Schänken-News

Nichts ist so verlässlich wie der Wandel in der Hotellerie und der Gastronomie. Die Folgen der Corona-Krise, der Energiekrise und des Fachkräftewandels haben im Rheingau Spuren hinterlassen. Die häufig noch familiär geführten Straußwirtschaften und Gutsschänken sind davon zwar weniger betroffen als die gutbürgerliche und die gehobene Gastronomie. Doch überall sind qualifizierte oder zumindest engagierte Mitarbeiter gefragt, vom Service bis zur Spülkraft. Der verbreitete Mangel zeigt sich in teils veränderten Öffnungszeiten und Angeboten. Von einem kulinarischen Kahlschlag ist die Region noch entfernt. Hier eine kleine Übersicht über aktuelle Änderungen in diesem Jahr, und gerade stehen offenbar noch weitere an. Wir berichten fortlaufend…

Trenz zu !!!!

Regional, saisonal und nachhaltig war das Credo von Simon Neugebauer, der als Pächter die Gastronomie im Johannisberger Weingut Trenz übernommen hatte. Doch im Sommer die Überraschung: Gutaussschank geschlossen vermeldete Trenz, Hintergründe unbekannt. Schade, denn Neugebauer, der aus dem gleichnamigen Rheingauer Hotel stammt, und sein Küchenchef Dzevad Kabaretovic, hatten die Küche der beliebten Schänke behutsam weiterentwickelt. Im Rhythmus von zwei bis drei Monaten wurde die Speisekarte an das saisonale Angebot angepasst werden. Auf Rheingauer Klassiker wie den „Trenzburger“ vom Angus Beef und eine Winzervesper wurde nicht verzichtet. Nun heißt es: leider abwarten!

Closed: Gutsrestaurant Trenz, Schulstraße 3 in Geisenheim-Johannisberg

Gemüse im Mittelpunkt

Die „Bistronomie“ im Erbacher Weingut Baron Knyphausen hat zum Jahresbeginn 2024 eine spannende Metamorphose durchlebt. Mit dem neuen Namen „1818 Gutsrestaurant & Weinbar“ ist eine Neuausrichtung des kulinarischen Konzepts verbunden. Im Fokus stehen weniger Fisch und Fleisch als Gemüse in vielen schmackhaften Varianten. Die Basis sind frische, saisonale und regionale Produkte. Serviert werden sogenannte „sharing plates“. Das heißt, das Genusserlebnis ist am größten, wenn sich vier oder gar sechs Gäste viele Teller bestellen und diese dann nach Lust und Neigung miteinander teilen. Vegane Optionen sind möglich. Küchenchef Daniel Nöller geht es um ein ganzheitliches kulinarisches Erlebnis. Ich bin gespannt, ob und wie das Angebot auf Dauer im Rheingau angenommen wird.

Gutsrestaurant & Weinbar Knyphausen im Draiser Hof, Erbacher Straße 26 in Eltville-Erbach

Fleisch ist mein Gemüse

Abrupter kulinarischer Kurswechsel auch in Gunter Künstlers Dependance in Hattenheim: Die Gastronomie im „Pfaffenberg“ – vormals Schloss Schönborn – mit ihrer schönen Terrasse hat im März einen Neustart erfahren. Die Weinbar Künstler hat unter der Leitung von Fernando Elvira eine spannende Neuausrichtung erfahren. Der Argentinier ist im Rheingau aus seiner Zeit mit dem Restaurant Chamamé am Eltviller Tennisclub im Wiesweg und durch seinen Foodtruck an wechselnden Plätzen gut bekannt. Nun ist Hattenheim der neue Standort, und angeboten wird ein Mix aus argentinischer und mediterraner Küche. Im Eröffnungsmonat gab es unter anderem Locro, einen argentinischen Eintopf aus Mais, Bohnen sowie Fleisch vom Rind und Schwein, aber auch ein Trio de Empanadas und eine rote Linsensuppe.

Restaurant Chamamé in der Weinbar Künstler, Hauptstraße 53 in Eltville Hattenheim

Zäsur bei OetingerDie lange währende „italienische Phase“ in der weithin bekannten Gutsschänke des Weinguts Achim von Oetinger in Eltville-Erbach ist zu Ende. Familie Contino hat ein neues kulinarisches Projekt in Schlangenbad gestartet, und Winzer Achim von Oetinger hat nach dem Auszug eine Neuausrichtung eingeleitet. Die Weinstube wurde inzwischen renoviert und umgestaltet und strahlt nun wieder ein klares, schnörkelloses Flair aus. Der Garten ist ohnehin ein Anziehungspunkt für sich, trotz der nahen Bundesstraße. Die neue Weinkarte zeigt eine erfreuliche Jahrgangstiefe auch bei den phänomenalen Lagenweinen des VDP-Weinguts, wobei schon die Gutsweine von hoher Qualität sind. Die Küche startete in der Anfangsphase mit kleinen Schmankerl, darunter leckeren Jahrgangs-Sardinen, Flammkuchen und Nudeln. Das soll kulinarisch aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir sind gespannt und berichten weiter

Weinbistro Oetinger, Rheinallee 1 in Eltville-Erbach,

Afterwork im Yoga-Studio

Auf einen Afterwork Riesling ins Weingut und danach eine Yoga-Stunde? Das noch junge Weingut Prana bietet aktuell jeden Donnerstag von 17 Uhr an einen Ausklang aus dem Arbeitstag (keine Reservierung möglich). Zudem gibt es immer öfter Veranstaltungen, denn der Garten ist groß, der Walnussbaum schattig und auch in der Kelterhalle gibt es Platz. Küchenpartner ist „Chef Daniel“ Horne, der im Rheingau mit seiner „Winzza“ Schlagzeilen gemacht hat und vielen Rheingau-Besuchern von diversen Festen gut bekannt ist.  Das Weingut selbst ist nur 4,5 Hektar klein, doch die Ambitionen sind groß. Langfristig ist vor allem der Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten geplant, um dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Ein spannendes Projekt.

