Bach-Komposition im Keller

Wer den 525 Liter fassenden Tank mit der Hand berührt, der kann es unmittelbar fühlen: Die Edelstahlhülle vibriert. Es sind nicht irgendwelche beliebigen Schallwellen, die den Behälter und damit auch den darin heranreifenden Wein rund um die Uhr und an sieben Tage in der Woche in Schwingungen versetzen. Sie folgen vielmehr einer Komposition, die Johann Sebastian Bach im Jahr 1741 veröffentlicht hat. Die Goldberg-Variationen in der Haupttonart G-Dur gelten als besonders gelungener Ausdruck barocker Variationskunst. Es zeichnet sich laut Wikipedia „durch einen planvollen Gesamtaufbau mit regelmäßig eingefügten, in den Oberstimmen streng kanonischen Sätzen aus.“ Was das für den Anfang Oktober geernteten Wein bedeutet, will der Mainzer Wissenschaftler Peter Kiefer von der Uni Mainz herausfinden, der die Wechselwirkungen von Klang erforscht und der die Bach-Komposition wegen ihrer intensiven Schwingungen bewusst ausgewählt hat. Peter Winter, Eigentümer des Hattenheimer Weinguts Georg-Müller-Stiftung, spricht von einem „seriösen Experiment“ in seinem Weinkeller, auf dessen Ausgang er selbst sehr gespannt ist.

Dass Winzer bisweilen im Keller ihre Weinfässer mit Musik beschallen, ist nicht neu. Was Winter an dem Projekt elektrisiert, ist der Vergleich. Denn er hat zwei Tanks mit ein und demselben hochwertigen Riesling aus der Lage Hattenheimer Schützenhaus gefüllt. Aber nur einer der beiden – sonst identischen – Stahltanks wird mit den Schallwellen von Bach „behandelt“. Nun gärt der Wein und bleibt auch nach Abschluss der Gärung bis zum Frühjahr mit der Hefe verbunden. Im März oder April wird der Wein dann in Flaschen gefüllt, und die Stunde der Wahrheit nähert sich: Hat Bachs Komposition den Wein geschmacklich verändert?

Winter erwartet, dass die Verkostungen der beiden trocken ausgebauten Weine im Frühjahr eine Veränderung belegen, die allerdings weniger musikalischer, denn physikalischer Natur sein könnte: Wenn die Schwingungen des Tanks dazu beitragen, dass kleine Hefeteilchen im Wein aufgewirbelt werden und deshalb intensiver miteinander in Kontakt geraten, dann könnte das den Geschmack verändern, so Winters Vermutung: „Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt“. Die Winzer kennen die Methode des manuellen Aufrührens der Hefe schon lange unter dem Begriff Batonnage.

Winter sieht das Experiment auch als eine Reverenz gegenüber dem  Jubiläum 250 Jahre „Entdeckung“ der Spätlese, das 2025 gefeiert wird. Sein Wein ist zwar von Spätlesequalität, doch wird Winter wegen der Statuten des Verbands der Prädikatsweingüter das – ausschließlich süßen Weinen vorbehaltene – Prädikat Spätlese nicht auf das Etikett des Klangweins schreiben. Geplant ist aber eine Sonderedition mit jeweils zwei Flaschen im Paket, die jeweils aus einem der beiden Tanks gefüllt wurden. Dann kann sich jeder Wein- und Musikfreund selbst ein Bild machen, ob Bachs-Kreationen den Riesling – positiv – beeinflusst haben. Und beim Trinken darüber philosophieren, welche Wirkung wohl Heavy Metal gehabt hätte. (aus der FAZ vom 28.10.2024)

Weinernte unter den Erwartungen

Wie glimpflich die Rebstöcke im Rheingau die Spätfröste im April überstanden haben, zeigt die aktuelle Erntebilanz des Deutschen Weininstituts in Mainz. Demnach bewegt sich die Erntemenge der Weinlese mit geschätzt 222.000 Hektolitern auf dem Niveau des Vorjahres. An der Hessischen Bergstraße hingegen verzeichnete man einen Rückgang um sechs Prozent auf 31.000 Hektoliter, im Mittelrheintal um 14 Prozent auf 19.000 Hektoliter und an der Ahr sogar um 64 Prozent auf 15.000 Hektoliter.
In den Weinanbaugebieten in Sachsen und Saale-Unstrut waren die Einbußen mit mehr als 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr sogar noch größer. An der Mosel reduzierte zudem großflächiger Hagelschlag im Mai die Erträge. Dort wird mit rund 510.000 Hektolitern die geringste Erntemenge seit 50 Jahren erwartet.
Einziger Gewinner war Rheinhessen. Deutschlands größtes Anbaugebiet steigerte den Ertrag um sieben Prozent auf fast 2,6 Millionen Hektoliter.
Spätfröste, viel Regen und wechselhaftes Wetter während der Weinlese machten laut Weininstitut den Winzern sehr zu schaffen und forderten ihnen ein Höchstmaß an Flexibilität ab. Die Erntemengen seien je nach Anbaugebiet, Rebsorte und Kleinklima großen Schwankungen unterworfen und blieben überwiegend weit hinter den Erwartungen zurück, heißt es aus Mainz.
Auf Basis der aktuellen Schätzung des Deutschen Weinbauverbandes wird in Deutschland eine Erntemenge von rund 7,9 Millionen Hektolitern Weinmost erwartet. Das entspräche einem Minus von zehn Prozent gegenüber dem zehnjährigen Mittel von 8,8 Millionen Hektolitern. Einen ähnlich niedrigen Ertrag hatte es mit 7,5 Millionen Hektolitern zuletzt im Jahr 2017 gegeben.
Das Weininstitut erkennt durch die Regenmengen aber auch positive Effekte auf die Entwicklung der Reben. Wegen der guten Wasserversorgung seien viele Mineralien aus dem Boden in die Trauben eingelagert worden. Das lasse extraktreiche Weine mit ausgeprägter Mineralität erwarten. Zudem habe sich die lange Reifephase positiv auf die Aromabildung in den Beeren ausgewirkt. Angekündigt werden daher „frische, lebendige Weine mit ausgeprägter Frucht“ mit moderatem Alkoholgehalt. Das entspreche „perfekt dem aktuell gefragten Weintyp“.
Der größte Verband der Ökowinzer, Ecovin, beklagt wegen der Spätfröste, Pilzkrankheiten und dem vielen Regen ebenfalls erheblich geringere Erntemengen. Der Pflanzenschutz sei für die Ökowinzer „ein besonders harter Kampf“ gewesen, weil der Einsatz des Pflanzenstärkungsmittels Kaliumphosphonat seit 2014 verboten sei. Die Ökowinzer kämpfen für dessen Wiederzulassung und sehen den Beleg erbracht, dass „der Werkzeugkasten des Bioweinbaus“ angepasst werden müsse.

