Rettet die Steillagen !

Steillagen sind für die Winzer Fluch und Segen zugleich. Sie erfordern gegenüber den flachen Weingärten einen hohen Aufwand bei der Bewirtschaftung und verteuern somit die Produktion erheblich, ohne dass der Kunde die Bereitschaft erkennen lässt, für Weine aus Steillagen mehr Geld auf den Vinothekentisch zu legen. Gleichwohl sind es oft die besten Weine, die in den Berglagen erzeugt werden. Steillagen sind zudem nach Einschätzung der Unesco in engen Flusstälern oft die einzig mögliche landwirtschaftliche Nutzungsform. Sie bilden wertvolle Lebensräume für Fauna und Flora und haben nicht zuletzt einen großen Einfluss auf das Landschaftsbild und damit den Weintourismus.

Darauf hat Matthias Dempfle vom Deutschen Weininstitut anlässlich der am Freitag zu Ende gegangenen, 68. Rheingauer Weinbauwoche hingewiesen. Laut Dempfle fallen rund 15.000 Hektar und damit etwa 14 Prozent der deutschen Rebfläche von 103.000 Hektar unter die Definition einer Steillage, also einer Hangneigung von mehr als 30 Prozent. Steillagen prägen vor allem die Mosel, aber auch im Rheingau zählen nach der Aufstellung des Eltviller Weinbauamtes knapp elf Prozent (350 Hektar) der rund 3200 Hektar Rebfläche dazu. An der Bergstraße ist dieser Anteil mit 13,3 Prozent von 450 Hektar Rebfläche sogar noch etwas höher als zwischen Hochheim und Lorch.

Für Dempfle sind diese Flächen ein wissenschaftlich nachgewiesener „Hotspot der Artenvielfalt“. Das gelte sowohl für biologisch als auch für konventionell bewirtschaftete Weinberge. „Steillagenweinbau schafft Vielfalt“, sagte Dempfle und sieht in ihnen auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Denn die jährlich mehr als sieben Millionen Euro  Weintouristen in Deutschland suchten vor allem ein anmutiges Landschaftsbild.

Umso bedeutender sind die Forderungen des Weinbauverbands nach einer Förderung der Bewirtschaftung dieser Lagen. In Hessen profitierten nach Angaben des CDU-Landtagsabgeordneten Ingo Schon (CDU) im vergangenen Jahr 134 Weinbaubetriebe von der Steillagenförderung des Landes, davon 96 im Rheingau und 38 an der Bergstraße. Gefördert wurde nach seiner Aufstellung die Pflege von rund 313 Hektar Rebfläche, wobei der Rheingau mit fast 273 Hektar den größten Anteil stellt. Die ausgezahlten Fördermittel beliefen sich auf mehr als 522.000 Euro, davon flossen 461.000 Euro an Betriebe im Rheingau. Die Steillagen seien „nicht nur landschaftlich traumhaft, sondern tragen auch zur Artenvielfalt bei“, meint Schon. Für dieses Jahr kündigt er eine Aufstockung des Förderbudgets auf rund eine Million Euro im Landeshaushalt an, für die  Bergstraße auf 137.000 Euro. Das sei eine Anerkennung der Arbeit der Winzer und eine Investition in die Schönheit der Region. In diesem Jahr gelten zudem neue Fördersätze, die je nach Hangneigung zwischen 1.500 Euro und 4.600 Euro pro Hektar betragen können. Dies soll den besonderen Herausforderungen der Arbeit in extremen Steillagen gerecht werden.

