Neues aus dem Verkostungstagebuch

… wie gewohnt kurze Notizen über das, was zuletzt im Glas und bemerkenswert war…

Weingut Freimuth, Marienthal

2008 Riesling Charta Kabinett – aus der Schatzkammer des „Krug“ in Hattenheim. Großartig gereift, und perfekt zum Sauerbraten und zum geschmorten Reh

Jakob Jung, Erbach

die Jahrgangsverkostung im November ist immer in meinem Pflichtenheft, und das hat sich auch diesmal wieder als Aha-Erlebnis erwiesen. „Alte Reben“ und „Steinmorgen“ auf gewohnt hohem Niveau und eine echte Empfehlung. Reizvoller Vergleich: 2022 Hohenrain und Siegelsberg Riesling GG. Mein Favorit in diesem Stadium: Ganz klar Hohenrain.

Chat Sauvage Johannisberg

Auch hier Stand die jährliche Verkostung an, und das Bemerkenswerte ist, dass auch viele ältere Jahrgänge noch für Gaumen und Zunge bereitstehen. Als Chardonnay-Freund natürlich erstmal die Weißen: Chardonnay Rheingau und der dichtere, konzentrierte „Clos de Schulz“, dazu als Sekt die 2020 „Cuvée S“ (diesmal reinrassig Chardonnay) und Chardonnay brut. Sehr gut, und die Sekte sind genau das Richtige zum Jahreswechsel. Bei den Roten verfestigt sich der Eindruck des Vorjahres: Vor allem die Lorcher Pinots liegen genau auf meiner Linie in einem Weingut, in dem der „Höllenberg“ einmal nicht die erste Geige spielt.

Cantina Terlan, Südtirol

2019 Nova Domus Reserve – so sehr ich die Kellerei (u.a. für den Quarz und die Roten) schätze, doch diese Cuvée ist ein bisserl too much. Mächtig, voll, hoher Trinkwiderstand, ein Glaserl zum Essen, aber mehr geht nicht

Allendorf, Winkel

Nach längerer Pause endlich mal wieder im Brentanohaus Winkel, und mit einem 2017er Rüdesheimer Berg Riesling sehr fein in einen schönen Abend mit allerbesten Freunden gestartet, danach dann noch ein Berg Roseneck Riesling GG aus dem Jahrgang 2020 und zum Schnitzel 2020 Höllenberg Spätburgunder Versteigerungswein (11.0.3.2023), fertig ist ein gelungener Besuch…

Jülg, Pfalz

2020 Riesling trocken Springberg – ein toller Essensbegleiter, der mich an einen schönen Besuch in der Pfalz erinnerte, und Jülg ist eine Bank !

Neue Reben braucht das Land ?!?

Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit und einem kleinen CO2-Fußabdruck beschäftigt die Winzer in ganz Deutschland. Ob in den Weinbergen zur Erreichung dieser Ziele den neu gezüchteten, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwis, eine entscheidende Rolle zufällt, ist in der Branche allerdings noch umstritten.

Dabei liegen ihre Vorteile auf der Hand: Weniger Spritzvorgänge in der Vegetationsphase der Reben bedeuten auch weniger Traktorfahrten in den Rebzeilen, weniger Dieselverbrauch und weniger Bodenverdichtung. Ihr gewichtiger Nachteil: die Akzeptanz beim Kunden für Rebsorten wie Calardis blanc, Divico oder Muscaris ist noch gering und der Erklärungsbedarf den Winzer zu hoch.

Dennoch: Anlässlich des Jubiläums der Mainzer Weinbörse hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Frühjahr in seiner Festansprache dafür plädiert, den Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten zu forcieren, auch für deutsche Spitzenweine. In dem von Riesling und Spätburgunder geprägten Rheingau ist die Neigung, diesem Appell zu folgen, bislang geringer als in anderen Anbaugebieten. In Deutschland sind bislang rund drei Prozent der gut 100.000 Hektar Rebfläche mit Piwis bepflanzt. Im Rheingau weniger als 0,5 Prozent, an der Hessischen Bergstraße sind es 3,5 Prozent.

Zu den wenigen Erzeugern, die mit Piwi-Sorten der nächsten Generation wie Cabernet Blanc oder Souvignier gris experimentieren, zählen auch die Hessischen Staatsweingüter. Das Weingut Prinz von Hessen, das gerade erst auf Ökoweinbau umgestellt hat, sammelt auf drei Prozent der 35 Hektar erste Erfahrungen. Auch kleinere Weingüter wie Prana in Winkel und Engelmann-Schlepper in Martinsthal zeigen sich aufgeschlossen und berichten von guten Erfahrungen.

Aus Erzeugersicht gibt es keinen Anlass zögerlich zu sein. Das meint Reinhard Antes, der an der Bergstraße auf großer Fläche Reben veredelt. Er hat 450 Rebsorten und Klone im Angebot, darunter 75 Piwis, und liefert jährlich 2500 Weingütern in 40 Ländern mehr als 1,4 Millionen Reben zur Neupflanzung. Mehr als die Hälfte der verkauften Reben entfällt inzwischen auf Piwis, sagte Antes kürzlich auf einer Sitzung des Hauptausschusses des Rheingauer Weinbauverbandes.