Zu viel Wein auf dieser Welt !

Wenn das Überangebot einer Ware auf eine rückläufige Nachfrage trifft, dann ist die Krise vorgezeichnet. Die simplen Regeln des Marktes erschüttern die deutsche Weinbranche bis ins Mark. Weltweit wird mehr Wein angebaut als konsumiert. Laut der Internationalen Organisation für Rebe und Wein wurden 2022 global fast 260 Millionen Hektoliter Wein produziert, während der Weinkonsum nur bei rund 232 Millionen Hektolitern lag. Der Weinmarkt ist aus der Balance geraten. Weil sich aber bei der auf mindestens drei Jahrzehnte angelegten Dauerkultur Wein die Erntemengen nicht auf Knopfdruck steuern lassen, sieht sich die Branche inmitten einer Krise, die mancher Winzer als die schlimmste seit dem Weinskandal in den Achtzigerjahren bezeichnet.

Eine kurzfristige Lösung ist die Krisendestillation. Im vergangenen Jahr ist dieses Instrument nach Jahrzehnten erstmals wieder in Deutschland eingesetzt worden. In Württemberg wurden rund acht Millionen Liter zu reinem Alkohol verarbeitet. „Aus Trollinger wird Putzmittel“, schrieb unter anderem die „Stuttgarter Zeitung“ über das traurige Schicksal der liebevoll auch „Schwabenmilch“ genannten Rebsorte. Aber nicht nur Trollinger, auch andere rote Rebsorten wie Portugieser waren nicht verkäuflich. Der Druck im Weinkeller wurde zu groß.

Die Destillation von Wein erlaubt nur ein kurzfristiges Durchatmen. Denn die Rebstöcke tragen im nächsten Herbst abermals. Die Nachfrageschwäche ist aber keine temporäre Delle, wie manche Erzeuger hoffen, sondern ein langfristiger Trend. Absatzforscherin Simone Loose von der Hochschule Geisenheim warnt davor, die gegenwärtige Krise in der Hoffnung auf baldige Besserung aussitzen zu wollen.

Auf dem Fassweinmarkt, auf dem sich Kellereien bedienen, um billige Tropfen für den Supermarkt einzukaufen und abzufüllen, ist der Preisverfall schon angekommen. Zwischen 60 und 80 Cent je Liter werden den Erzeugern derzeit geboten. Betriebswirtschaftlich ist das eine Katastrophe, weil in Regionen wie dem Rheingau die Produktionskosten deutlich darüberliegen. Mindestlöhne, hohe Energiepreise und die Folgen der Inflation haben die Kosten für die Weingüter stark steigen lassen. In diesem Frühjahr kamen Frostschäden und im verregneten Sommer noch hohe Kosten für den Pflanzenschutz hinzu. Und die Schließungswelle bei Gaststätten und die häufig zu beobachtende Verringerung der Öffnungstage tragen ebenfalls nicht zu einem stabilen Weinkonsum bei.

Besserung ist nicht in Sicht. Dies ist vor allem auf den demographischen Wandel und die veränderte Einstellung junger Menschen zu Alkohol als Alltagsdroge zurückzuführen. Die Zahl der „Komasäufer“ unter den Jugendlichen, die vor Jahren noch für Schlagzeilen sorgten, wird immer kleiner. Aber immer mehr in dieser Alterskohorte pflegen einen gesünderen Lebensstil („No and low“!) und verzichten teilweise oder ganz auf Alkohol. Die Zahl der deutschen Haushalte, die zumindest gelegentlich noch Wein einkaufen, ist auf knapp über 40 Prozent gefallen. Im Jahr 2023 konsumierten die Deutschen mit durchschnittlich 22,5 Liter Wein und Sekt fast einen Liter weniger als im Vorjahr. Das ist eine dramatische Entwicklung.