Der Deutsche Weinbauverband hat die Steillagenförderung in seine „zwölf Forderungen der Deutschen Weinbranche für die kommende Legislaturperiode“ des Bundestags aufgenommen. Die Interessenvertretung der deutschen Winzer sorgt sich um die Zukunft „der die Kulturlandschaft prägenden, aber wirtschaftlich immer schwieriger zu bewirtschaftenden Steillage“. Sie sei für zahlreiche Anbaugebiete „elementar“. Angesichts des Strukturwandels sei jedoch mit einem Verlust und dem „Umzug“ der Weinberge aus der Steillage in die Flachlage zu rechnen. Auch das Aufstellung von Solarmodulen auf solchen Flächen bedeute einen Verlust der Kulturlandschaft. Brachliegende und verbuschende Flächen erhöhten das Schädlingsrisiko in den umliegenden Weinbergen. Der Verband fordert eine dauerhafte Förderung der Steillage und ein Budget, das „attraktiver ist als die Rodung und der Ausstieg aus dem Berufsstand.“ Ein Baustein zum Erhalt der Steillagen sei die Zulassung von Drohnen mit Rotationszerstäuber, um die Bewirtschaftungskosten in Grenzen zu halten. In einem Positionspapier zum Drohneneinsatz fordert der Verband zudem die finanzielle Förderung einer europäischen Agrardrohnenproduktion, um unabhängiger von internationalen Anbietern zu werden. Zudem erhebt er die Forderung nach einem „eigenen, praxistauglichen und unbürokratischen Rechtsrahmen im Luftfahrt- und Pflanzenschutzrecht für den Einsatz von Sprühdrohnen im Steillagenweinbau.“ (aus meinem Bericht in der FAZ vom 18. Januar 2025)

Wo sind die Weinpatrioten?

Die zumindest temporäre Stilllegung von Rebflächen, die Zahlung von Rodungsprämien an Winzer und ein Stopp bei der Vergabe neuer Pflanzrechte: Das sind drei Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, die gegenwärtige Krise des Weinbaus zu lindern. Der Rheingauer Weinbaupräsident Peter Seyffart hat sie auf der traditionellen Winterfachtagung des Verbandes mit der Forderung nach einer Stärkung der „Marke Rheingau“ verbunden. Denn „wer ohne Marke ist, der endet im Preiskampf“. Dass die Lage schwierig ist, bestätigte Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) in einer Videobotschaft, während er zeitgleich seinen Etat und damit auch die Fördermittel für den Weinbau in der Klausurtagung der CDU-Landtagsfraktion verteidigte. Der Preisdruck im Weinmarkt sei die Folge eines Ungleichgewichts zwischen Konsum und Produktion. Seyffardt sprach von einem globalen Überangebot an Wein mit der Folge eines ruinösen Preiswettbewerbs.

Zu spüren bekommen haben die Winzer dies im zurückliegenden Herbst, als die Fassweinpreis auf ein Niveau von 70 bis 80 Cent je Liter sanken und damit ein Niveau deutlich unterhalb der Produktionskosten erreichten. Seyffardt beklagte aber auch eine Zurückhaltung der Konsumenten. Die Gastronomie sei ein inzwischen schwächelnder Absatzkanal. Bei der Nachfrage gebe es zudem Polarisierung zwischen dem preisgünstigen Einstiegssegment und dem hochpreisigen Premium-Niveau zu Lasten des Mittelsegments.

Laut Seyffardt nahm die deutsche Rebfläche seit 1990 von 95.000 auf 103.000 Hektar zu, obwohl der Pro-Kopf-Verbrauch in den vergangenen fünf Jahren von 20,9 auf 19,3 Liter zurückging. Hinzu kommt, dass der Marktanteil der deutschen Erzeuger in Deutschland stetig zurückgeht. Allein in den drei Jahren seit 2021 ging der Anteil von 44,8 auf 41,1 Prozent zurück. Einer der Gewinner des Verdrängungswettbewerbs im global größten Weinimportmarkt war demnach Italien. Der Deutsche Weinbauverband hat laut Seyffardt inzwischen das Ziel ausgerufen, dass der deutsche Wein wieder einen Anteil am Inlandsmarkt von 50 Prozent erreicht, ab wie das gehen soll, ist dem Martinsthaler Winzer Seyffardt schleierhaft. Zumindest so lange, wie der preisbewusste Konsument am Weinregal im Supermarkt schon wegen einer Ersparnis von ein paar Cent eher zum ausländischen Erzeugnis greift. „Wir bekommen heute für den Wein weniger als 1995“, meint der Weinbaupräsident. Er würde sich deutlich mehr Weinpatriotismus unter den deutschen Konsumenten wünschen. Im Lebensmittelhandel gebe es für die hiesigen Erzeuger jedenfalls keine Unterstützung des Verbrauchers.

