues kulinarisches Projekt in Schlangenbad gestartet, und Winzer Achim von Oetinger hat nach dem Auszug eine Neuausrichtung eingeleitet. Die Weinstube wurde inzwischen renoviert und umgestaltet und strahlt nun wieder ein klares, schnörkelloses Flair aus. Der Garten ist ohnehin ein Anziehungspunkt für sich, trotz der nahen Bundesstraße. Die neue Weinkarte zeigt eine erfreuliche Jahrgangstiefe auch bei den phänomenalen Lagenweinen des VDP-Weinguts, wobei schon die Gutsweine von hoher Qualität sind. Die Küche startete in der Anfangsphase mit kleinen Schmankerl, darunter leckeren Jahrgangs-Sardinen, Flammkuchen und Nudeln. Das soll kulinarisch aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir sind gespannt und berichten weiter
Weinbistro Oetinger, Rheinallee 1 in Eltville-Erbach,
Afterwork im Yoga-Studio
Auf einen Afterwork Riesling ins Weingut und danach eine Yoga-Stunde? Das noch junge Weingut Prana bietet aktuell jeden Donnerstag von 17 Uhr an einen Ausklang aus dem Arbeitstag (keine Reservierung möglich). Zudem gibt es immer öfter Veranstaltungen, denn der Garten ist groß, der Walnussbaum schattig und auch in der Kelterhalle gibt es Platz. Küchenpartner ist „Chef Daniel“ Horne, der im Rheingau mit seiner „Winzza“ Schlagzeilen gemacht hat und vielen Rheingau-Besuchern von diversen Festen gut bekannt ist. Das Weingut selbst ist nur 4,5 Hektar klein, doch die Ambitionen sind groß. Langfristig ist vor allem der Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten geplant, um dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Ein spannendes Projekt.
Weingut Prana, Kirchstraße 61 in Winkel,
Neue Terrasse im Langehof
Der Langehof gehört schon lange zu den ersten kulinarischen Adressen in Rauenthal, und wegen der Verwandtschaft von Patron Matthias Klein mit den Lorcher Winzerbrüdern Gilbert und Gundolf Laquai bietet die Schänke obendrein die reizvolle Gelegenheit, das Rauenthaler Terroir mit dem aus Lorch zu vergleichen. In jüngerer Vergangenheit wurde nicht nur die Schänke behutsam renoviert und modernisiert, sondern auch eine schöne Terrasse gestaltet. Zuletzt wurde der Wintergarten fertiggestellt, wodurch der 1566 errichtete Langehof, der zu den ältesten Gebäuden des 750 Jahren alten Weindorfs zählt, noch einmal an Attraktivität zugelegt hat. Zu den Spezialitäten gehören der Bauernhandkäs mit Musik, der gegrillte Ziegenkäse im Speckmantel und das überbackene mediterrane Gemüse, aber auch der Angus Prime Burger.
Gutsschänke Langehof, Martinsthaler Straße 4 in Eltville-Rauenthal
Riesling in der Mauergasse
Grundlegend renoviert hat auch Christian Ress. Dabei ist die gut frequentierte Weinbar Ress in der Wiesbadener Mauergasse noch gar nicht so alt, doch der umtriebige Chef des Hattenheimer Weinguts Balthasar Ress hielt den Zeitpunkt für gekommen, dem schicken Etablissement eine Frischzellenkur zu spendieren. Das ist gelungen, und das „Wein-Bermuda-Viereck“ ist seit der Wiedereröffnung im Frühjahr mit dem „Y“ von Ahmet Yildirim und dem „Pearls“ von Henkell-Freixenet sowie der Dependance des Lorcher Weinguts Laquai endlich wieder vollständig. Hier lässt es sich vortrefflich Riesling verkosten, und Leckereien bis hin zum ausgewachsenen Menü gehören zum Angebot.
Balthasar Ress Weinbar & Vinothek, Mauergasse 10 in Wiesbaden