Wer die Weinregale in Supermärkten studiert, wo der Großteil des Weins gekauft wird, der schaut auf jeden Cent und greift im Zweifel zur ausländischen Konkurrenz. „Es sind riesige Probleme, vor denen wir derzeit in der Weinwirtschaft stehen“, sagte der Pfälzer Weinbaupräsident Reinhold Hörner kürzlich dem Südwestrundfunk, und er befürchtet in den kommenden zehn Jahren die Aufgabe von fast jedem zweiten Betrieb.

Die Zahl der Weinpatrioten, die wegen der Qualität deutschen Wein bevorzugen, ist in Deutschland geringer als in anderen Erzeugerländern. Der Marktanteil des deutschen Weins ist hierzulande auf 42 Prozent gefallen. Ein erschütternd geringer Wert. Erklärungsversuche bleiben in der Regel beim geschickteren Marketing und den niedrigeren Preisen der ausländischen Konkurrenz stecken. Der Stolz der Deutschen auf „ihren“ Riesling und Spätburgunder ist nach Ansicht der Winzer jedenfalls ausbaufähig.

Hinzu kommt: Die Alterskohorte der bislang regelmäßigen Weingenießer wächst langsam aus der Lebensphase des häufigen und intensiven Konsums hinaus. Eine nachwachsende Weingenussfraktion in vergleichbarer Stärke ist nicht in Sicht. Als wäre diese Entwicklung aus Sicht der Winzer nicht schon schlimm genug, meldet sich mitten in dieser krisenhaften Zuspitzung die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu Wort und empfiehlt nachdrücklich, die Finger besser vom Alkohol zu lassen, um Krankheitsrisiken zu vermeiden. Entsprechend drastisch fielen die wenig schmeichelhaften Kommentare der Winzer aus. Der Export verspricht kaum Entlastung, zumal in Märkten wie China die Eigenversorgung mit Wein gewachsen ist und gleichzeitig von der obersten Führung Skepsis gegenüber dem Getränk Wein als Ausdruck des westlichen Lebensstils verbreitet wird. Nicht ausgeschlossen, dass der sich anbahnende Handelsstreit mit China wieder Zölle für europäischen Wein zur Konsequenz haben wird.

Die Folge der Krise: Weltweit und in Deutschland wird über die Rodung von Weinbergen nachgedacht. Dabei trifft die Absatzflaute die 13 deutschen Weinregionen in unterschiedlichem Maß. Anbaugebiete wie der Rheingau, wo der Anteil der Direktvermarktung sehr hoch ist und viele Winzer einen treuen Privatkundenstamm aufgebaut haben, sind weniger betroffen als größere Gebiete wie beispielsweise Rheinhessen. Doch die Kauf- und Pachtpreise für Weinberge sind auch im Rheingau stark rückläufig. Womöglich wiederholt sich ein Phänomen wie vor zwei Jahrzehnten, als am nördlichen Rand der Weinbergslandschaft vermehrt brach gefallene Weinberge als Pferdekoppeln genutzt wurden

Gleichzeitig setzt sich die Konzentration in der Branche unvermittelt fort. Immer weniger Weingüter bewirtschaften immer mehr Fläche. Doch die Neigung der Großbetriebe, die Parzellen aufgebender Kleinwinzer zu übernehmen, ist längst nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor wenigen Jahren. Im Rheingauer Weinbauverband wird schon darüber nachgedacht, ob es eine Lösung sein kann, Weinberge für bis zu acht Jahre brach liegen zu lassen. Auch eine ökologische Umgestaltung der Weinberge, die auf Kosten der Produktionsmenge Platz für mehr Artenvielfalt in der Monokultur schafft, könnte helfen. Am Ende wird es nicht ohne mit staatlicher Finanzhilfe ermöglichte Rodungen von Weinbergen gehen. Ein Vorschlag lautet, die sonnenverwöhnten Steilhänge mit Freiflächensolaranlagen zu bestücken, um grünen Strom zu liefern. Für die Flachlagen blieben aber nur Kartoffeln, Getreide oder Obst. Sicher ist: Die Kulturlandschaft steht – wieder einmal – vor einem tiefgreifenden Wandel.

(mein Essay aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13. November 2024)

Neues aus meinem Verkostungstagebuch

wie gewohnt kurze Notizen über das, was zuletzt im Glas war…

Corvers-Kauter, Mittelheim

2023 Rauenthaler Baiken Riesling trocken – jedes Jahr aufs Neue begeisternd, was Familie Corvers aus Baiken zaubert – und  Langwerth von Simmern in dieser Brillanz und Eleganz so nie geschafft hat. Feinfruchtig mit langem Nachhall und hohem Trinkfluss

Balthasar Ress, Hattenheim

ein „neues“ Trio der Ersten Lagen: 2023 Rüdesheimer Bischofsberg und Hallgartener Würzgarten sowie Hallgartener Hendelberg. Da kommt Freude auf. Vor allem der Bischofsberg vereint Fruchtfülle mit Mineralität und entfaltetet großem Charme am Gaumen

Heymann-Löwenstein, Leiwen

2010 Uhlen Schieferformation Blaufüßer Lay trocken…. ein Monster mit 14,5 Prozent Alkohol. Fett, anstrengend, Trinkwiderstand! Ein kleines Glas zum Essen, ok, ansonsten würde ich wohl eine Woche brauchen, um die Flasche zu leeren.