Seyffardt bescheinigt der ausländischen Konkurrenz eine in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesteigerte Qualität und ein innovatives Marketing. Dagegen habe der deutsche Wein „ein Imageproblem“. Unter den Jüngeren werde Wein zudem eher als traditionelles Getränk der Älteren wahrgenommen. Seyffardt beklagte zudem ein weit verbreitetes „Riesling-Bashing“, also eine herabsetzende, nicht gerechtfertigte Kritik an der Leitrebsorte des Rheingaus. Der Riesling sei aber nicht per se „sauer“. Er spiegele im Glas vielmehr wie keine andere Rebsorte ihre Herkunft, das Terroir, wider. Zudem sei der Riesling in der Lage, mit dem Klimawandel zurechtzukommen. Die Rebsorte, die im 19. Jahrhundert mit die teuersten Weine der Welt hervorgebracht habe, gehöre zu den Gewinnern des Klimawandels. Im Weinmarkt scheint diese Botschaft allerdings wenig Gehör zu finden. Den Winzer bereiten deshalb zunehmend nicht mehr bewirtschaftete Rebanlagen Sorgen, die zum Ausgangspunkt für die Ausbreitung von Schädlingen werden. Seyffardt forderte zudem eine Beschleunigung der Flurbereinigungsverfahren, die viel zu lange dauerten.

Die schwierigen Zeiten für die deutschen Winzer haben gerade erst begonnen, und eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Das ist die Einschätzung von Simone Loose von der Hochschule Geisenheim, die betriebswirtschaftliche Daten zahlreicher deutscher Weingüter auswertet. Die rechnet mit einer „weiterhin ökonomischen Stagnation“ und einem fortlaufenden Strukturwandel in der Branche. Die Konsolidierung im Weinfach- und Weingroßhandel sei noch lange nicht abgeschlossen. Für den Rheingau identifizierte Loose aber zwei ermutigenden Tendenzen: Viele Rheingauer Weingüter seien im Export „exzeptionell gut etabliert“, und eine internationale Bewegung hin zum Konsum von Weiß- und Schaumwein bedeute eine Chance gerade auch für Deutschland und seine Weißweine. Ob von dieser Tendenz beim Export auch der Riesling und nicht nur die weißen Burgunderweine profitieren, will Loose bald näher untersuchen. Riesling sei international gesehen „keine einfache Rebsorte“, weil er sowohl trocken als auch halbtrocken oder süß in die Flasche gefüllt werde. Ein Risiko seien zudem neue Handelshemmnisse unter dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Zu den Herausforderungen im Wettbewerb zählt Loose unter anderem die hohen Produktionskosten des Rheingaus im Vergleich mit anderen Anbaugebieten. Die große  Chance liege allerdings im Weintourismus und in der Zugehörigkeit zur kaufkraftstarken Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main. (aus meinem Bericht in der FAZ von der Winterfachtagung vom 15. Januar 2025)

Weinbau in der Krise

Made in Germany hat noch immer einen guten Ruf. Beim Wein deutscher Provenienz allerdings liegen die glorreichen Zeiten schon mehr als 100 Jahre zurück. Die Folgen von zwei verlorenen Weltkriegen und einer verfehlten Weingesetzgebung wirken heute nach. Dass die ausländischen Winzer heute offenbar genau wissen, was die Deutschen trinken wollen, und diesen Rebensaft obendrein günstiger anbieten können als die hiesigen Erzeuger, ist ein Problem. Vor allem in Zeiten, in denen der Verdrängungswettbewerb durch eine globale Überproduktion bei rückläufigem Konsum angeheizt wird. Dass die deutschen Winzer im eigenen Land stetig Marktanteile verlieren, ist Zeichen einer dramatischen Entwicklung. Würde der Export nicht ein Ventil eröffnen, die Lage wäre noch verheerender. Dabei sollte der Trend zu leichteren Weißweinen den deutschen Winzern in die Hände spielen. Doch Pinot Grigio und Prosecco stehen bei vielen Konsumenten höher in der Gunst ein trockener Riesling Kabinett oder ein halbtrockener Weißherbst. Zu traditionell, zu altbacken das Image.