Antes sieht Piwis als „Baustein der Nachhaltigkeit“. Um ihre Verbreitung zu fördern, schlägt er vor, nicht den Anbau dieser Rebsorten finanziell zu fördern, sondern die Vermarktung. Das ist auch seiner Sicht wegen zögerlicher Kunden und „schwieriger“ Namen der neuen Rebsorten nötig. Denn bei Blindverkostungen zeigten sich die Piwis nicht im Nachteil gegenüber den herkömmlichen Sorten: „Sie sind nicht schlechter im Geschmack“, sagt Antes.

Er warnte die Winzer aber davon, beim Anbau darauf zu hoffen, sich den Pflanzenschutz ganz sparen zu können. Das sei nicht der Fall, meint Antes, der nicht von resistenten, sondern von pilztoleranten Rebsorten spricht. Denn Krankheitserreger mutierten und fänden bisweilen Wege, vor allem einfache Resistenzen, wie sie die Rebsorten Regent aufweist, zu überwinden. Ziel sind daher mehrfach-resistente Sorten.

Zu ihnen zählen beispielsweise Sauvitage, Sauvignac und Souvignier gris. Letzterer ist nach Ansicht von Antes aktuell „klar die Nummer eins“ unter den Piwis und gut geeignet, den Grauburgunder zu ersetzen. Dieser habe ohnehin den Höhepunkt seines Booms beim Verbraucher hinter sich. Calardis blanc wiederum hat einen Riesling-ähnlichen Geschmack, und Cabernet blanc könnte auf den Müller-Thurgau folgen, der laut Antes ohnehin „der Verlierer des Klimawandels“ ist. Souvignier gris sei der „Grauburgunder der Zukunft“, habe viele positive Eigenschaften und vor allem eine gute Akzeptanz beim Kunden.

Bis auf Souvignier gris rät Antes aber, keine reinsortigen Piwi-Weine mit dem Namen der Sorte auf dem Etikett anzubieten. Die Winzer sollten vielmehr Cuvées unter einem Fantasienamen kreieren. Seiner Ansicht nach wird es im Weinbau ohne Piwis nicht mehr gehen. Vor allem die Ökowinzer sollten schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit möglichst viele Piwis anpflanzen.     

Ähnlich hatte sich schon zu Jahresbeginn bei der Weinbaufachtagung im Rheingau der Marktforscher Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim geäußert. Piwis hätten gute Chancen auf dem Markt. Vielleicht nicht bei den in ihren Geschmacksvorlieben verhafteten „Traditionalisten“ und auch nicht bei ausgewiesenen Kennern. Wohl aber in den Zielgruppen der „aufgeschlossenen Frauen“, der „jungen Weininteressierten“ sowie derjenigen, die sich der Gesundheit und Nachhaltigkeit verschrieben hätten. Sie alle sind laut Kiefer wenig kontaktscheu im Hinblick auf neue, „nachhaltige Rebsorten“. Vor allem dann nicht, wenn sie frankophile Namen wie Souvignier gris oder Sauvignac tragen. Aber auch Kiefer gab zu, dass es leichter ist, Piwis in  Weincuvées zu „verstecken“ anstatt sie offensiv anzubieten.

Die Zurückhaltung der Rheingauer Winzer war dennoch auch im Hauptausschuss spürbar. „Nicht, solange ich noch verantwortlich bin“, sagte beispielsweise ein Betriebsleiter. Zudem sind viele seiner Kollegen noch der Überzeugung, dass der Riesling eine für die Zukunft gut geeignete „Klimarebsorte“ ist, sofern der richtige Klon im geeigneten Weinberg gepflanzt worden ist. (aus der FAZ vom 28. November 2024)

Neues aus dem Verkostungstagebuch

… wie gewohnt kurze Notizen über das, was zuletzt im Glas und bemerkenswert war…

Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach

2015 Höllenberg Spätburgunder Cabinet GG trocken – feine Noten von Cassis, wie sie für den Höllenberg so typisch sind – mehr Eleganz als Kraft, langer Nachhall, wirkt etwas reifer, als es der wunderbare Jahrgang vermuten lässt

J.B.Becker, Walluf

2022 Rotweiß Spätburgunder Rosé – ein Rosé mit rustikalem Etikett in dunkelgrüner Schlegelflasche, die den Blick auf den wunderbaren Farbton völlig verwehrt. Auch das ist ein Statement. Und der Wein? Auch  für einen Rosé-Skeptiker wie mich sehr gut mit feinen Aromen roter Beeren, aber nicht quietschig, nicht easy drinking auf dem Weinfest, sondern ernsthaft und fein. Das gilt auch für den parallel verkosteten 2023 Pinot Noir Rosé trocken vom Bischöflichen Weingut. Völlig andere Stilistik, aber mit Sicherheit einer der besten Roséweine, die im Rheingau zu finden sind. Erwartungsgemäß hervorragend übrigens Beckers 2013 Riesling Walkenberg Spätlese trocken

Peter Perabo, Rüdesheim

2023 Riesling trocken „Peter P“ – ja, der Betriebsleiter des Bischöflichen Weinguts macht jetzt auch seinen eigenen Wein (eine Vorbereitung auf den „Ruhestand“?), der sehr saftig und mineralisch zugleich daherkommt. Klare Kaufempfehlung!  

Jasper Franz, Lorch

2023 Riesling Alte Reben Schiefer – eine von nur 812 Flaschen, die Jasper Brysten gefüllt hat. Das besonders Schöne daran: Getrunken in der wiederbelebten Schänke Altenkirch in Lorch! Gutes Essen, gute Weine, schönes Ambiente, hingehen!