Weingut Prana, Kirchstraße 61 in Winkel,

Neue Terrasse im Langehof

Der Langehof gehört schon lange zu den ersten kulinarischen Adressen in Rauenthal, und wegen der Verwandtschaft von Patron Matthias Klein mit den Lorcher Winzerbrüdern Gilbert und Gundolf Laquai bietet die Schänke obendrein die reizvolle Gelegenheit, das Rauenthaler Terroir mit dem aus Lorch zu vergleichen. In jüngerer Vergangenheit wurde nicht nur die Schänke behutsam renoviert und modernisiert, sondern auch eine schöne Terrasse gestaltet. Zuletzt wurde der Wintergarten fertiggestellt, wodurch der 1566 errichtete Langehof, der zu den ältesten Gebäuden des 750 Jahren alten Weindorfs zählt, noch einmal an Attraktivität zugelegt hat. Zu den Spezialitäten gehören der Bauernhandkäs mit Musik, der gegrillte Ziegenkäse im Speckmantel und das überbackene mediterrane Gemüse, aber auch der Angus Prime Burger.

Gutsschänke Langehof, Martinsthaler Straße 4 in Eltville-Rauenthal

Riesling in der Mauergasse

Grundlegend renoviert hat auch Christian Ress. Dabei ist die gut frequentierte Weinbar Ress in der Wiesbadener Mauergasse noch gar nicht so alt, doch der umtriebige Chef des Hattenheimer Weinguts Balthasar Ress hielt den Zeitpunkt für gekommen, dem schicken Etablissement eine Frischzellenkur zu spendieren. Das ist gelungen, und das „Wein-Bermuda-Viereck“ ist seit der Wiedereröffnung im Frühjahr mit dem „Y“ von Ahmet Yildirim und dem „Pearls“ von Henkell-Freixenet sowie der Dependance des Lorcher Weinguts Laquai endlich wieder vollständig. Hier lässt es sich vortrefflich Riesling verkosten, und Leckereien bis hin zum ausgewachsenen Menü gehören zum Angebot.

Balthasar Ress Weinbar & Vinothek, Mauergasse 10 in Wiesbaden

Sackgasse Ökoweinbau?

Der Weinbau soll nachhaltig, am besten klimaneutral werden. Ein schwieriger Weg, auf dem pilzresistente Rebsorten, Querterrassen und Leichtglas helfen könnten. Denn abgesehen von den Apfelplantagen sind es die Weinberge, die in der deutschen Landwirtschaft den intensivsten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfordern. Ohne Pflanzenschutz keine Ernte. Das ist unter anderem die Konsequenz einer Dauerkultur, die anders als beim Getreideanbau keine regelmäßige Fruchtfolge zulässt. Ein Weinberg steht für die Dauer von 30 und mehr Jahren, und er soll in jedem Jahr ordentliche Erträge liefern, um das Überleben der Betriebe zu sichern. Gleichwohl – oder auch gerade deshalb – ist die Nachhaltigkeit im Weinbau ein intensiv diskutiertes Thema.

Die Weinqualität beginnt immer mit der Arbeit im Weinberg. Mit der Nachhaltigkeit ist es nicht anders. Schon bei den Rebsorten hat der Winzer die Qual der Wahl: weiter – wie im Rheingau – vorrangig auf Riesling und Spätburgunder setzen oder den neu gezüchteten, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwis, eine Chance geben?

„Als Ergänzung interessant“, meint Weinbaupräsident Peter Seyffardt mit skeptischem Blick auf die Neuzüchtungen. Allerdings böten Piwis keine Garantie auf einen dauerhaft geringeren Einsatz von Spritzmitteln, wie die Entwicklung der vermeintlich resistenten Rebsorte Regent gezeigt habe. Diese habe ihre Widerstandsfähigkeit weitgehend verloren.

Dennoch haben viele Erzeuger einschließlich der hessischen Staatsweingüter begonnen, mit modernen Piwi-Sorten der nächsten Generation wie Cabernet Blanc oder Souvignier gris zu experimentieren. Ihr Vorteil: deutlich weniger Spritzvorgänge in der Vegetationsphase und damit weniger Traktorfahrten durch die Weinberge. Das bedeutet Einsparungen beim Dieselverbrauch und eine geringere Bodenverdichtung.

Ist der ökologische Weinbau daher alles andere als nachhaltig? Denn die zertifizierten Ökowinzer müssen in klimatisch schwierigen Jahren häufiger als ihre konventionellen Kollegen kupfer- und schwefelhaltige Spritzmittel ausbringen, um den gefährlichen Pilzkrankheiten wie Oidium und Peronospora keinen Raum im Weinberg zu geben. Stecken die Ökowinzer womöglich in einer Nachhaltigkeitssackgasse, wie es der Lorcher Winzer Gilbert Laquai am Rande eines Regionalgesprächs zur Nachhaltigkeit im Weinbau der Bürgerstiftung Rheingau-Taunus thematisierte?

„Keineswegs“, meint Bärbel Weinert-Maurer vom Johannisberger Weingut Prinz von Hessen. Das Weingut hat mit dem Jahrgang 2023 die dreijährige Umstellung auf ökologischen Weinbau abgeschlossen, und Prinz von Hessen ist zudem Mitglied im Verband der Prädikatsweingüter. Dessen 200 Mitglieder haben verpflichtend vereinbart, dass sich alle Betriebe bis zum Jahr 2025 einer nachhaltigen Zertifizierung unterziehen müssen. Beispielsweise durch die Initiative „FairChoice“ oder den 2013 gegründeten Verein „Fair and Green“, von dem eigenen Angaben zufolge rund 60 Weingüter zertifiziert worden sind. Eine Nachhaltigkeitszertifizierung bezieht neben ökologischen auch ökonomische und soziale Kriterien ein.