Vor allem beim Marketing hinken die deutschen Erzeuger hinterher. Die Winzer, das ist in erster Linie eine wenig homogene Berufsgruppe aus Individualisten mit höchst unterschiedlichen Interessen. Das führt bisweilen zu einem Richtungsstreit, der die Schlagkraft schwächt. Dem Rheingau wäre schon geholfen, wenn die Weintrinker unter den 2,5 Millionen Einwohnern im Ballungsraum Frankfurt/ Rhein-Main zu Produkten aus der Region greifen würden. Doch das ist nicht der Fall. Weinpatriotismus kann nicht verordnet werden. Er bedarf mühsamer Überzeugungsarbeit, bei der sich die Winzer allerdings häufig selbst im Wege stehen. Es fehlt an Einigkeit, und es fehlt an überzeugenden Konzepten. Zudem versteht die ausländische Konkurrenz die Weinbedürfnisse der Deutschen offenbar sehr gut. Daran muss die Branche arbeiten, anstatt sich allzu oft selbst auf die Schulter zu klopfen.  (aus meinem FAZ-Kommentar vom 15. Januar 2025)

Das Weinjahr 2024 – eine Bilanz

Für viele Winzer war 2024 ein Jahr zum Abhaken. Der Absatz schwächelte wegen der Konsumzurückhaltung. Viele Weinlager sind zu voll, und die Fassweinpreise verharren seit dem Herbst auf niedrigem Niveau. Das Jahr bescherte den Winzer zwar nach den meist trockenen Sommern seit 2018 endlich wieder ausreichend Regen, aber phasenweise auch mehr Wasser als wünschenswert. Und der Spätfrost im April verdarb manchem Erzeuger schon im Frühjahr die Lust auf den Jahrgang.

Aus Sicht der Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes war das Weinjahr im Rheingau ein „ungewöhnlich nasses“, aber auch ein sehr warmes. Mitte Januar gab es zwar Dauerfrost, Eisregen und Schnee. Und während der kältesten Phase zwischen dem 19. und 21. Januar sanken die Temperaturen an den Rheingauer Wetterstationen bis minus zwölf Grad in Hochheim. Doch auf den Januar folgte der mit Abstand mildeste Februar seit Beginn der Geisenheimer Aufzeichnung im Jahr 1885. Insgesamt blieb der meteorologische Winter 2023/2024 in der fast 140 Jahren währenden Geisenheimer Reihe mit einer Abweichung von plus 2,4 Grad der zweitmildeste hinter dem Winter 2006/2007.

Der Frühling startete sehr mild und wechselhaft mit reichlich Regen. Schon am 11. April wurde in einem Referenzweinberg in Eltville der Austrieb der Reben beobachtet. Das birgt Spätfrost-Gefahren, und tatsächlich sanken die Temperaturen in den beiden Nächten zum 22. und 23. April auf minus zwei Grad. Verglichen mit den meisten anderen Weinanbaugebieten kam der Rheingau nach Ansicht der Meteorologen aber „einem „blauen Auge“ davon. Die Rebenentwicklung wurde allerdings ausgebremst und kam im nassen „Wonnemonat Mai“ nur langsam wieder in Gang. Fast alle Messstationen im Rheingau zeigten Monatssummen von mehr als 100 Millimetern Regen. Die Sonne verfehlte ihr „Frühlingssoll“ um fast 80 Stunden.

