Unter den 58 Äbten von Kloster Eberbach fällt Martin Rifflinck eine Sonderstellung zu. Seine Amtszeit an der Spitze der Zisterziensermönche währte zwar nur acht Jahre. Sie steht aber für den Höhepunkt und zugleich den Abschluss der mittelalterlichen Entwicklung des 1136 von Bernhard von Clairvaux gegründeten Klosters. Dem Historiker Helmut Heinemann gilt Rifflinck als der „letzte große Abt des Mittelalters“. Nicht nur wegen seiner klugen Entscheidungen, sondern vor allem wegen des vielfältigen schriftlichen Nachlasses, der einen tiefen Einblick in den Klosteralltag mit den seinerzeit Mönchen und Laien gewährt.
Die Weinerzeugung und der Weinhandel bis nach Köln war seinerzeit das bedeutendste Geschäftsfeld des klösterlichen Wirtschaftskonzern. Unter Abt Rifflinck wurde vollendet, was unter seinem Vorgänger Johannes Bode im Jahr 1485 geplant und begonnen worden war: der Bau des Großen Fasses. Am 8. August des Jahres 1500 war das kostspielige und bautechnisch komplizierte Projekt vollendet worden. Die erste Füllung ist des als „Weltwunder“ gefeierten größten Fasses in Europa ist für den Dezember jenes Jahres verzeichnet, weitere Füllungen sind in den Jahren 1503 und 1506 dokumentiert.
Das 8,40 Meter lange und 2,70 Meter hohe Fass mit seinen 14 Eisenringen hatte nach nachträglichen Berechnungen ein Fassungsvermögen von rund 71.000 Litern. Nach Darstellung des Historikers Hilmar Tilgner in einer ausführlichen Monografie über das Kloster war das Fass in den Jahren 1502 und 1506 etwa zur Hälfte (36 Fuder) mit vornehmlich hochwertigem Wein gefüllt. Es war der Stolz des Klosters und Ausdruck seiner wirtschaftlichen Stärke. Den anschließenden Niedergang zu begleiten, blieb Rifflinck erspart. Seine Amtszeit gilt als „Zeitenwende“ in der Klostergeschichte.
Denn außerhalb der Klostermauern hatten unruhige Zeiten begonnen: der Bauernkrieg. Darunter fallen in den Jahren 1524/25 zahlreiche Aufstände und Unruhen von Bauern, Arbeitern und Bergleuten aus wirtschaftlichen und religiösen Gründen , sowohl in Süddeutschland und Teilen Thüringens und Sachsens als auch in Franken, in Tirol und der Schweiz.
Im Rheingau erreichte das Unheil im Mai 1525 seinen Höhepunkt. Für die Gesellschaft zur Förderung der Rheingauer Heimatforschung hat der ehemalige Archivdirektor Heino Struck die Geschehnisse akribisch zusammengefasst. Demnach taten sich Ende April 1525 in Eltville rund 200 Bürger zusammen, um gegenüber der Obrigkeit ihre Beschwerden und Forderungen zu formulieren.
Eberbach wurde verpflichtet, die protestierenden Bauern zu versorgen. Das Weinfass wurde zu zwei Dritteln ausgetrunken. Zwischen dem 20. und 31. Mai mussten die Klöster Eberbach, Gottesthal, Johannisberg, Marienthal, Aulhausen und Eibingen urkundliche Verpflichtungen eingehen, die ihre Auflösung zur Folge gehabt hätten. Der Aufstand im Rheingau führt auch zu Unruhen auch in Bingen, Kastel, Hochheim und Wiesbaden.
Laut Struck hatte der Aufstand im Rheingau neben den äußeren Einflüssen auch eigene Wurzeln. Zwar war der vom Weinbau und Weinhandel lebende Rheingau vergleichsweise wohlhabend, Doch seien die finanziellen Verpflichtungen an die Geistlichkeit als drückend empfunden worden. Schon Jahrzehnte vor den Bauernkriegen habe es Proteste gegen „das Unrecht der Zehnten“ und die „verweltlichte hohe Geistlichkeit“ gegeben. Der Einfluss Luthers reichte bis in den Rheingau. Und laut Struck besaßen die Rheingauer einige Selbstverwaltungsrechte, die sie auszudehnen wünschten. Daraus ergaben sich Spannungen mit dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof.
Der Triumph der Bauern war von kurzer Dauer. Im Rheingau brach der Aufstand schon im Juni zusammen. Die Aufständischen ergaben sich, die von ihnen erzwungenen Verträge und Zugeständnisse wurden für null und nichtig erklärt. Die Schäden im Kloster aber waren beträchtlich, und sie wurden nicht ausgeglichen. Das verschuldete Eberbach verlor in den folgenden Jahren einen Teil seiner auswärtigen Besitztümer und die Tochterklöster Schönau und Otterberg. Wälder und Güter wurden verkauft oder verpfändet. Für 30 Jahre wurde nach 1578 sogar der Steinberg, der Lieblingsweinberg der Mönche, an Winzer verpachtet.
Das Große Fass stand nach den Recherchen von Tilgner danach 19 Jahre lang nahezu leer. 1542 wurde es noch einmal repariert, 1543 zu einem kleineren Fass mit 18.000 Litern Fassungsvermögen umgebaut. In einer Aufzeichnung des Mitglieds des Konvents heißt es, das Große Fass habe dem Kloster nichts genützt, sondern nur Schaden gebracht, zwar einen großen Namen, aber eine leere Finanzkasse.
Für die Mainzer Ausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit – Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation“ hat das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum 2015 eine Rekonstruktion des Eberbacher Riesenfassbodens anfertigen lassen, die danach ihre Heimat im Rheingau fand.
(aus der FAZ)