Von Volxem, Saar

2018 Riesling „Alte Reben“

sehr gut gereift, Top, guter Trinkfluss, leicht nussige, cremige Aromen, perfekt am Gaumen, macht Spaß

Künstler, Hochheim

2022 Hocheimer Stielweg Alte Reben VDP 1.Lage trocken

2023 Chardonnay Kalkstein trocken

beides im neuen Chamamé in Künstlers Dependance in Hattenheim, ehemals Schloss Schönborn, getrunken. Wer Fleisch mag, ist hier sehr gut aufgehoben, gerade auch montags bei ungezwungener Atmosphäre.

Charta-Weine

40 Jahre Jubiläum, und Hubert Allerts Keller & Kunst-Kontor hat sich zu einer kleinen Charta-Botschaft mit einer schönen Auswahl gemausert. 7 der aktuell 14 Charta-Weine habe ich dort verkostet: August Eser, Barth, Diefenhardt, Jakob Jung, Spreitzer, Staatsweingüter (neu!) und das „Fass 52“ von Eser (Johannishof), das bei mir im direkten Vergleich die Nase vorn hatte (es fehlten natürlich Weil und Wegeler zur finalen Ausage…)  Zum Jubiläum zu gegebener Zeit noch mehr!

2022 „Neroberger“ der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach

für mich immer eine Bank im Sortiment der Staatsweingüter (VDP 1. Lage) mit einer guter Mischung aus Frucht und Terroir. Ich habe ihn bei einem kleinen Wiesbaden-Ausflug direkt mit Blick auf den 4 Hektar großen Weinberg getrunken. Der Weinberg hat eine schöne Geschichte: Im 17. Jahrhundert durch die Grafen von Nassau angelegt, 1866 mit dem gesamten Herzogtum in preußischen Besitz übergegangen und um 1900 für 250.000 Goldmark an die Stadt Wiesbaden verkauft, um den mehr als 1,1 Millionen Euro teuren Kauf von 19 Hektar Filetstücken im Rauenthaler Baiken finanzieren zu können. Im Jahr 2005 dann wieder langfristig zurückgepachtet von der Stadt. Eine wunderbare Monopollage !

Zur Lage: Riesling gibt Rätsel auf

Die Winzer beschäftigen aktuell nur schwer zu erklärende Reifeverzögerungen beim Riesling: Beim Mostgewicht haben die Rieslingtrauben im September nur mäßig zugelegt, während die Säurewerte stagnierten (noch über 13g) und noch immer recht hoch sind. Zu hoch, um mit der diesjährigen Weinlese auf breiter Front zu starten. Mit dem Beginn der Hauptlese ist daher vorerst noch nicht zu rechnen. Manfred Stoll, Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau der Hochschule Geisenheim geht davon aus, dass es noch bis zu zwei Wochen dauern könnte, bis sich eine „Harmonie“ von Zucker und Säure in den Beeren eingestellt habe. Das hieße, dass die Oechslewerte auf durchschnittlich 85 Grad zugelegt haben und dass die Säure dann auf knapp unter zehn Gramm je Liter Most gefallen ist.

Ob die Natur den bislang noch entspannten Winzern so lange Zeit gibt, oder ob zunehmende Fäulnis eine frühere Ernte erzwingt und im Nachgang womöglich eine Entsäuerung im Weinkeller notwendig macht, ist noch ungewiss. Weinbaupräsident Peter Seyffardt kann sich an eine derartige Reifeverzögerung bei früheren Jahrgängen nicht erinnern, aber sieht darin noch lange keine Hypothek für den Jahrgang 2024: „Da kann noch was Gutes entstehen.“ Seyffardt sieht sich allerdings wie andere Kollegen gezwungen, die schon angereisten Lese-Mannschaften nach Abschluss der Burgunder-Ernte mit anderen Arbeiten im Weinberg zu beschäftigen, ehe es endlich an die Hauptsorte Riesling gehen kann. So viel von Hand entblättert wurde daher selten im Rheingau.

Die Gründe für die Reifeverzögerung sind für Praktiker und Wissenschaftler gleichermaßen mysteriös. Am Wasser vom Himmel und entsprechend der Feuchtigkeit im Boden hat es in diesem Jahr jedenfalls nicht gemangelt. Zwischen Januar und Juli fiel in jedem Monat mehr Regen als im langjährigen Durchschnitt. In Geisenheim wurden schon jetzt 126 Liter mehr je Quadratmeter registriert als im langjährigen Mittel. Das Jahressoll ist schon fast erfüllt. Die Natur habe „durchatmen“ können, so Stoll.