Weingut Schön, Aulhausen

Endlich nach langer Pause  mal wieder bei Klaus Schön in Aulhausen, dem Rotweingenie… Späbus im klassischen Stil auf der eher voluminösen Seite mit Kraft und Power, bsp. 2022 Roseneck Spätlese trocken und die ganz außerordentliche 2020 Berg Roseneck Auslese trocken… ein Bergwein der besonderen Art. Probieren !

Schloss Vollrads, Winkel

2016 Edition Rheingau Riesling – die jährlich von den Mitarbeitern „gewählte“ Edition, diesmal gereift, was dem Wein aber sehr gut getan hat und mit einmal mehr zeigte, dass 2016 wirklich ein sehr guter Jahrgang ist.

Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach

2022 Neroberg Riesling trocken Cresentia – der Neroberger ist in fast jedem Jahrgang eine Bank unter den Erste-Lage-Weine der Staatsweingüter. Schöne Mineralität, unterlegt mit filigraner Frucht, eher kühl wirkend, toller Trinkfluss… getrunken auf dem Neroberg direkt über den Reben, schmeckt nirgends besser!

Chat Sauvage, Johannisberg

Chardonnay brut Sekt, degorgiert am 11. März 2024, eine Wucht !

2022 Chardonnay trocken – das ist neben und mit Künstlers Chardonnay „Kalkstein“ (2023 schon verkostet) einfach der beste Chardonnay des Rheingaus. Punkt. Im „Pfaffenberg“ (Restaurant Chamame) ebenfalls verkostet und für sehr gut befunden: Künstlers 2022 Stielweg Alte Reben Riesling.

Weingut Johannishof, Johannisberg

2022 Hölle GG und 2022 Rottland im Vergleich. Eine Überraschung, denn üblicherweise bin ich als Fan des Rüdesheimer Berg in der Versuchung, den Rottland „blind“ vorzuziehen. Doch Pustekuchen: die Hölle ist in diesem Jahrgang ein Monument! Großartig.

40 Jahre Charta-Weine

Im intimen Kreis wurden während der Glorreichen Rheingau Tage auf Weingut Robert Weil 20 Charta Weine aus vier Jahrzehnten von fünf Erzeugern verkostet. Die Spanne reichte von zwei 1983 (Weil und Wegeler) aus dem allerersten Jahrgang bis zu 2016 (Spreitzer) und 2019 (Wegeler). Eine würdige Geburtstagsfeier zum 40. für den Charta mit der Erkenntnis: unverändert ein überzeugendes Konzept (wenn auch mit zu wenigen Erzeugern), besonders herausragend aus „mittelreifen“ Jahren wie 1994, 2001, 2004, 2008, 2014 u.a., sehr hohes Reifepotential und unverändert ein klasse Essensbegleiter“

Meine Favoriten der Probe: 1983 Weil, 1992 Wegeler, 1994 Johannishof, 2001 Weil, 2008 Spreitzer, 2014 Jakob Jung

Wen die Geschichte der Charta-Bewegung interessiert: eine ausführliche Rückschau hatte ich für die F.A.Z. Ausgabe vom 9. November 2024 verfasst.

33. Riesling Gala

… und wieder ein Genuss für Geist, Gaumen und Seele im Kloster Eberbach. Kulinarisch und „logistisch“ eine Meisterleistung, mehr als 700 Gäste auf formidablem Niveau zu verköstigen. Eine Veranstaltung, die jeder Weinschmecker zumindest einmal im Leben erlebt haben MUSS. Was ich nicht erwartet hätte: Unter den 6 Gängen stach für mich der vegane „Gemüsetatar mit Limettencreme, Gartenkresse und Buchweizen hervor“, trotz – oder gerade wegen – der feinen Schärfe, die das eigentlich viel zu junge 2023 Pettenthal GG von Kühling-Gillot perfekt konterte. Solo war 2021 „O“ Reserve von St. Antony superb. Auch Philip Soldan überzeugte mit seinem konfierten Ikarimi Lachs. Sein Sternelokal im Frankenberg steht auf meiner „to visit“-Liste weit oben. Der Wels von Matthias Schmidt war hingegen gewöhnungsbedürftig, die Languste von Alexander Hohlwein sehr fein und die Kalbsbäckchen von Jochim Busch hervorragend. Ich freue mich schon jetzt, anlässlich des Rheingau Gourmet und Wein Festivals Anfang März wieder einen den FAZ-Lunch mit ihm zu moderieren. Sehen wir uns? Unter den Weinen fällt es schwer, einige herauszuheben. Weil 2017 Gräfenberg gehört sicher dazu, ebenso Weedenborns 2015 Kirchspiel und ganz sicher die 2018 Prälat GG Reserve von Dr. Loosen. Herausragend !  