Rund 40 Prozent der von VDP-Gütern gepflegten Rebfläche werden von insgesamt 82 Weingütern schon jetzt ökologisch bewirtschaftet. Damit würden mehr als 16 Prozent der deutschen Ökoweinbaufläche von VDP-Mitgliedern bewirtschaftet, heißt es beim Verband. Ein gutes Dutzend Güter arbeitet sogar biodynamisch. So weit will Weinert-Maurer in ihrer Strategie für Prinz von Hessen zwar nicht gehen. Sie sieht aber wie fast alle Biowinzer keinen Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Ökoweinbau. Der Bioweinbau sei vielmehr „ein Baustein unserer Nachhaltigkeitsstrategie“.

Auf drei Prozent der 35 Hektar Rebfläche hat sie zudem Piwis angepflanzt, um Erfahrungen zu sammeln. Reinsortig lassen sich diese Weine zwar wegen der Zurückhaltung vieler Konsumenten noch nicht so einfach verkaufen. Das Weingesetz aber lässt es zu, auch dann eine einzige Rebsorte wie Riesling oder Spätburgunder auf dem Flaschenetikett zu vermerken, wenn bis zu 15 Prozent andere Rebsorten zugemischt wurden. Eine Möglichkeit, die vor allem bei Basisweinen häufig genutzt wird.

Nicht wenige Rheingauer Winzer lehnen Piwis bislang noch rundweg ab und sind der Ansicht, dass der noch immer die Rebfläche klar dominierende Riesling sehr wohl eine für die Zukunft gut geeignete „Klimarebsorte“ ist – wenn der richtige Klon an der richtigen Stelle gepflanzt worden ist. Der Riesling verkrafte die Klimaentwicklung und finde im Rheingau gute Bedingungen, bestätigt Weinbaupräsident Seyffardt.

Integraler Bestandteil eines nachhaltigen Wirtschaftens im Weinbau sind unabhängig von der ökologischen oder konventionellen Strategie der Erhalt und die Förderung der Biodiversität. Die Vorteile des Ökoweinbaus scheinen in dieser Hinsicht allerdings überschaubar. Seyffardt verwies bei einem Fachgespräch zum nachhaltigen Weinbau auf Untersuchungen des Julius-Kühn-Instituts für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau Geilweilerhof, wonach auf integriert und umweltschonend bewirtschafteten Flächen sogar mehr Nützlinge zu finden seien als auf Flächen des Ökoweinbaus.

Besonders günstig für die Artenvielfalt sind demnach im landschaftsprägenden Steillagenweinbau – unabhängig von der Wirtschaftsweise – Querterrassen, wie sie Winzer Laquai schon seit 2008 in Lorcher Steilhängen angelegt hat. Dadurch sind rund zehn Hektar begrünte Böschungen entstanden, die bedeutsame Lebensräume für viele Insekten sind. Laquai wirbt für einen „extensiven Anbau auf großer Fläche statt intensiver Bewirtschaftung auf kleiner Fläche“.

Nicht im Ökoweinbau, sondern in der Querterrassierung sieht er deshalb den „bedeutendsten Baustein“ für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Weinberge. Fauna und Flora profitierten enorm, eine Erosion bei Starkregen werde vermieden, die Laubwand werde gut durchlüftet, und der Einsatz moderner Maschinen sei möglich. Allerdings: Die einmaligen Investitionskosten zur Umgestaltung der Weinberge sind immens. Laquai fordert daher finanzielle Unterstützung der nachhaltig wirtschaftenden Betriebe.

Die Vorteile von Querterrassen für die Artenvielfalt bestätigt aus wissenschaftlicher Sicht Ilona Leyer vom Institut für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim. Sie schlägt vor, die Monotonie der Landschaft aufzubrechen durch mehr Hecken, Alleen, Säume, Grünland und Brachen. Mehr Vielfalt in den Weinberg brächten auch Nisthilfen, Totholz und besonders breite „Maxigassen“ mit einer Begrünung durch artenreiche, regionale Saatmischungen. Ein anderes Konzept heißt Vitiforst: Die ersten Rheingauer Winzer haben begonnen, Bäume zwischen die Rebzeilen zu pflanzen, um der Natur auf die Sprünge zu helfen. Bäume sollen Kohlenstoff binden, das Klima positiv beeinflussen, den Boden verbessern und die Biodiversität erhöhen. Bäume sollen zudem gut sein für den Wasserhaushalt und die Nährstoffversorgung. Eine Strategie, die von den meisten Winzer bislang aber sehr kritisch gesehen wird.

Am Ende zählt zur Nachhaltigkeit im Weinbau nicht nur die Arbeit im Weinberg, denn jeder Arbeitsschritt vom Rebschnitt bis zum Versand soll nachhaltig sein. Ökostrom im energieeffizienten Weinkeller, Abfüllung in dünnwandige Leichtglasflaschen, Effizienz bei Versand und Logistik, das sind nur einige der Stichworte in einer fortlaufenden Diskussion über den Weg zum CO2-neutralen Weingut. Allein die herkömmliche Einweg-Weinflasche ist für 47 Prozent des Kohlendioxidausstoßes eines Weinguts verantwortlich.

Zudem stellt sich die Frage, ob auf eine Leichtglasflasche nicht auch ein Naturkork gehört? Nach Meinung des Naturschutzbundes beispielsweise sollten die Weinkäufer gezielt im Handel danach fragen, denn Kork sei das Produkt einer jahrhundertealten nachhaltigen Landbewirtschaftung in den Korkeichenwäldern, habe eine gute Klimabilanz und lasse sich problemlos recyceln: „Darum ist die Nutzung von Flaschenkorken ein echter Gewinn.“

Die Verpackungsindustrie kontert mit Studien, wonach der Aluminiumschraubverschluss nur zwei Prozent der Klimaauswirkungen einer Flasche Wein ausmache. Ein flächendeckendes Zurück vom Schraubverschluss zum Korken scheint schon aus Kostengründen nicht mehr vorstellbar.