Es folgte ein feuchter und wechselhafter Sommer mit Gewittern, Starkregen und Hagel. In Frauenstein fielen im Juli 100 Millimeter Regen. Viel Regen und eine hohe Luftfeuchte begünstigen die Ausbreitung von Pilzkrankheiten. Bis Ende September war die Niederschlagssumme erreicht, die im Durchschnitt in Geisenheim im gesamten Jahr fällt. In der Vegetationsperiode (April bis Oktober) war mit 478 Millimeter Niederschlag ein Plus von 151 Millimetern verzeichnet worden. Ähnlich nass war es zuletzt in der Vegetationsperiode 2000. Der Vorteil: Die  Bodenwasservorräte wurden nach der seit 2018 zeitweise gravierenden Trockenheit erstmals wieder bis in tiefere Schichten aufgefüllt. „Dies ist allerdings kein Garant dafür, dass das Thema Trockenheit vom Tisch ist, sondern vielmehr eine Bestätigung der Zunahme extremer Verhältnisse“, so die Bilanz.

Viel Regen bedeutet einen hohen Aufwand für den Pflanzenschutz. Dabei waren jede Weingüter im Vorteil, die in den vergangenen Jahr in mehr Schlagkraft durch einen erweiterten Maschinenpark investiert hatten, um gegebenenfalls die Weinberge zügig spritzen zu können. Insgesamt mussten die Winzer deutlich öfter spritzen als in „normalen“ Jahren. „Im Jahr 2024 war ein optimaler Pflanzenschutz unter Einbeziehung aller möglichen, kulturtechnischen Maßnahmen Voraussetzung für gesundes Lesegut. Die Befahrbarkeit der Böden war durch die Niederschläge aber oft eingeschränkt“, so die Bilanz der Fachleute.

Die Rieslingernte hatte 2024 am 21. September begonnen. Das ist eine Woche später als 2023, jedoch zehn Tage früher als im dreißigjährigen Mittel. Das wechselhafte Wetter erschwerte die Bestimmung des idealen Erntezeitpunkts. Die Winzer hatten vor allem mit Oidium (Echter Mehltau), Peronospora (Falscher Mehltau) und Botrytis zu kämpfen. Eine selektive Lese sei deshalb besonders wichtig gewesen, um minderwertiges Lesegut auszusortieren und Muff- oder Bittertöne im Wein zu vermeiden.

Die ersten Weine des neuen wurden schon in Flaschen gefüllt und zur Qualitätsweinprüfung angestellt. Eine genaue Einschätzung der Erntemenge ist laut Weinbauamt noch schwierig, weil die Erträge stark von Lage, Rebsorte und der Sorgfalt bei der Bewirtschaftung der Weinberge  abhingen. Hinzu komme, dass einige Rebflächen erst gar nicht abgeerntet wurden, weil es sich nicht gelohnt hatte.

Verlässliche Zahlen gibt es erst nach der Traubenernte- und Weinerzeugungsmeldungen. Fazit des Weinbauamtes. Das Jahr 2024 habe abermals gezeigt, dass der Klimawandel den Weinbau präge und dass neben einer hohen Schlagkraft gut abgestimmte Maßnahmen im Weinberg und Keller wichtig seien. Trotz der Herausforderungen hätten viele Winzer durch gezielte qualitätssteigernde Maßnahmen wie eine selektive Lese und moderne Kellerwirtschaft gute bis sehr gute Qualitäten erzeugt. (aus meinem Bericht in der FAZ vom 7. Januar 2025)

Welchen Sekt wählt die KI zum Fest?

Die künstliche Intelligenz fackelt nicht lange. Die Aufgabe, sich in die Rolle eines versierten Sommeliers zu versetzen und dem Restaurantgast einen feinen Sekt deutscher Herkunft zu empfehlen, löst Chat GPT binnen zwei Sekunden: Die Triumvirat Grande Cuvée Brut von Winzersekt-Pionier Volker Raumland ist ein mindestens so guter Tipp wie der Rosé brut der Eltviller Sektmanufaktur Schloss Vaux. Für das intime Silvesterfest zuhause mit der Ehefrau erweitert die KI ihre Vorschläge um einen „Brut nature“ des Rheingauer Sekterzeugers F.B. Schönleber und des fränkischen Weinguts Geiger und Söhne. Und wenn das Geld nach Weihnachten dafür zu knapp sein sollte: Chat GPT nennt unter anderem Rotkäppchen-Mumm mit seinem Chardonnay Extra trocken und Henkells Blanc de Blancs Extra dry als günstige Alternativen.