Visionärer Impuls für deutschen Wein

Das deutsche Weinbezeichnungsrecht gilt als hochkomplex, und die Etiketten auf Weinflaschen lesen sich für die Verbraucher bisweilen höchst verwirrend. Doch es geht auch anders. Vor genau 40 Jahren schlug im Rheingau die Geburtsstunde eines Weins, der mit seinem kurzen Namen alle Fragen beantwortet: Charta. Dahinter steckt ein hochwertiger Riesling aus dem Rheingau, geschmacklich trocken ausgebaut, prädestiniert als Essensbegleiter, von einer internen Jury bei einer Blindverkostung auf seine Qualität hin sorgsam geprüft und erst nach knapp einem Jahr Reife in der Vermarktung gegeben. Ein Konzept, dass unter den Anhängern der Charta-Weine bis heute als überzeugend gilt, dem aber auf lange Sicht dennoch kein durchschlagender Erfolg beschieden war.
Denn es sind nur noch ein Dutzend Winzer, die Jahr für Jahr 13 Charta-Weine vorstellen. Im Jubiläumsjahr kamen nach gut zehn Jahren Unterbrechung noch die Hessischen Staatsweingüter hinzu. Das ist eine Rückbesinnung. Denn Hans Ambrosi, lange Jahre der Leiter der Hessischen Staatsweingüter, zählt zu fünf Gründervätern der Charta-Bewegung, ebenso wie Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau von Schloss Vollrads, die Rüdesheimer Winzer Bernhard und Heinrich Breuer sowie Helmut Becker vom Geisenheimer Institut für Rebenzüchtung und Rebenveredlung. „Sie setzten Maßstäbe für die „klassifizierte Herkunft eines Weins“, heißt es in der Rückschau vom Rheingauer Verband der Prädikatsweingüter (VDP). Nach Ansicht von dessen Präsident, dem Kiedricher Winzer Wilhelm Weil, stand der deutsche Weinbau zu Beginn der 19080er Jahre an einem Scheideweg: Weiter den „Irrweg“ zu gehen, billige und süße Tropfen für den national und internationalen Massenmarkt zu produzieren, oder an das Qualitätsstreben der Vergangenheit anknüpfen, als deutscher Riesling weltweit anerkannt war und in den europäischen Adelshäusern auf den Tisch kam. Dass heute wieder trockene Weine aus besten Rheingauer Lagen gefragt seien, habe die Region auch der Charta-Bewegung zu verdanken, meint Weil.
Dieser eingetragene Verein engagierte sich parallel zum VDP für Rieslinge aus besten Lagen von hoher Qualität. Nach seiner Gründung 1984 stießen bis zu 50 Winzer zu der Vereinigung, die sich als Gegenbewegung „weg vom süßen Massenwein“ und hin zu einem typischen Rheingauer Riesling verstand. Die romanischen Bögen als Markenzeichen auf den Charta-Flaschen sind eine Reverenz an die Frontfenster des Grauen Hauses in Oestrich-Winkel, das als ältestes Steinhaus in Deutschland gilt. Charta-Weine werden bis heute ausschließlich in den klassischen brauen Schlegelflaschen gefüllt. Die Charta-Bewegung war es, die sich Ende der 1980er Jahre an vorderster Front in Deutschland für die Klassifizierung der besten Weinberge engagierte und damit an historische Einteilung von Weinbergen nach der Güte anknüpfte, wie sie erstmals für das Jahr 1867 dokumentiert ist.
Damit sollte die Grundlage für die Erzeugung großer Weine aus besten Weinbergen geschaffen werden. Den Charta-Winzern ging es um eine Korrektur des Weingesetzes von 1971, das bedeutsame Einzellagen hatte verschwinden lassen. Im Jahr 1992 stellen die Charta-Winzer erstmals im Rheingau „Erste Gewächse“ aus zuvor definierten Spitzenlagen vor. Eine inoffizielle Klassifikation, die aber keinen Bestand haben sollte, denn der Rheingauer Weinbauverband nahm sich des Projekts an, und 1999 wurde mit dem Segen des Landes Hessen eine wissenschaftlich erstellte Gütekarte des Rheingaus präsentiert. Auf ihrer Basis sehen sich alle Rheingauer Winzer mit Besitz in den besten Weinbergen in die Lage versetzt, „Erste Gewächse“ zu erzeugen. 1999 war auch das Jahr der Fusion zwischen Charta-Verein und VDP, wodurch der Rheingau trotz personeller Überschneidungen zum mitgliederstärksten größten VDP-Regionalverband in Deutschland aufstieg. Inzwischen ist die Zahl der VDP-Winzer wieder deutlich geringer. Rückläufig war viele Jahre auch die Zahl der Charta-Wein-Erzeuger.
Dabei sieht Mark Barth, Hattenheimer Winzer und stellvertretender VDP-Vorsitzender, unverändert ein großes Potential in diesen Weinen. Für den Johannisberger Winzer Johannes Eser, der als einziger zwei Charta-Weine erzeugt, ist das sein „erfolgreichster trockener Wein“. Nicht in allen Gütern hat er diese hohe Bedeutung, aber auch Winzer Bernd Spreitzer spricht von einem „Herzenswein“. Am 10.. November steht der Charta-Wein anlässlich der Riesling-Gala zum Abschluss der Glorreichen Rheingau Tage im Mittelpunkt. Und nach einer Verkostung mit 20 Charta-Weinen von fünf Erzeugern aus vier Jahrzehnten sahen sich in dieser Woche die Winzer bestärkt, dass der Charta-Wein Zukunft hat.