Verpackung und Logistik beschäftigen aber Winzer Laquai. Er hat seine Kunden daran gewöhnt, leer getrunkene Flaschen beim nächsten Einkauf zurückzubringen, wie es in der Vergangenheit in vielen Betrieben üblich war. Die Rücklaufquote von 35 Prozent hält Laquai für gut, die Flaschen lässt er in einer Rheingauer Behindertenwerkstatt spülen.

Vom teuren Vollkorken hält er nicht viel, weil die Kunden dafür nicht mehr zahlen wollen. Dafür kommt der Lorcher Winzer den Kunden buchstäblich weit entgegen. In der Wiesbadener Mauergasse hat er ebenso wie Kollegen eine Vinothek mit Ausschank eröffnet. Eine Verkaufsstelle in der Großstadt, so Laquai, bedeute mehr Nachhaltigkeit durch Kundennähe. 

(Mein Bericht aus der FAZ vom 14.8.2024)

Neuer Keller für Vollrads

Der modernste Weinkeller des Rheingaus ist Mitte August auf Schloss Vollrads eröffnet worden. Das Sparkassenweingut hat fast zwölf Millionen Euro investiert, um Arbeitsabläufe zu verbessern. Auch das altehrwürdige Schloss profitiert davon.

Der Weinherbst kann kommen. Ende September werden vermutlich die ersten Rieslingtrauben geerntet, und der neue Keller von Schloss Vollrads in Winkel ist bereit, um dort die Trauben anzunehmen, zu pressen, vergären zu lassen und zu lagern. Knapp zwölf Millionen Euro hat das der Nassauischen Sparkasse gehörende Weingut in den Neubau oberhalb von Winkel investiert, um modernen Ansprüchen bei der schonenden Verarbeitung des Leseguts zu genügen und die Arbeitsabläufe zu verbessern.

Genügt wurde auch den hohen Ansprüchen der Denkmalpflege, die immer ein wachsames Auge auf das Kulturdenkmal hat. Bei Anfahrt über die Vollradser Allee ist der immerhin fast 100 Meter lange und 25 Meter breite Baukörper nicht zu sehen. Und wer durch das Naturschutzgebiet Vollradser Wäldchen wandert, dem wird die Blickachse von der Anhöhe auf das Schloss nicht verstellt.

Die Kellerei, die an der tiefsten Stelle des flachen Hangs rund fünf Meter in den Boden hineinreicht, steht auf einer ehemaligen Pferdekoppel zwischen der nördlichen Schlossmauer und dem idyllischen Naturschutzgebiet Vollradser Wäldchen. Auf dieser Fläche befinden sich auch der Schlossparkplatz und eine 2011 gebaute Halle für die Geräte zur Bewirtschaftung der Weinberge. Die 20.000 Kubikmeter Erdaushub wurden zum Teil genutzt, um eine Senke in einem 500 Meter entfernten Weinberg aufzufüllen und diesen neu zu bepflanzen.

Im Sommer 2022 war nach langer Planung und Vorbereitung mit dem Bau begonnen worden. Für Geschäftsführer Ralf Bengel war es das zweite derartige Großprojekt in seinem Berufsleben, denn als ehemaliger Chefönologe der Hessischen Staatsweingüter war er seinerzeit in den Bau des Steinbergkellers bei Hattenheim involviert.

Ganz so groß ist der neue Vollradser Keller zwar nicht, aber auch der jüngste und modernste Weinkeller des Rheingaus ist geräumig, flexibel und auf die Zukunft ausgelegt. Diese kann weiteres Wachstum bedeuten, denn der Strukturwandel im Rheingau geht ungebremst weiter mit der Folge von immer weniger, dafür immer größeren und schlagkräftigen Erzeugern. Die Rebfläche des seit 2022 ökologisch wirtschaftenden Weinguts Schloss Vollrads ist seit dem Beginn des Kellereineubaus auf 70 Hektar gewachsen.

Nicht nur das Gebäude ist neu, auch die rund 80 temperaturgesteuerten Tanks mit einem Fassungsvermögen von 520.000 Litern wurden neu angeschafft, ebenso zwei 8000-Liter-Pressen. Imposant sind zwei 50.000-Liter-Tanks zum Abfüllen großer Mengen der meistverkauften Weine. Zwei Doppelstückfässer (jeweils 2400 Liter), gefertigt aus Eichenholz aus dem eigenen Wald, sollen bald noch hinzukommen.

Die neue Kellerei, die energetisch dem KfW-40-Standard genügt, ist auf eine möglichst schonende Verarbeitung der Trauben ausgelegt. Es gibt großzügig dimensionierte und klimatisierte Flächen für das Flaschenlager, für Materialien und Verpackung. Der Vorteil für das Schloss: Künftig werden keine Gitterboxen mit Flaschen oder Arbeitsgeräten mehr die optische Wirkung der sehenswerten Anlage beeinträchtigen. Denn am und mit dem Wein gearbeitet wird ausschließlich im neuen Gebäude.

Mit einer einzigen Ausnahme: dem alten Holzfasskeller, der weiter genutzt wird, um im Holzfass den Großen Gewächsen den Feinschliff zu geben. Ausgeklügelt ist auch das logistische Konzept, um die Anlieferung von Material und den Abtransport von Wein reibungslos zu bewältigen. Es gibt zudem Büros für das Kellereiteam nebst Sozialräumen.