Die Ratschläge künstlicher Intelligenz vor dem Griff ins Supermarktregal oder der Online-Bestellung werden bei Wein und Sekt immer bedeutender. „Die KI hält Einzug bei den Kaufentscheidungen“, bestätigt Christof Queisser vom deutschen Sektmarktführer Rotkäppchen-Mumm. Queisser hat kürzlich eine repräsentative Studie vorgestellt, wonach fast ein Drittel der 18 bis 29 Jahre alten Kunden und damit fast 19 Prozent aller Befragten positive Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz bei der Wein- und Sektauswahl gesammelt haben. Immerhin 20 Prozent vertrauen zudem auf Influencer, die im Internet ihre Meinung kundtun.

Dagegen setzt der Handel unvermindert auf den Preis als Lockmittel. Der Großhändler Metro lockt noch bis zum 18. Dezember mit Fürst-von-Metternich Riesling Sekt für 4,99 Euro je Flasche in seine Filialen, und er lobt dessen „Aromen von feinen Zitrusfrüchten, toller Mineralität und feinem Säurespiel“. Den günstigeren Konkurrenten „Henkell trocken“ gibt es bei Metro schon für 3,35 Euro, und Kaufland hatte gerade erst Deutschlands beliebtesten Sekt, Rotkäppchen, zum „Knüller-Preis“ von 2,69 Euro im Angebot. Einschließlich Sekt- und Mehrwertsteuer.

Dabei hatte Rotkäppchen – wie viele andere Sekthersteller – nach der Pandemie und dem Inflationsschock Preiserhöhungen durchgesetzt und den Eckpreis für Rotkäppchen-Sekt von 3,99 auf 4,99 Euro angehoben. Die Endverbraucherpreise allerdings macht der Handel, nicht der Sekterzeuger. Rund 50 Prozent der Sekte werden im Lebensmittel-Einzelhandel als preisreduzierte Aktionsware angeboten. Sekt als Lockvogel, das funktioniert noch immer.

Während die aktuelle Lage der deutschen Weinerzeuger als kritisch gesehen wird, geben sich die Sekthersteller gelassener. Nach Darstellung des Verbands Deutscher Sektkellereien mit Sitz in Wiesbaden zeigt sich in diesem Jahr die spürbare Konsumzurückhaltung „erfreulicherweise nicht im Sektmarkt“. Im Gegensatz zu Stillwein prognostizieren die verbandseigenen Erhebungen der Sektbranche für den Zeitraum Januar bis Oktober im Vergleich zum Vorjahr stabile Absatzzahlen mit Zuwächsen von etwa 0,6 Prozent.

Kleinere und mittelständische Betriebe, die jährlich weniger als fünf Millionen Flaschen Sekt produzierten, seien durch die wirtschaftliche Gesamtlage jedoch unter Druck geraten. Allerdings sei der Dezember mit Weihnachten, den Feiertagen und dem Jahreswechsel für die Branche unverändert von hoher Bedeutung. Das „Jahresendgeschäft“ könne das für kleineren Betriebe geschätzte Absatzminus von 0,7 Prozent noch in eine positive Zahl verwandeln, heißt es hoffnungsvoll beim Sektverband.

Im Inlandsgeschäft, das rund 88 Prozent des gesamten Sektabsatzes ausmacht, sowie im Export, haben Prestige-Schaumweine gute Marktchancen. Auch der Aperitifmarkt, der ohne prickelnde Sekte undenkbar sei, gewinne an Dynamik, heißt es. Weitere positive Akzente für den Sektmarkt sieht der Verband in alkoholfreien schäumenden Varianten. Im Jahr 2024 hätten die „schäumenden Getränke aus entalkoholisiertem Wein“, so die korrekte weinrechtliche Bezeichnung, ihren Aufwärtstrend fortgesetzt. Bis Ende Oktober habe die Nachfrage um rund zehn Prozent über dem Niveau des Vorjahres gelegen.  