(aus der FAZ vom 9. November 2024)

Bach-Komposition im Keller

Wer den 525 Liter fassenden Tank mit der Hand berührt, der kann es unmittelbar fühlen: Die Edelstahlhülle vibriert. Es sind nicht irgendwelche beliebigen Schallwellen, die den Behälter und damit auch den darin heranreifenden Wein rund um die Uhr und an sieben Tage in der Woche in Schwingungen versetzen. Sie folgen vielmehr einer Komposition, die Johann Sebastian Bach im Jahr 1741 veröffentlicht hat. Die Goldberg-Variationen in der Haupttonart G-Dur gelten als besonders gelungener Ausdruck barocker Variationskunst. Es zeichnet sich laut Wikipedia „durch einen planvollen Gesamtaufbau mit regelmäßig eingefügten, in den Oberstimmen streng kanonischen Sätzen aus.“ Was das für den Anfang Oktober geernteten Wein bedeutet, will der Mainzer Wissenschaftler Peter Kiefer von der Uni Mainz herausfinden, der die Wechselwirkungen von Klang erforscht und der die Bach-Komposition wegen ihrer intensiven Schwingungen bewusst ausgewählt hat. Peter Winter, Eigentümer des Hattenheimer Weinguts Georg-Müller-Stiftung, spricht von einem „seriösen Experiment“ in seinem Weinkeller, auf dessen Ausgang er selbst sehr gespannt ist.

Dass Winzer bisweilen im Keller ihre Weinfässer mit Musik beschallen, ist nicht neu. Was Winter an dem Projekt elektrisiert, ist der Vergleich. Denn er hat zwei Tanks mit ein und demselben hochwertigen Riesling aus der Lage Hattenheimer Schützenhaus gefüllt. Aber nur einer der beiden – sonst identischen – Stahltanks wird mit den Schallwellen von Bach „behandelt“. Nun gärt der Wein und bleibt auch nach Abschluss der Gärung bis zum Frühjahr mit der Hefe verbunden. Im März oder April wird der Wein dann in Flaschen gefüllt, und die Stunde der Wahrheit nähert sich: Hat Bachs Komposition den Wein geschmacklich verändert?

Winter erwartet, dass die Verkostungen der beiden trocken ausgebauten Weine im Frühjahr eine Veränderung belegen, die allerdings weniger musikalischer, denn physikalischer Natur sein könnte: Wenn die Schwingungen des Tanks dazu beitragen, dass kleine Hefeteilchen im Wein aufgewirbelt werden und deshalb intensiver miteinander in Kontakt geraten, dann könnte das den Geschmack verändern, so Winters Vermutung: „Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommt“. Die Winzer kennen die Methode des manuellen Aufrührens der Hefe schon lange unter dem Begriff Batonnage.

Winter sieht das Experiment auch als eine Reverenz gegenüber dem  Jubiläum 250 Jahre „Entdeckung“ der Spätlese, das 2025 gefeiert wird. Sein Wein ist zwar von Spätlesequalität, doch wird Winter wegen der Statuten des Verbands der Prädikatsweingüter das – ausschließlich süßen Weinen vorbehaltene – Prädikat Spätlese nicht auf das Etikett des Klangweins schreiben. Geplant ist aber eine Sonderedition mit jeweils zwei Flaschen im Paket, die jeweils aus einem der beiden Tanks gefüllt wurden. Dann kann sich jeder Wein- und Musikfreund selbst ein Bild machen, ob Bachs-Kreationen den Riesling – positiv – beeinflusst haben. Und beim Trinken darüber philosophieren, welche Wirkung wohl Heavy Metal gehabt hätte. (aus der FAZ vom 28.10.2024)

Weinernte unter den Erwartungen

Wie glimpflich die Rebstöcke im Rheingau die Spätfröste im April überstanden haben, zeigt die aktuelle Erntebilanz des Deutschen Weininstituts in Mainz. Demnach bewegt sich die Erntemenge der Weinlese mit geschätzt 222.000 Hektolitern auf dem Niveau des Vorjahres. An der Hessischen Bergstraße hingegen verzeichnete man einen Rückgang um sechs Prozent auf 31.000 Hektoliter, im Mittelrheintal um 14 Prozent auf 19.000 Hektoliter und an der Ahr sogar um 64 Prozent auf 15.000 Hektoliter.
In den Weinanbaugebieten in Sachsen und Saale-Unstrut waren die Einbußen mit mehr als 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr sogar noch größer. An der Mosel reduzierte zudem großflächiger Hagelschlag im Mai die Erträge. Dort wird mit rund 510.000 Hektolitern die geringste Erntemenge seit 50 Jahren erwartet.
Einziger Gewinner war Rheinhessen. Deutschlands größtes Anbaugebiet steigerte den Ertrag um sieben Prozent auf fast 2,6 Millionen Hektoliter.
Spätfröste, viel Regen und wechselhaftes Wetter während der Weinlese machten laut Weininstitut den Winzern sehr zu schaffen und forderten ihnen ein Höchstmaß an Flexibilität ab. Die Erntemengen seien je nach Anbaugebiet, Rebsorte und Kleinklima großen Schwankungen unterworfen und blieben überwiegend weit hinter den Erwartungen zurück, heißt es aus Mainz.
Auf Basis der aktuellen Schätzung des Deutschen Weinbauverbandes wird in Deutschland eine Erntemenge von rund 7,9 Millionen Hektolitern Weinmost erwartet. Das entspräche einem Minus von zehn Prozent gegenüber dem zehnjährigen Mittel von 8,8 Millionen Hektolitern. Einen ähnlich niedrigen Ertrag hatte es mit 7,5 Millionen Hektolitern zuletzt im Jahr 2017 gegeben.
Das Weininstitut erkennt durch die Regenmengen aber auch positive Effekte auf die Entwicklung der Reben. Wegen der guten Wasserversorgung seien viele Mineralien aus dem Boden in die Trauben eingelagert worden. Das lasse extraktreiche Weine mit ausgeprägter Mineralität erwarten. Zudem habe sich die lange Reifephase positiv auf die Aromabildung in den Beeren ausgewirkt. Angekündigt werden daher „frische, lebendige Weine mit ausgeprägter Frucht“ mit moderatem Alkoholgehalt. Das entspreche „perfekt dem aktuell gefragten Weintyp“.
Der größte Verband der Ökowinzer, Ecovin, beklagt wegen der Spätfröste, Pilzkrankheiten und dem vielen Regen ebenfalls erheblich geringere Erntemengen. Der Pflanzenschutz sei für die Ökowinzer „ein besonders harter Kampf“ gewesen, weil der Einsatz des Pflanzenstärkungsmittels Kaliumphosphonat seit 2014 verboten sei. Die Ökowinzer kämpfen für dessen Wiederzulassung und sehen den Beleg erbracht, dass „der Werkzeugkasten des Bioweinbaus“ angepasst werden müsse.