Die hohen Temperaturen im Frühjahr hatten einen frühen Austrieb zur Folge, gefolgt vom Blütebeginn zum Ende der ersten Juniwoche und dem Reife-Start Mitte August. Der viele Regen forderte die Winzer im Kampf gegen die beiden gefährlichsten Krankheiten im Ertragsweinbau: Den falschen (Peronospora) und echten (Oidium) Mehltau. Vor allem die Ökowinzer waren deshalb beim Pflanzenschutz stark gefordert und musste laut Stoll etwa doppelt so häufig zum Spritzeinsatz in die Weinberge als ihre integriert wirtschaftenden Kollegen. Stoll hält es für möglich, dass Mehltaubefall mit der Folge reduzierter Photosynthese ein Grund für die Reifeverzögerung sein könnte. Für Praktiker wie Seyffardt liegen die Ursachen ebenfalls nicht auf der Hand: „Ich erlebe das so zum ersten Mal, und es kommt immer anders, als man denkt.“

Glimpflich davongekommen ist der Rheingau zwischen dem 22. und 26. April, als Spätfröste in einigen Teilen Deutschlands hohe Schäden in der Landwirtschaft verursachten. Weil die Hauptlese noch gar nicht begonnen hat, sind die Ernteerwartungen im Hinblick auf Qualität und Quantität  noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Entscheidend wird auch das Wetter in den kommenden vier bis sechs Wochen sein. Ergiebige Regenfälle wurden die Erwartungen weiter eintrüben. Noch aber gebe es überhaupt keinen Grund für Panik, so Seyffardt. Der Weinbau sei jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung: „Es gibt keine Blaupause“. (leicht gekürzt aus meinem Bericht in der FAZ vom 24. September)

Im gelobten Land: Baden

Endlich mal wieder eine Woche am Kaiserstuhl und in der Ortenau, wo ich mich als gebürtiger Badener natürlich besonders wohl und heimisch fühle. „Mit jedem Schluck heimischen Weins, den sie genießen, tragen Sie als Freunde des Kaiserstuhls zum Erhalt der jahrhundertealten wertvollen Kultur und Landschaft in vielfältiger Weise bei“, hieß es dort am Wegesrand. Wohl wahr, aber gilt natürlich auch für den Rheingau.

Natürlich haben wie viele Klassiker getrunken (Dr. Heger, Huber, Franz Keller, Bercher, Salwey, Abril u.a.), aber auch zwei bemerkenswerte Neuentdeckungen gemacht: Höfflin und Konstanzer. Höfflin hat ein überaus spannendes Konzept, mag Piwis und überdies Natur- und Orangeweine. Dass ich als ausgewiesener Orange-Wein-Hasser den Naturreich-Chardonnay gelobt und sogar gekauft habe, will etwas heißen. Das ist auf jeden Fall ein Tipp für jeden, der demnächst in die Region um Bötzingen reist. Hingehen und probieren! Das gilt auch für Konstanzer, wo gerade die Umstellung auf ökologischen Anbau vollzogen wurde. Spannende Weine mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis, vor allem der Chardonnay und der Spätburgunder „Winklen“ überzeugten mich restlos (gekauft!) Ansonsten eine auch kulinarisch gelungene Woche mit Sauerbrauten, Rostbraten, Maultaschen, Spätzle und mehr. Wer in der Ortenau übernachten und speisen will, dem sei der Rebstock in Durbach wärmstens empfohlen, wo mehrere Prädikatswanderwege mit phänomenaler Aussicht locken.

Droht ein Flickenteppich?

Wird die Kulturlandschaft des Rheingaus als Folge der Weinmarktkrise zum Flickenteppich aus verwilderten und brach gefallenen Weinbergen? Mehr Engagement für die Artenvielfalt könnte ein Ausweg sein. Die aktuelle Krise des Weinbaus ist keine „Delle“ von überschaubarer Dauer, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Gerade erst ermittelten Marktforscher, dass die Weineinkäufe der privaten Haushalte im ersten Halbjahr um fast vier Prozent rückläufig waren. Damit setzte sich der Negativtrend der beiden Vorjahre fort. Die globale Überproduktion von Wein trifft auf sich wandelndes Konsumverhalten, auf ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein, eine größere Distanz auch der jüngeren Generation zum Alkohol und eine immer älter und deshalb schrumpfende Generation leidenschaftlicher Weintrinker.

Die Destillation von Millionen Liter Wein zu Alkohol wie im vergangenen Jahr in Württemberg verschafft nur kurzfristig Erleichterung im Keller. Eine nachhaltige Marktentlastung setzt die Rodung von Weinbergen voraus. Diese Einsicht ist auch im Rheingau angekommen. Auf der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses des Rheingauer Weinbauverbandes wurde als eine Ursache der Absatzkrise in Deutschland der mangelnde Weinpatriotismus identifiziert. Das sei in Nachbarländern wie Frankreich oder Österreich anders, so die Meinung der Winzer. Der Deutsche sei nicht bereit, für deutsche Weinqualität mehr Geld auszugeben als für die spanische Konkurrenz, die deutlich günstiger produzieren könne. Auch das bestätigen Markterhebungen:  Der inländische Marktanteil der hiesigen Erzeuger ist im ersten Halbjahr 2024 überproportional auf 42 Prozent gefallen.

Für Gesprächsstoff in der Branche sorgen zudem Zahlen des Deutschen Weininstituts, wonach im ersten Halbjahr noch gut 40 Prozent der deutschen Haushalte zumindest gelegentlich Wein eingekauft haben. Die Absatzanalyse der Hochschule Geisenheim bestätigt einen anhaltenden Negativtrend mit einem jeweils zweistelligen Minus bei Absatz und Umsatz. Liegt es am Marketing? Sollten die Erzeuger besser Betriebswirtschaftslehre statt Weinbau studieren und sich auf Verkauf und Vertrieb ihrer Erzeugnisse konzentrieren, statt selbst mit dem Schmalspurtraktor durch die Rebzeilen zu fahren oder die Rebstöcke von Hand zu pflegen?