Die neue Kellerei mit ihren zwei Arbeitsebenen und ihrer Fassade in Holzbauweise ist die neue Energiezentrale für das gesamte Schloss. Zusammen mit den Solarmodulen auf der Maschinenhalle kann jetzt eine Leistung von 350 Kilowatt erreicht werden. Reichen die Kraft der Sonne und die in einer Batterie gespeicherte Energie nicht aus, um den Strom zum Kühlen und Heizen zu garantieren, springen zwei mit Flüssiggas betriebene Blockheizkraftwerke in die Bresche. Insgesamt hofft Bengel, über das Jahr hinweg rund 80 Prozent der benötigten Energie selbst erzeugen zu können: „Wir wollen nichts ins Netz abgeben.“ Ob das gelingt, wird erst der Alltag zeigen. Drei alte Ölheizungen – die ohnehin zum Austausch angestanden hätten – können jetzt endgültig verschrottet werden. (mein Bericht aus der FAZ vom 14. August 2024)

Unten Wein, oben Strom

Wenn Weinreben unter Solarmodulen wachsen: Eine doppelte Landnutzung hat ihren Charme und verspricht handfeste Vorteile für die Winzer. Doch es gibt einige Hürden und auch Risiken. Und wohin mit der gewonnenen Solarenergie?

Vor dem gefürchteten Sonnenbrand sind die Rebstöcke auf dem Geisenheimer Versuchsfeld am Eibinger Weg gefeit. Die Solarmodule über den Rebstöcken spenden viel Schatten, und sie würden wohl sogar die Hagelkörner abhalten, wenn ein Unwetter aufziehen würde.

Die 1500 Quadratmeter große Parzelle unweit des Geisenheimer Instituts für Rebenzüchtung bietet einen ungewohnten Anblick. Ein Weinberg mit Flachdach, den die Wissenschaftler der Hochschule Geisenheim als Reallabor bezeichnen. Hier wird im Freiland getestet, ob Photovoltaikanlagen über landwirtschaftlichen Flächen (Agri-PV) auch für den deutschen Weinbau eine Option sind. Es geht um eine effiziente doppelte Landnutzung: am Boden Rebstöcke zur Weinerzeugung pflegen, darüber Solarmodule zur umweltfreundlichen Stromgewinnung aufstellen.

Neu ist die Idee nicht. Am Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem größten Solarforschungsinstitut Europas, beschäftigen sich einige der 1400 Mitarbeiter sehr intensiv mit Agri-PV. Darunter Max Trommsdorff, der darauf verweist, dass es seit 2010 einen regelrechten Aufschwung in diesem Sektor gibt, vor allem in Asien. Aktuell sind demnach Agri-PV-Anlagen mit einer globalen Leistung von 14 Gigawatt (Peak) installiert, was einer Solarmodulfläche von immerhin 28 Quadratkilometern entspricht.

Andere Länder sind demnach deutlich weiter als Deutschland. In Japan gibt es seit 2013 ein staatliches Förderprogramm, in Frankreich immerhin seit 2017, und in China werden seit fast zehn Jahren vor allem große Anlagen mit mehr als 15 Hektar Fläche vom Staat gefördert. In Deutschland gibt der Gesetzgeber vor, dass die Kulturpflanzen im Schatten unter den Modulen mindestens 66 Prozent ihres üblichen Ertrags liefern müssen. Das ist zu schaffen. Nach einer Übersicht von Trommsdorff sind in Deutschland etwa 30 Anlagen mit einer Leistung von 400 Megawatt installiert.

Größte Hürde: der Schattenwurf der Module. Denn alle Kulturpflanzen streben nach Licht, um sich bestmöglich entwickeln zu können und viele Früchte von hoher Qualität zu tragen. Besonders geeignet ist laut Trommsdorff deshalb der Obst- und Beerenanbau, weil selbst bei einem Verschattungsgrad von 50 Prozent noch volle Erträge möglich seien. Inzwischen gibt es semitransparente Module, die zwar etwas weniger Strom liefern, aber mehr Licht durchlassen.

Trommsdorff kritisiert aufwendige Genehmigungsverfahren in Deutschland, auch wenn es inzwischen Erleichterungen für kleinere Anlagen gibt. Wie aufwendig solche Genehmigungsverfahren sind, das hat die Hochschule Geisenheim im Praxistest erfahren. Vor fünf Jahren gab es erste Überlegungen und Pläne, im Rheingau Agri-PV für den Weinbau zu testen, weil der Charme der doppelten Flächennutzung erkannt war.

Von einer Versuchsanlage waren aber einige Anwohner in der Nähe des Weinbergs nicht begeistert, sodass die konfliktscheue Hochschule einen anderen Standort suchte und in der Nähe des Instituts für Rebenzüchtung fündig wurde. Der gilt im Nachhinein sogar als die bessere Option. Insgesamt waren 38 Behörden zu beteiligen, ehe der Weg endlich frei für die Module war.

Die Folge der langen Planungs- und Genehmigungsphase war ein Baubeginn erst im November 2022, und im Oktober 2023 wurde der erste Strom erzeugt. Die 552 Module liefern eine maximale Leistung von 94 Kilowatt. Es wäre auch mehr möglich gewesen, doch bei mehr als 100 Kilowatt hätte die Hochschule aus eigenen Mitteln 70.000 Euro in eine Trafostation investieren müssen. Die Module sammeln 3,5 Meter über dem Boden die Solarenergie ein. Darunter – und auf einer ebenso großen Kontrollfläche daneben – wurde Riesling gepflanzt. Je zur Hälfte werden die beiden Flächen ökologisch und integriert bewirtschaftet, um mittelfristig auch dazu Erkenntnisse zu gewinnen.

Die ersten Ergebnisse stellte Lucia Garstka kürzlich auf einer Arbeitstagung der Hochschule vor. Demnach sorgen die semitransparenten Module für eine noch immer ordentliche Lichtverfügbarkeit. Eine Besonderheit des Baus sind die betonfreien Fundamente. Die Module lassen sich in ihrer Aufhängung zudem kippen, sodass sie dem wechselnden Sonnenstand folgen können, um eine bestmögliche Energieausbeute zu erreichen.