Zu viel Wein auf dieser Welt !

Wenn das Überangebot einer Ware auf eine rückläufige Nachfrage trifft, dann ist die Krise vorgezeichnet. Die simplen Regeln des Marktes erschüttern die deutsche Weinbranche bis ins Mark. Weltweit wird mehr Wein angebaut als konsumiert. Laut der Internationalen Organisation für Rebe und Wein wurden 2022 global fast 260 Millionen Hektoliter Wein produziert, während der Weinkonsum nur bei rund 232 Millionen Hektolitern lag. Der Weinmarkt ist aus der Balance geraten. Weil sich aber bei der auf mindestens drei Jahrzehnte angelegten Dauerkultur Wein die Erntemengen nicht auf Knopfdruck steuern lassen, sieht sich die Branche inmitten einer Krise, die mancher Winzer als die schlimmste seit dem Weinskandal in den Achtzigerjahren bezeichnet.

Eine kurzfristige Lösung ist die Krisendestillation. Im vergangenen Jahr ist dieses Instrument nach Jahrzehnten erstmals wieder in Deutschland eingesetzt worden. In Württemberg wurden rund acht Millionen Liter zu reinem Alkohol verarbeitet. „Aus Trollinger wird Putzmittel“, schrieb unter anderem die „Stuttgarter Zeitung“ über das traurige Schicksal der liebevoll auch „Schwabenmilch“ genannten Rebsorte. Aber nicht nur Trollinger, auch andere rote Rebsorten wie Portugieser waren nicht verkäuflich. Der Druck im Weinkeller wurde zu groß.

Die Destillation von Wein erlaubt nur ein kurzfristiges Durchatmen. Denn die Rebstöcke tragen im nächsten Herbst abermals. Die Nachfrageschwäche ist aber keine temporäre Delle, wie manche Erzeuger hoffen, sondern ein langfristiger Trend. Absatzforscherin Simone Loose von der Hochschule Geisenheim warnt davor, die gegenwärtige Krise in der Hoffnung auf baldige Besserung aussitzen zu wollen.

Auf dem Fassweinmarkt, auf dem sich Kellereien bedienen, um billige Tropfen für den Supermarkt einzukaufen und abzufüllen, ist der Preisverfall schon angekommen. Zwischen 60 und 80 Cent je Liter werden den Erzeugern derzeit geboten. Betriebswirtschaftlich ist das eine Katastrophe, weil in Regionen wie dem Rheingau die Produktionskosten deutlich darüberliegen. Mindestlöhne, hohe Energiepreise und die Folgen der Inflation haben die Kosten für die Weingüter stark steigen lassen. In diesem Frühjahr kamen Frostschäden und im verregneten Sommer noch hohe Kosten für den Pflanzenschutz hinzu. Und die Schließungswelle bei Gaststätten und die häufig zu beobachtende Verringerung der Öffnungstage tragen ebenfalls nicht zu einem stabilen Weinkonsum bei.

Besserung ist nicht in Sicht. Dies ist vor allem auf den demographischen Wandel und die veränderte Einstellung junger Menschen zu Alkohol als Alltagsdroge zurückzuführen. Die Zahl der „Komasäufer“ unter den Jugendlichen, die vor Jahren noch für Schlagzeilen sorgten, wird immer kleiner. Aber immer mehr in dieser Alterskohorte pflegen einen gesünderen Lebensstil („No and low“!) und verzichten teilweise oder ganz auf Alkohol. Die Zahl der deutschen Haushalte, die zumindest gelegentlich noch Wein einkaufen, ist auf knapp über 40 Prozent gefallen. Im Jahr 2023 konsumierten die Deutschen mit durchschnittlich 22,5 Liter Wein und Sekt fast einen Liter weniger als im Vorjahr. Das ist eine dramatische Entwicklung.

Wer die Weinregale in Supermärkten studiert, wo der Großteil des Weins gekauft wird, der schaut auf jeden Cent und greift im Zweifel zur ausländischen Konkurrenz. „Es sind riesige Probleme, vor denen wir derzeit in der Weinwirtschaft stehen“, sagte der Pfälzer Weinbaupräsident Reinhold Hörner kürzlich dem Südwestrundfunk, und er befürchtet in den kommenden zehn Jahren die Aufgabe von fast jedem zweiten Betrieb.

Die Zahl der Weinpatrioten, die wegen der Qualität deutschen Wein bevorzugen, ist in Deutschland geringer als in anderen Erzeugerländern. Der Marktanteil des deutschen Weins ist hierzulande auf 42 Prozent gefallen. Ein erschütternd geringer Wert. Erklärungsversuche bleiben in der Regel beim geschickteren Marketing und den niedrigeren Preisen der ausländischen Konkurrenz stecken. Der Stolz der Deutschen auf „ihren“ Riesling und Spätburgunder ist nach Ansicht der Winzer jedenfalls ausbaufähig.

