Steillagen sind für die Winzer Fluch und Segen zugleich. Sie erfordern gegenüber den flachen Weingärten einen hohen Aufwand bei der Bewirtschaftung und verteuern somit die Produktion erheblich, ohne dass der Kunde die Bereitschaft erkennen lässt, für Weine aus Steillagen mehr Geld auf den Vinothekentisch zu legen. Gleichwohl sind es oft die besten Weine, die in den Berglagen erzeugt werden. Steillagen sind zudem nach Einschätzung der Unesco in engen Flusstälern oft die einzig mögliche landwirtschaftliche Nutzungsform. Sie bilden wertvolle Lebensräume für Fauna und Flora und haben nicht zuletzt einen großen Einfluss auf das Landschaftsbild und damit den Weintourismus.
Darauf hat Matthias Dempfle vom Deutschen Weininstitut anlässlich der am Freitag zu Ende gegangenen, 68. Rheingauer Weinbauwoche hingewiesen. Laut Dempfle fallen rund 15.000 Hektar und damit etwa 14 Prozent der deutschen Rebfläche von 103.000 Hektar unter die Definition einer Steillage, also einer Hangneigung von mehr als 30 Prozent. Steillagen prägen vor allem die Mosel, aber auch im Rheingau zählen nach der Aufstellung des Eltviller Weinbauamtes knapp elf Prozent (350 Hektar) der rund 3200 Hektar Rebfläche dazu. An der Bergstraße ist dieser Anteil mit 13,3 Prozent von 450 Hektar Rebfläche sogar noch etwas höher als zwischen Hochheim und Lorch.
Für Dempfle sind diese Flächen ein wissenschaftlich nachgewiesener „Hotspot der Artenvielfalt“. Das gelte sowohl für biologisch als auch für konventionell bewirtschaftete Weinberge. „Steillagenweinbau schafft Vielfalt“, sagte Dempfle und sieht in ihnen auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Denn die jährlich mehr als sieben Millionen Euro Weintouristen in Deutschland suchten vor allem ein anmutiges Landschaftsbild.
Umso bedeutender sind die Forderungen des Weinbauverbands nach einer Förderung der Bewirtschaftung dieser Lagen. In Hessen profitierten nach Angaben des CDU-Landtagsabgeordneten Ingo Schon (CDU) im vergangenen Jahr 134 Weinbaubetriebe von der Steillagenförderung des Landes, davon 96 im Rheingau und 38 an der Bergstraße. Gefördert wurde nach seiner Aufstellung die Pflege von rund 313 Hektar Rebfläche, wobei der Rheingau mit fast 273 Hektar den größten Anteil stellt. Die ausgezahlten Fördermittel beliefen sich auf mehr als 522.000 Euro, davon flossen 461.000 Euro an Betriebe im Rheingau. Die Steillagen seien „nicht nur landschaftlich traumhaft, sondern tragen auch zur Artenvielfalt bei“, meint Schon. Für dieses Jahr kündigt er eine Aufstockung des Förderbudgets auf rund eine Million Euro im Landeshaushalt an, für die Bergstraße auf 137.000 Euro. Das sei eine Anerkennung der Arbeit der Winzer und eine Investition in die Schönheit der Region. In diesem Jahr gelten zudem neue Fördersätze, die je nach Hangneigung zwischen 1.500 Euro und 4.600 Euro pro Hektar betragen können. Dies soll den besonderen Herausforderungen der Arbeit in extremen Steillagen gerecht werden.
Der Deutsche Weinbauverband hat die Steillagenförderung in seine „zwölf Forderungen der Deutschen Weinbranche für die kommende Legislaturperiode“ des Bundestags aufgenommen. Die Interessenvertretung der deutschen Winzer sorgt sich um die Zukunft „der die Kulturlandschaft prägenden, aber wirtschaftlich immer schwieriger zu bewirtschaftenden Steillage“. Sie sei für zahlreiche Anbaugebiete „elementar“. Angesichts des Strukturwandels sei jedoch mit einem Verlust und dem „Umzug“ der Weinberge aus der Steillage in die Flachlage zu rechnen. Auch das Aufstellung von Solarmodulen auf solchen Flächen bedeute einen Verlust der Kulturlandschaft. Brachliegende und verbuschende Flächen erhöhten das Schädlingsrisiko in den umliegenden Weinbergen. Der Verband fordert eine dauerhafte Förderung der Steillage und ein Budget, das „attraktiver ist als die Rodung und der Ausstieg aus dem Berufsstand.“ Ein Baustein zum Erhalt der Steillagen sei die Zulassung von Drohnen mit Rotationszerstäuber, um die Bewirtschaftungskosten in Grenzen zu halten. In einem Positionspapier zum Drohneneinsatz fordert der Verband zudem die finanzielle Förderung einer europäischen Agrardrohnenproduktion, um unabhängiger von internationalen Anbietern zu werden. Zudem erhebt er die Forderung nach einem „eigenen, praxistauglichen und unbürokratischen Rechtsrahmen im Luftfahrt- und Pflanzenschutzrecht für den Einsatz von Sprühdrohnen im Steillagenweinbau.“ (aus meinem Bericht in der FAZ vom 18. Januar 2025)