Festhalten lässt sich laut Garstka, dass die Temperatur in der beschatteten Traubenzone ein bis vier Grad niedriger ist als in der offenen Kontrollfläche. Nachts hingegen liegen die Temperaturen erwartungsgemäß um ein bis zwei Grad höher. Nicht nur die Luftfeuchtigkeit ist unter dem Solarmoduldach etwas höher als im Freien, sondern auch die Bodenfeuchte, was günstig für die Pflanzen ist, wenn das Wasser nicht zu schnell aus den bodennahen Schichten verdunstet. Dafür bekommen die Rebstöcke unter den Modulen allerdings weniger als die Hälfe der Sonneneinstrahlung ab.

Garstka notierte zudem leichte Verzögerungen im Wachstum bei fortschreitender Vegetationszeit. Die Rebblüte erfolgte verzögert und am Rebstock auch heterogen. Auch eine geringe Reifeverzögerung wurde erfasst. Vorliegende Studien, wonach unter Solarmodulen im Herbst Weine mit höherer Säure und geringerem Mostgewicht geerntet werden, konnten im ersten Weinjahr noch nicht bestätigt werden. Auch in Geisenheim war die Säure höher, das Mostgewicht aber gleich. Für bemerkenswert hält Garstka, dass unter dem Solardach nachträglich gepflanzte Jungreben mit längeren Trieben auf den Schatten reagierten.

Erfreulich für den Winzer könnte sein, dass die Frostanfälligkeit wegen der etwas höheren Nachttemperaturen unter den Modulen geringer sein könnte. „Ein bis zwei Grad können einen großen Unterschied ausmachen“, so Garstka mit Blick auf die Frostnacht am 22. April, die in allen deutschen Anbaugebieten teils erhebliche Schäden hinterlassen hat. Sonnenbrandschäden habe es unter Modulen im Gegensatz zur Kontrollfläche nicht gegeben.

Die Hochschule sieht es als ihre Mission, bestehende Systeme weiterzuentwickeln. Das Ergebnis ist nur wenige Meter entfernt zu studieren: ein erstes mobiles Agri-PV-System namens „VitoCULT-PVmobil“, das binnen eines Tages montiert oder abgebaut werden kann und für das deshalb ein Patentantrag eingereicht worden ist. Laut Thomas Keck vom beteiligten Ingenieurbüro SPB Sonne war es das Ziel, eine einfache, mobile, erweiterbare und flexible Anlage zu bauen, die vor allem für Jungfelder geeignet ist.

Dazu werden faltbare Solarmodule verwendet, die wie ein Rollladen in Kästen gelagert und bei Bedarf mit Seilzügen ausgerollt werden. Ihre Vorteile: Die Verschattung liegt nur bei 30 Prozent, und eine Baugenehmigung wird absehbar nicht erforderlich sein. Die Nachteile: Wegen der Leichtbauweise müssen die Module bei starkem Wind eingefahren werden, und die Leistung der 15 Meter langen und sechs Meter breiten Anlage ist mit 4,5 Kilowatt (Peak) recht gering.

Seit Juni ist sie als ein bis Ende 2025 öffentlich gefördertes Pilotvorhaben in Betrieb, um Erfahrungen zu sammeln.

Ergänzt wurde sie um einen Batteriespeicher mit 40 Kilowattstunden Kapazität, denn die Frage stellt sich bei jeder Agri-PV-Anlage: Wohin mit dem Strom? Das jeweilige Weingut oder der nächstgelegene Einspeisepunkt wären bei vielen Weinbergen weit entfernt und würden hohe Kosten in neue Netzanschlüsse bedeuten.

Allerdings könnte der Strom unter anderem genutzt werden, um Drohnen, elektrische Arbeitsgeräte oder E-Fahrzeuge zu laden oder ihn in mobilen Batterien zu speichern. Versuchsweise wurde in Geisenheim in der Rebanlage neben dem Bewässerungsschlauch zudem ein Heizdraht verbaut, der die mit dem Klimawandel für den Weinbau einhergehenden, gefährlichen Spätfröste im Frühjahr entschärfen könnte.

Die mobile und mit allerlei Messtechnik ausgerüstete Anlage über einem Jungfeld mit neuen, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten hat zudem den Vorteil, dass die Module vor staubigen Erdarbeiten eingefahren werden können, weil die Verschmutzung der Module über Feldern absehbar und die Reinigung drei Meter über dem Boden immer aufwendig ist. Zum Sammeln der Erfahrungen gehört auch die Meinung der Winzer, der Anwohner und Besucher zu Solarmodulen über Weinbergen. Solarforscher Trommsdorff hat dazu seine ganz eigene Ansicht: „Akzeptanz ist die knappste Ressource der Energiewende.“  (Basis: mein FAZ-Bericht vom 2.8.2024)

Ende der Weinkönigin?

Erst hüh, dann hott. Der Plan des Pfalzwein-Vereins, künftig auch Männer für das begehrte Amt der Weinkönigin zuzulassen und das Amt damit abzuschaffen, ist vorerst gescheitert. Die gewählten Repräsentanten sollten nach den Plänen „Pfalzwein-Botschafter*innen“ heißen und – wenig glanzvoll – nur mehr schmucke Anstecknadeln tragen, wenn sie im Auftrag ihrer Weinbauregion werbend und informierend unterwegs sind.

Viktoria Wolf, die aktuelle Rheingauer Weinkönigin, wird sich aus beruflichen Gründen zwar nicht zur Wahl der Deutschen Weinkönigin stellen. Der Rheingau wäre dem abstrusen Beispiel der Pfalz aber ohnehin nicht gefolgt. Seyffardt verwies im Gespräch mit mir auf bereits tätige Wein- und Kulturbotschafter, die der Rheingau ausbilde, um Besucher zu empfangen und fachkundig durch die Region zwischen Hochheim und Lorch zu führen. Der Botschafter-Begriff ist somit schon besetzt.