Hinzu kommt: Die Alterskohorte der bislang regelmäßigen Weingenießer wächst langsam aus der Lebensphase des häufigen und intensiven Konsums hinaus. Eine nachwachsende Weingenussfraktion in vergleichbarer Stärke ist nicht in Sicht. Als wäre diese Entwicklung aus Sicht der Winzer nicht schon schlimm genug, meldet sich mitten in dieser krisenhaften Zuspitzung die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu Wort und empfiehlt nachdrücklich, die Finger besser vom Alkohol zu lassen, um Krankheitsrisiken zu vermeiden. Entsprechend drastisch fielen die wenig schmeichelhaften Kommentare der Winzer aus. Der Export verspricht kaum Entlastung, zumal in Märkten wie China die Eigenversorgung mit Wein gewachsen ist und gleichzeitig von der obersten Führung Skepsis gegenüber dem Getränk Wein als Ausdruck des westlichen Lebensstils verbreitet wird. Nicht ausgeschlossen, dass der sich anbahnende Handelsstreit mit China wieder Zölle für europäischen Wein zur Konsequenz haben wird.

Die Folge der Krise: Weltweit und in Deutschland wird über die Rodung von Weinbergen nachgedacht. Dabei trifft die Absatzflaute die 13 deutschen Weinregionen in unterschiedlichem Maß. Anbaugebiete wie der Rheingau, wo der Anteil der Direktvermarktung sehr hoch ist und viele Winzer einen treuen Privatkundenstamm aufgebaut haben, sind weniger betroffen als größere Gebiete wie beispielsweise Rheinhessen. Doch die Kauf- und Pachtpreise für Weinberge sind auch im Rheingau stark rückläufig. Womöglich wiederholt sich ein Phänomen wie vor zwei Jahrzehnten, als am nördlichen Rand der Weinbergslandschaft vermehrt brach gefallene Weinberge als Pferdekoppeln genutzt wurden

Gleichzeitig setzt sich die Konzentration in der Branche unvermittelt fort. Immer weniger Weingüter bewirtschaften immer mehr Fläche. Doch die Neigung der Großbetriebe, die Parzellen aufgebender Kleinwinzer zu übernehmen, ist längst nicht mehr so ausgeprägt wie noch vor wenigen Jahren. Im Rheingauer Weinbauverband wird schon darüber nachgedacht, ob es eine Lösung sein kann, Weinberge für bis zu acht Jahre brach liegen zu lassen. Auch eine ökologische Umgestaltung der Weinberge, die auf Kosten der Produktionsmenge Platz für mehr Artenvielfalt in der Monokultur schafft, könnte helfen. Am Ende wird es nicht ohne mit staatlicher Finanzhilfe ermöglichte Rodungen von Weinbergen gehen. Ein Vorschlag lautet, die sonnenverwöhnten Steilhänge mit Freiflächensolaranlagen zu bestücken, um grünen Strom zu liefern. Für die Flachlagen blieben aber nur Kartoffeln, Getreide oder Obst. Sicher ist: Die Kulturlandschaft steht – wieder einmal – vor einem tiefgreifenden Wandel.

(mein Essay aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13. November 2024)

Neues aus meinem Verkostungstagebuch

wie gewohnt kurze Notizen über das, was zuletzt im Glas war…

Corvers-Kauter, Mittelheim

2023 Rauenthaler Baiken Riesling trocken – jedes Jahr aufs Neue begeisternd, was Familie Corvers aus Baiken zaubert – und  Langwerth von Simmern in dieser Brillanz und Eleganz so nie geschafft hat. Feinfruchtig mit langem Nachhall und hohem Trinkfluss

Balthasar Ress, Hattenheim

ein „neues“ Trio der Ersten Lagen: 2023 Rüdesheimer Bischofsberg und Hallgartener Würzgarten sowie Hallgartener Hendelberg. Da kommt Freude auf. Vor allem der Bischofsberg vereint Fruchtfülle mit Mineralität und entfaltetet großem Charme am Gaumen

Heymann-Löwenstein, Leiwen

2010 Uhlen Schieferformation Blaufüßer Lay trocken…. ein Monster mit 14,5 Prozent Alkohol. Fett, anstrengend, Trinkwiderstand! Ein kleines Glas zum Essen, ok, ansonsten würde ich wohl eine Woche brauchen, um die Flasche zu leeren.

Von Volxem, Saar

2018 Riesling „Alte Reben“

sehr gut gereift, Top, guter Trinkfluss, leicht nussige, cremige Aromen, perfekt am Gaumen, macht Spaß

Künstler, Hochheim

2022 Hocheimer Stielweg Alte Reben VDP 1.Lage trocken

2023 Chardonnay Kalkstein trocken

beides im neuen Chamamé in Künstlers Dependance in Hattenheim, ehemals Schloss Schönborn, getrunken. Wer Fleisch mag, ist hier sehr gut aufgehoben, gerade auch montags bei ungezwungener Atmosphäre.