Nach Ansicht von Weinbaupräsident Peter Seyffardt hat es der Rheingau jedenfalls nicht geschafft, eine überzeugende Marke zu bilden. Der Rheingau müsse über eine Qualitätsoffensive nachdenken, was Verbandsgeschäftsführer Dominik Russler für den einzig erfolgversprechenden Weg in die Zukunft hält. Denn bei den Produktionskosten kann der Rheingau nach übereinstimmender Analyse aller Beteiligten nicht mit dem meisten anderen deutschen Weinregionen und schon gar nicht im internationalen Maßstab mithalten. Die Rheingauer wollen sich darauf besinnen, dass sie nur für drei Prozent der deutschen Weinproduktion stehen und diese geringe Menge in der bevölkerungsstarken und wirtschaftlich prosperierenden Rhein-Main-Region eigentlich gut vermarktbar sein müsste. Doch die Realität sieht anders aus, und die Ursache bleibt den Winzern rätselhaft.

Hoffnung macht ihnen, dass nach ihrer Überzeugung die naturräumliche Ausstattung des Rheingaus mit dem Rhein im Süden und dem waldreichen Taunus im Norden sowie dem anmutigen Landschaftsbild ein Pfund vorhanden ist, mit dem sich nicht nur in der Rhein-Main-Region wuchern lässt. Vielen Betriebe gehe es wirtschaftlich noch immer sehr gut, sagte Präsident Seyffardt, der dazu auch sein eigenes, gerade erst um eine neue Kellerei erweitertes Weingut in Martinsthal zählt. Andere Erzeuger gehen davon aus, dass die Aussichten auf dem Heimatmarkt düster bleiben und die Hoffnung bei absehbar reduzierter Rebfläche im Export liegt, wo höhere Preise durchsetzbar erscheinen. Die Vorboten einer Flächenreduktion sind dennoch auch im Rheingau erkennbar, denn die Pacht- und Kaufpreise für durchschnittlich gute Weinberge sind im Sinkflug, und vereinzelt fallen dem Wanderer nicht mehr bewirtschaftete Flächen auf. Sie sind den Winzern ein Dorn im Auge, weil sie zur Verbreitung von Schädlingen und Krankheiten beitragen, häufig zuwuchern und Wildschweinen ein Versteck bieten. Der Marktpreis für Fasswein liegt mit rund 80 Cent je Liter unter den Produktionskosten im Rheingau.

Sind deshalb gezielte Brachflächen eine Lösung, um mit dem Druck des Weinmarktes umzugehen? Immerhin haben die Winzer nach dem Roden der Rebstöcke zwei Jahre Zeit, Anträge auf Wiederbepflanzung zu stellen und dann noch einmal sechs Jahre, um tatsächlich neue Rebstöcke setzen zu lassen. Das könnte temporäre Entlastung bringen oder den Weg  zum Ausstieg aus der Bewirtschaftung ebnen. Doch eine Kulturlandschaft als „Flickenteppich“ schreckt viele, wenn auch nicht alle Winzer. Wie mit diesen Brachflächen umzugehen wäre, darüber müssen sich die Winzer noch Gedanken machen. Kompliziert wird eine zügige  Bodenneuordnung jenseits der Jahrzehnte dauernden Flurbereinigung durch die kleinstrukturierten und komplizierten Besitzverhältnisse. Manche Parzelle gehört einer Erbengemeinschaft in fünfter Generation. Branchenkenner gehen davon aus, dass absehbar viele Kleinstwinzer im Rheingau aufgeben, deren Flächen sich aber auf 300 bis 400 Hektar summieren. Angesichts der Absatzkrise gilt die Neigung der Großbetriebe als sehr überschaubar, immer noch weitere Weinberge in ihr Portfolio aufzunehmen.

Was tun? Weinberge müssen gerodet werden, um den Gesetzen des Marktes zu folgen. Das ist auch die Überzeugung des Geschäftsführers der Staatsweingüter, Dieter Greiner, der die Erarbeitung einer Art Masterplan für den Rheingau fordert und eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie könnte die Weinbergslandschaft der Zukunft aussehen?

Ilona Leyer vom Institut für angewandte Ökologie der Hochschule Geisenheim entwickelt Ideen, wie der Erhalt der Kulturlandschaft und mehr Engagement für die Artenvielfalt Hand in Hand gehen können. Sie plädiert dafür, mehr Vielfalt in die Monotonie der Weinbergslandschaft zu bringen. Ein Konzept nach dem Motto „zurück in die Zukunft“, denn in der Vergangenheit war die Weinbergslandschaft viel kleinteiliger mit der Folge von mehr Säumen, Rainen, Hecken, Gräben, Bäumen und Lesestein-Haufen. Das Rad sei zwar nicht um ein halbes Jahrhundert  zurückzudrehen, so Leyer, doch hätten es die Winzer in der Hand, kleine Ecken und Zipfel von Weinbergen, wo meist nur einige wenige Rebstöcke stehen, für mehr Artenvielfalt freizugeben. In ganz Deutschland beteiligen sich inzwischen mehr als 30 Weingüter an diesem Konzept, im Rheingau zählen die Staatsweingüter und das Rüdesheimer Weingut Georg Breuer dazu.