Im Gegensatz zu den Weinbotschaftern seien die Königinnen ehrenamtliche Repräsentantinnen für ein Jahr und genössen hohe Wertschätzung und viel Aufmerksamkeit, sagte Seyffardt. Derzeit bestehe das Team aus der 26 Jahre alten Hochheimerin Wolf, die einen Abschluss der Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit habe, sowie der Winzertochter Silvana Fetzer und der Lorcherin Paula Söhn, die ihr als Prinzessinnen zur Seite stünden. Alle drei seien bei organisierten Reisen von Weinjournalisten aus dem Ausland geschätzte Gesprächspartner.

Insgesamt gibt es im Rheingau rund 40 Weinmajestäten, weil viele Städte und Gemeinden eigene Königinnen und zum Teil auch noch bis zu drei Prinzessinnen bestimmten. Am 9. August standen die meisten von ihnen auf der Bühne in Wiesbaden, um die Weinwoche zu eröffnen. Unzufrieden ist der Rheingauer Verband eigentlich nur damit, dass seine oberste Repräsentation seit Jahren bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin nicht mehr zum Zuge gekommen sei. Deshalb hat es Seyffardt der jeweiligen Rheingauer Vertreterin freigestellt, ob sie in Neustadt antreten will oder nicht. In 75 Jahren vermochte es die traditionsreiche Weinbauregion am Rhein lediglich dreimal, die oberste deutsche Repräsentantin zu stellen: Zuletzt war es Ulrike Neradt in der Amtszeit 1972/73. Zuvor hatten die Krone Marika Gebhardt aus Martinsthal (1969) und Wilma Seyer aus Kiedrich (1959) tragen dürfen.

Auch ein Mann war im Rheingau schon einmal Repräsentant eines Weindorfs: Clemens Weißenberger übernahm in Martinsthal als Bacchus die Rolle in den Neunzigern für immerhin sieben Jahre. Allerdings ausdrücklich als „Verwahrer“ der Weinkrone, bis schließlich wieder eine junge Frau gefunden war. Vor drei Jahren war dann abermals ein Bacchus bestimmt worden, jedoch nur als „Nebenfigur“ zur Martinsthaler Weinkönigin. Für einen Weinkönig sieht der Rheingau laut Seyffardt noch keinen Bedarf und lädt zur Krönung der neuen Weinkönigin Lena Orth – sie ist die einzige Kandidatin – für Mitte September ins Kloster Eberbach ein: „Wir werden nichts ändern.“ Gut so.

(Quelle: mein Bericht in der FAZ vom 1.8.)

Endlich wieder online

So, die lange Durststrecke ist zu Ende. Leider gab es – nach einem Hackerangriff, IT-Probleme und nach einem hochkomplizierten Providerwechsel – eine (viel zu) lange Bockblog-Pause. Aber nun gibt es wieder regelmäßig Beiträge. Bleibt neugierig und schaut wieder öfter mal vorbei.

Euer Rheingauer Weinschmecker

Großes Geld für große Flaschen

Zum zweiten Mal herrschte wegen der Pandemie weitgehende Leere im Laiendormitorium von Kloster Eberbach anlässlich der Weinversteigerung des Verbands der Prädikatsweingüter (VDP). Doch die Winzer hatten gleichwohl Grund zu Zufriedenheit. Auch ohne die sonst gewohnten 500 Weingenießer im Saal waren die Gebote für die knapp 3000 angebotenen Flaschen der zwölf beteiligten Weingüter beachtlich. Insgesamt lag der Umsatz am Ende bei 305.000 Euro.

Auf großes Interesse stießen vor allem die angebotenen Großflaschen. Das für seinen Assmannshäuser Spätburgunder stets hochgelobte Weingut August Kesseler erhielt 3000 Euro für eine fünf Liter fassende Flasche mit dem 2019er Assmannshäuser Höllenberg Großes Gewächs. Diesen Erlös übertrafen die Hessischen Staatsweingüter mit einem 2012er Spätburgunder in der Methusalem-Flasche (6 Liter) um 100 Euro. Staatsweingüter-Chef Dieter Greiner war mit dem Erlös ebenso zufrieden wie August Kesseler. Dieser hatte auf mehr als 2000 Euro spekuliert und war entsprechend glücklich über das Höchstgebot. Kesseler schwärmte vom einzigartigen Terroir des Höllenberg, das feine und elegante Rotweine möglich mache.

Nicht weniger als zwölf Liter fasst die Balthazar genannte, künstlerisch gestaltete Einzelflasche mit „Goethewein aus dem Brentanohaus“ des Winkeler Weinguts Allendorf. Winzer Max Schönleber konnte sich an seinem 35. Geburtstag über ein Höchstgebot von 6600 Euro freuen: „Ich habe heute Grund zu feiern“. Schloss Johannisberg versteigerte eine Sechs-Liter-Flasche 2018er Riesling „Goldlack“ nach 30 Monaten Lagerzeit im großen Holzfass für 3000 Euro. Die Staatsweingüter erzielten 800 ebenfalls für eine Sechs-Liter-Flasche 2012er Hochheimer Domdechaney Riesling Großes Gewächs. Für die edelsüße Riesling Spätlese aus dem Rüdesheimer Berg, ebenfalls in der Sechs-Liter-Flasche, erhielten die Staatsweingüter 1100 Euro. Die doppelte Menge fasste die große Flasche mit einer gemeinsamen Cuvée von Spitzenweinen der drei Weingüter Robert Weil, Sankt Antony und Battenfeld-Spanier, die zusammen mit dem das Flaschenetikett zierenden Original-Bild des bekannten zeitgenössischen Künstlers Bernd Zimmer und sechs weiteren Flaschen dieses Weins zugunsten der flutgeschädigten Ahr-Winzer, der „Stiftung Stoa169“ des Künstlers und der Ukraine-Hilfe für 31.500 Euro versteigert wurde. „Weltrekord für einen trockenen Riesling“, sagte Allendorf.