Charta-Weine

40 Jahre Jubiläum, und Hubert Allerts Keller & Kunst-Kontor hat sich zu einer kleinen Charta-Botschaft mit einer schönen Auswahl gemausert. 7 der aktuell 14 Charta-Weine habe ich dort verkostet: August Eser, Barth, Diefenhardt, Jakob Jung, Spreitzer, Staatsweingüter (neu!) und das „Fass 52“ von Eser (Johannishof), das bei mir im direkten Vergleich die Nase vorn hatte (es fehlten natürlich Weil und Wegeler zur finalen Ausage…)  Zum Jubiläum zu gegebener Zeit noch mehr!

2022 „Neroberger“ der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach

für mich immer eine Bank im Sortiment der Staatsweingüter (VDP 1. Lage) mit einer guter Mischung aus Frucht und Terroir. Ich habe ihn bei einem kleinen Wiesbaden-Ausflug direkt mit Blick auf den 4 Hektar großen Weinberg getrunken. Der Weinberg hat eine schöne Geschichte: Im 17. Jahrhundert durch die Grafen von Nassau angelegt, 1866 mit dem gesamten Herzogtum in preußischen Besitz übergegangen und um 1900 für 250.000 Goldmark an die Stadt Wiesbaden verkauft, um den mehr als 1,1 Millionen Euro teuren Kauf von 19 Hektar Filetstücken im Rauenthaler Baiken finanzieren zu können. Im Jahr 2005 dann wieder langfristig zurückgepachtet von der Stadt. Eine wunderbare Monopollage !

Zur Lage: Riesling gibt Rätsel auf

Die Winzer beschäftigen aktuell nur schwer zu erklärende Reifeverzögerungen beim Riesling: Beim Mostgewicht haben die Rieslingtrauben im September nur mäßig zugelegt, während die Säurewerte stagnierten (noch über 13g) und noch immer recht hoch sind. Zu hoch, um mit der diesjährigen Weinlese auf breiter Front zu starten. Mit dem Beginn der Hauptlese ist daher vorerst noch nicht zu rechnen. Manfred Stoll, Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau der Hochschule Geisenheim geht davon aus, dass es noch bis zu zwei Wochen dauern könnte, bis sich eine „Harmonie“ von Zucker und Säure in den Beeren eingestellt habe. Das hieße, dass die Oechslewerte auf durchschnittlich 85 Grad zugelegt haben und dass die Säure dann auf knapp unter zehn Gramm je Liter Most gefallen ist.

Ob die Natur den bislang noch entspannten Winzern so lange Zeit gibt, oder ob zunehmende Fäulnis eine frühere Ernte erzwingt und im Nachgang womöglich eine Entsäuerung im Weinkeller notwendig macht, ist noch ungewiss. Weinbaupräsident Peter Seyffardt kann sich an eine derartige Reifeverzögerung bei früheren Jahrgängen nicht erinnern, aber sieht darin noch lange keine Hypothek für den Jahrgang 2024: „Da kann noch was Gutes entstehen.“ Seyffardt sieht sich allerdings wie andere Kollegen gezwungen, die schon angereisten Lese-Mannschaften nach Abschluss der Burgunder-Ernte mit anderen Arbeiten im Weinberg zu beschäftigen, ehe es endlich an die Hauptsorte Riesling gehen kann. So viel von Hand entblättert wurde daher selten im Rheingau.

Die Gründe für die Reifeverzögerung sind für Praktiker und Wissenschaftler gleichermaßen mysteriös. Am Wasser vom Himmel und entsprechend der Feuchtigkeit im Boden hat es in diesem Jahr jedenfalls nicht gemangelt. Zwischen Januar und Juli fiel in jedem Monat mehr Regen als im langjährigen Durchschnitt. In Geisenheim wurden schon jetzt 126 Liter mehr je Quadratmeter registriert als im langjährigen Mittel. Das Jahressoll ist schon fast erfüllt. Die Natur habe „durchatmen“ können, so Stoll.

Die hohen Temperaturen im Frühjahr hatten einen frühen Austrieb zur Folge, gefolgt vom Blütebeginn zum Ende der ersten Juniwoche und dem Reife-Start Mitte August. Der viele Regen forderte die Winzer im Kampf gegen die beiden gefährlichsten Krankheiten im Ertragsweinbau: Den falschen (Peronospora) und echten (Oidium) Mehltau. Vor allem die Ökowinzer waren deshalb beim Pflanzenschutz stark gefordert und musste laut Stoll etwa doppelt so häufig zum Spritzeinsatz in die Weinberge als ihre integriert wirtschaftenden Kollegen. Stoll hält es für möglich, dass Mehltaubefall mit der Folge reduzierter Photosynthese ein Grund für die Reifeverzögerung sein könnte. Für Praktiker wie Seyffardt liegen die Ursachen ebenfalls nicht auf der Hand: „Ich erlebe das so zum ersten Mal, und es kommt immer anders, als man denkt.“

Glimpflich davongekommen ist der Rheingau zwischen dem 22. und 26. April, als Spätfröste in einigen Teilen Deutschlands hohe Schäden in der Landwirtschaft verursachten. Weil die Hauptlese noch gar nicht begonnen hat, sind die Ernteerwartungen im Hinblick auf Qualität und Quantität  noch mit großen Unsicherheiten behaftet. Entscheidend wird auch das Wetter in den kommenden vier bis sechs Wochen sein. Ergiebige Regenfälle wurden die Erwartungen weiter eintrüben. Noch aber gebe es überhaupt keinen Grund für Panik, so Seyffardt. Der Weinbau sei jedes Jahr aufs Neue eine Herausforderung: „Es gibt keine Blaupause“. (leicht gekürzt aus meinem Bericht in der FAZ vom 24. September)