Zur Veränderung der Weinbergslandschaft gehört auch eine Zäsur beim Wassermanagement. Lange Betonrinnen gen Rhein zeugen noch von der Philosophie, das Niederschlagswasser möglichst schnell aus den Weinbergen abzuführen. Angesichts der sich häufenden  Dürrephasen und dem Trockenstress der Reben in wasserdurchlässigen Böden hat ein Umdenken eingesetzt. Es geht nun darum, das Wasser möglichst lange in der Gemarkung zu halten und es dort zu versickern, statt schnell in den Rhein abzuleiten. „Die Flurbereinigung muss komplett umdenken“, sagt Seyffardt, der die Bestrebungen der Stadt Eltville für ihre Bemühungen lobt, das Regenwasser möglichst lange in den Weinbergen zu halten.

Im Geisenheimer Fuchsberg wird gerade eine solche Betonrinne in ein Bachbett mit Mulden und Mäandern umgebaut, und „das funktioniert sehr, sehr gut“, so Leyer. Der Umbau trage zur Artenvielfalt und zum Hochwasserschutz bei und helfe den Reben, sagt die Professorin, die zudem für mehr Blühstreifen, für breitere Rebzeilen mit dauerhafter Begrünung in der Mitte und der Pflanzung von Solitärbäumen plädiert. Nicht alles überzeugt die Winzer. Viele haben die Sorge, dass mehr Brachflächen verwildern und zum Hort von Wildschweinen werden. Auch Bäume im Weinberg werden skeptisch gesehen, weil sie die Wasserversorgung der Reben stören könnten. Am wenigsten scheint  die Winzer der überschaubare Ertragsverzicht durch mehr Engagement für Artenvielfalt und Strukturreichtum in der Weinkulturlandschaft zu schrecken. Denn Wein gibt es mehr als genug.   

(aus meinem Bericht für die FAZ) 

Riesling, eingedost…

habe ich meinen Artikel in der FAZ vom 3. September über ein Treburer Startup übschrieben…

Was bei der Abfüllung von Bier und Mineralwasser seit Jahrzehnten geübte Praxis ist, scheint für Wein noch immer undenkbar: ein Mehrwegsystem mit Pfandflaschen. Dabei ist die Einweg-Glasflasche unter Nachhaltigkeitsaspekten für die Winzer eine große Bürde, denn sie steht für knapp die Hälfte des CO2-Fußabdrucks eines Weinguts. Zwar versuchen inzwischen einige Weingüter, ihre Stammkunden zur Rückgabe des Altglases zu bewegen, um diese anschließend spülen zu lassen. Andere setzen auf Leichtglasflaschen oder testen die Akzeptanz von Bier-Mehrwegflaschen für Wein. Ein Durchbruch scheint aber in Deutschland noch nicht in Sicht. Und Wein im Tetrapak-Karton genießt hierzulande keinen guten Ruf.

Ein Ehepaar aus dem südhessischen Trebur versucht jetzt mit einer anderen, den Verbrauchern gut vertrauten Verpackung Bewegung in die der Tradition verhaftete Branche zu bringen: Wein in Dosen. Lisa und Thomas Quandt haben die Dose für Riesling und andere Sorten gewissermaßen neu entdeckt: schlank, hoch, ansprechend bedruckt und – vor allem – nicht mit Weinen von der Resterampe einer Kellerei, sondern mit Qualitätstropfen ambitionierter Erzeuger befüllt.

Die familiären Beziehungen zum renommierten Pfälzer Weingut Motzenbäcker und zur Winzerin Marie Menger-Krug erleichterten es, der Idee einen Testlauf folgen zu lassen. Mit Rosé, Sauvignon blanc und einem Riesling aus dem in Deidesheim beheimateten Ökoweingut ging es los. Was aber sagen die Kunden? Immerhin müssen sie rund 4,50 Euro je Dose auf den Tisch legen, was sich bei drei Dosen in etwa zum Flaschenpreis ab Weingut summieren würde. Die Kunden müssten langsam an das Produkt herangeführt werden, gibt das Ehepaar Quandt zu. Ob die Mehrzahl der Käufer den Wein direkt aus der Dose trinkt oder ihn in ein Glas umfüllt, können die beiden Geschäftsleute bisher nur vermuten. Sie gehen aber von erster Variante aus, was dem Weinkenner ein neues Vorgehen beim Kosten abverlangt. Denn riechen lassen sich die Weinaromen aus der Dose nur schwer. „Bei der Dose ist es umgekehrt wie mit dem Glas“, sagt Quandt: Erst ist der Gaumen dran, danach folgt die Nase.

Die Zielgruppe der jungen Weingenießer, die vor allem an unkompliziertem Genuss Interesse haben, dürfte das nicht stören. Bei der Nachhaltigkeit ist die Dose der schweren Glasflasche jedenfalls voraus. Zumal das Ehepaar Quandt geschafft hat, was viele Weingüter bislang scheuen: die aufwendige und langwierige Zulassung für das deutsche Pfandsystem. Die etwa zwölf Gramm leichten Dosen können somit zusammen mit den Bier- und Wasserflaschen am Rückgabeautomaten im Supermarkt entsorgt werden – gegen 25 Cent Rückvergütung je Dose.