Nicht minder begehrt waren die Raritäten in handelsüblichen Flaschen (0,75 Liter). Der Benefizwein der diesjährigen Auktion, ein Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Cabinet des Jahrgangs 1952, fand für 4200 Euro einen neuen Eigentümer. Über den Erlös freut sich eine Eltviller Kindertagesstätte, die mit dem Geld ein Motorikzentrum finanzieren will. Sozialminister Kai Klose (Grünen) lobt die Aktion: „Ein 70 Jahre alter Wein, so alt wie unser Ministerpräsident“. Klose outete sich aber als Weißweintrinker und als Freund des „Steinberger“. 350 Euro wurden für die 1967er Riesling Spätlese aus dem Rauenthaler Rothenberg des Weinguts August Eser gezahlt, 220 Euro für eine trockene Spätlese des Jahrgangs 1976 von Schloss Johannisberg und 1200 Euro für den 1972 Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder Auslese Eiswein. Die älteste Rarität war ein 1915er Schloss Johannisberger Riesling Beerenauslese Dunkelblaulack, die Experten im Vorfeld so beschrieben hatten: Das Bouquet offenbart komplexe Aromen nach getrockneten Aprikosen, kandierten Orangen, Earl Grey Tee, Pfefferminze und feinwürzige Noten wie Marzipan, Zimt und Tabak. Das überzeugte wohl einen Sammler, der mit 9600 Euro das zweithöchste Gebot des Tages abgab. Neben Großflaschen und gereiften Raritäten sind es Kultweine, die der Versteigerung den Reiz geben. Der erst zweite Jahrgang des „Monte Vacano“-Riesling aus dem Weingut Robert Weil, der ausschließlich in Magnum-Flaschen und Großflaschen versteigert wird. „Mir haben das erste Mal die Worte zur Weinbeschreibung gefehlt“, sagte Auktionator Allendorf vor Beginn des Bietgefechts, das für jede der Magnumflaschen nur deshalb bei 850 Euro (Vorjahr 520 Euro) endete, weil Wilhelm Weil zusätzlich zu den 36 angebotenen Flaschen weitere 88 Flaschen bereitstellte. Für die einzige Sechs-Liter-Flasche wurde der Zuschlag beim Höchstgebot von 10.001 Euro erteilt. Im vergangenen Jahr waren es 18.000 Euro für eine Zwölf-Liter-Flasche. (aus der F.A.Z. vom 7.3.2022)

Mehr Wein exportiert

Die Ausfuhren deutscher Weine haben sich im vergangenen Jahr sehr positiv entwickelt. Wie das Deutsche Weininstitut (DWI) mitteilt, erreichte der Wert der exportierten Weine mit 357 Mio. Euro den höchsten Stand seit 2010 (355 Mio. Euro). Im Vergleich zum Vorjahr ist der Weinexportwert um 29 Prozent und das Volumen der ausgeführten Weine um 27 Prozent auf 1,2 Mio. Hektoliter angestiegen. (Quelle DWI)

Saffredi Vertikale

Zu den Besonderheiten des Rheingau Gourmet und Weinfestivals gehören die inzwischen „Masterclass“ genannten Weinproben, die eine nähere Beschäftigung mit einem Weingut erlauben. Da macht die 25. Jubiläumssaison keine Ausnahme. Ich habe mir die Saffredi -Vertikale gegönnt, und das hat sich gelohnt. Die 75 Hektar große Fattoria le Pupille liegt in Küstennähe in der Maremma. Den Saffredi (das ist kein Weinbergsname)-Cru aus einer heute 8,5 Hektar großen Einzellage gibt es seit 1987. Der in der Regel von der Rebsorte Cabernet-Sauvignon geführte Blend ist am Markt erfolgreich, Flaschenpreis ca. 80 Euro, und das waren die Jahrgänge:

2000 in Würde gereift, durchaus schon oxydative Noten, auch Rumtopf mit medinischen Noten, Eukalyptus, auch Tabak, gepaart mit Frucht. Damals ergänzte Grenache (15%) noch Cabernet (50%) und Merlot (35%). Unter dem Strich das Trinkfenster schon überschritten. Einzelne Flaschen schon oxidiert.

2001 wirkt zehn Jahre jünger als 2000! Großer Jahrgang in der Maremma, komplex, dicht, Grip, aber mit einem unschönen fetten Depot, der den Genuss trübte.

2004 jetzt mit Syrah (10%) statt Grenache. Wirkt eher kühler, mineralischer als 2001, sehr kräuterig, gut

2008 steht für ein forderndes Jahr. Der einzige Jahrgang, bei dem Merlot (50%) den Blend mit Cabernet (45%) und Syrah (5%) prägte. Sehr gut strukturiert und balanciert, trinkreif, bei mir auf Platz 3

2012 war mein Favorit, zupackend, präzise, gute Tannine, braucht viel Luft, kommt dann aber mit Macht, hat Potential für die nächsten 5-7 Jahre, ist übrigens der erste Jahrgang, bei dem Petite Verdot den Syrah als 3. Verschnittpartner abgelöst hat. Klare Kaufempfehlung!

2014 steht 2021 nur wenig nach, obwohl das Jahr deutlich schwieriger war. Sehr feine Tannine, sehr elegant, ebenfalls mit Zug und Finesse, gewann die Abstimmung in größer Runde

2015 noch sehr verschlossen, fast schon mollig, wenig Ecken und Kanten, Zeit für die Entwicklung geben, aber die Ansätze sind sehr gut

2018 ist dieses Frühstadium überraschend zugänglich, aber auch dick (15 Alkohol) und fordern… ein Zeuge des Klimawandels auch in der Maremma, schmeckbarer Holzeinsatz, wird sich im Lauf der Jahre wohl in den Hintergrund verabschieden, da bin ich sehr auch die Alterung gespannt