Das Sortiment umfasst inzwischen neben Riesling, Rosé und Sauvignon blanc auch einen Weiß- und einen Grauburgunder sowie die deutsche Traditionssorte Scheurebe. Hinzu kommt eine Weinschorle mit einem Riesling des Eltviller Weinguts Blumensatt. Anlässlich des Fanfestes zum Pokalfinale zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Bayer Leverkusen gab es 12.000 Dosen einer Sonderedition Schorle in Kooperation mit dem Pfälzer Weingut Tina Pfaffmann. Und zum Münchner Oktoberfest gibt es eine weitere Sonderedition.

Der Wein in den recycelbaren Dosen sei einfach zu transportieren, bruchsicher, leicht und damit geeignet für alle Outdoor-Aktivitäten und geselligen Veranstaltungen wie Picknicks, Grill- oder Poolpartys und auch bei Konzerten, lauten die wichtigsten Argumente.

Punkten könnten die Dosen auch überall dort, wo Gewicht und Größe von Bedeutung sind wie in Flugzeugen oder in der Bahn, aber auch in der Minibar von Hotels. Die Umweltbelastung sei geringer als bei Glas, die Portionsgröße bei vielen Gelegenheiten „perfekt“. Die Hoffnung ist, dass Wein in Dosen absehbar so selbstverständlich wird wie Schraubverschlüsse statt Korken auf Weinflaschen. Auch für alkoholfreie Weine sehen sie eine gute Chance in der Dose. Mit dem Rheingauer Weingut Leitz gibt es dazu jetzt eine enge Kooperation: Der Sparkling Rosé „Eins-Zwei-Zero“ ist schon eingedost. (leicht gekürzte Fassung meines FAZ-Textes)

Die 23 bei Jakob Jung, Erbach

die Spitzen des Jahrgangs reifen bei Jung in Erbach noch, aber die solide Basis bestätigt alle meine hohen Erwartungen an den Jahrgang 2023. Bei Jakob Jung überzeugt auf Anhieb der trockene Erbacher Ortswein, der unglaublich viel Wein für unglaublich wenig Geld ist. Der vdp-Gutswein hingegen ist eine echte Fruchtbombe, bei der diesmal Ananas dominiert und der eine schöne Visitenkarte und der perfekte Einstieg ins Sortiment ist. Deutlich ernsthafter die „Alten Reben“, die viel Terroir ins Glas zaubern und einen schönen, langen Nachhall kreieren. Bei der Weißburgunder & Chardonnay-Cuvée dominiert für mich zu sehr der Weißburgunder. Ein wenig trauere ich noch immer dem reinen Chardonnay nach, den es vor vielen Jahren noch gab. Diese Art von W&C Cuvée sehe ich im Übrigen immer öfter in Sortimenten von Weingütern. Sie kann einen guten Chardonnay pur aber nicht gefährden. Bei den Großen Gewächsen bestätigt sich, dass der Jahrgang 2021 der charmantere ist, mit vibrierender Säure und einem schönen Spannungsbogen, der mehr verspricht als 2022, sowohl jetzt als auch auf die lange Distanz. 2021 Siegelsberg wäre in jedem Fall ein empfehlenswerter Kauf! Auf die 2023er GGs sind wir schon jetzt gespannt…

Wegelers Große Gewächse

Doosberg, Jesuitengarten, Morschberg, Rothenberg, Schlossberg – das sind die fünf Großen Gewäche des Jahrgang 2020 der Weingüter Wegeler im Rheingau, und sie sind im Glas so unterschiedlich wie die Böden und die klimatischen Verhältnisse. Wegen seiner wunderbaren Balance, der Eleganz, der feinen Frucht und perfekt integrierten Säure hat der Rothenberg auf meinem Gaumen die Nase vor, knapp vor dem majestätischen Schlossberg und dem zupackenden Morschberg. Nebenbei: das 2014er Rothenberg GG zeigt, warum diese Weine ein paar Jahre liegen sollten: ein Wow!-Wein

Von der Mosel stellte der 2022 Doctor GG erwartungsgemäß Lay und Graben deutlich in den Schatten. Ich habe für den Doctor in diesem Status 94 Punkte notiert, doch könnten im Lauf der Reife noch 1-2 Punkte hinzukommen.

Schon jetzt über der 95 Punkte-Marke liegt der 2020 Höllenberg Spätburgunder Großes Gewächs. Ein Monument, mit 49 Euro ein Schnäppchen und daher eine unbedingte Kaufempfehlung!

Dankbar bin ich Wegeler, dass hier so häufig Geheimrat J-Vertikalen möglich. Diesmal wurden neun Jahrgänge gezeigt, die drei ältesten (1992, 1988, 2000) aus der Doppelmagnum. Fazit: Aktuell sind 1992 und 2017 sowie 2011 ganz groß, während 2016 ein bisserl durchhängt. Wie sich 2021 und 2022 entwickeln (ich sehe 21 klar vor 22), muss ich erst noch zeigen…. Für 2021 bin ich bester Hoffnung!