„Nach unserer Einschätzung bleibt Deutschland 2024 ein Land der Sektliebhaber“, meint Verbandsgeschäftsführer Alexander Tacer. Genusskultur und Anlässe für geselliges Feiern würden auch in ökonomisch anspruchsvolleren Zeiten großgeschrieben. „Zudem erwarten wir, dass alkoholfreie Sektalternativen im Premiumsegment an Bedeutung gewinnen.“

Im langfristigen Vergleich allerdings hat die Sektlaune spürbar nachgelassen, wie kürzlich das Branchenmagazin Wein+Markt vorrechnete. Denn vor 30 Jahren tranken die Deutschen noch 443 Millionen Liter Schaumwein, 2023 waren es knapp 267 Millionen Liter. Der Pro-Kopf-Verbrauch sank somit von rund 5,5 Litern auf knapp 3,2 Liter jährlich, und das trotz steigender Bevölkerungszahl.

Gestiegen sind nicht die Kosten für Glas, Verpackungen und andere Materialien, sondern auch die Ausgaben für Energie, Logistik und Personal. Vor dem Hintergrund, dass die Gastronomie in einer schwierigen Lage ist und sie die Preise für Sekt und Champagner angehoben hat, erwies sich der Sektmarkt aber vergleichsweise als robust. Zur Absatzstabilisierung vor allem der großen Hersteller trugen die Aktionen im LEH maßgeblich bei. Allein zwischen Januar und Juli wurden laut Wein+Markt 46 Prozent der Schaumwein-Gesamtmenge über Promotionen verkauft. Zu den Verlierern zählte demnach Champagner, der 2023 rund 14 Prozent beim Absatz einbüßte und in diesem Jahr noch größere Verluste hinnehmen musste, während günstige Alternativen wie Crémant zulegten. Gut laufen sind Perlweine wie Prosecco, weil sie von der Sektsteuer von 1,02 Euro je Flasche ausgenommen sind.

Strategisch stehen Sekterzeuger wie Rotkäppchen-Mumm vor großen Herausforderungen. In der Branche ist von einem Generationenwandel die Rede, weil die „Generation Z“ mehr und mehr die Konsumentenschar prägt, während die „Boomer“ auf dem Rückzug sind. Rotkäppchen-Mumm hat durch repräsentative Befragungen herausgefunden, dass 57 Prozent der 18 bis 29 Jahre alten Deutschen mehr Getränke ohne oder mit reduziertem Alkoholgehalt im Angebot sehen wollen. Es mangelt dieser Generation demnach nicht an der Feierlaune und der Lust auf „selbstbestimmte Genuss-Momente“.

Rotkäppchen-Mumm reagiert mit einer Diversifizierung der Produktpalette. Vorstandschef Queisser kündigt für das Frühjahr eine „Fusion“ aus Limonade und Schaumwein an. Die „Secconade“ mit einem Alkoholgehalt 5,5 Volumenprozent wird es in den drei Geschmacksrichtungen Zitrus, Pink Grapefruit und Blutorange geben. Abgefüllt in 0,33 Liter-Flaschen soll der Trenddrink für die Generation Z. für 1,99 Euro auf den Markt kommen, ferner eine Variante mit zugesetzten Koffein, die sieben Prozent Alkohol aufweist. Die ersten Signale der Marktforschung lassen Queisser erwarten, dass die „Secconade“ am Markt ein beachtlicher Erfolg werden wird.

Auch deshalb ist Queisser im Hinblick auf das Geschäftsjahr 2025 sehr optimistisch. Mit dem laufenden Jahr sei er schon jetzt „mehr als zufrieden“, auch wenn ein Sekthersteller immer erst im Januar abrechne, so Queisser. Er stellt im Februar seine letzte Bilanz vor, denn nach zwölf Jahren tauscht der Manager Promille gegen Koffein, Sekt gegen Kaffee: Er tritt in die Geschäftsführung der Tchibo-Holding Maxingvest ein. (mein Bericht aus aus der FAZ vom 20. Dezember 24)

Rote Spitzenweine Südafrikas

Die 141. Probe der Kranenmeister zu Oestrich im Rheingau widmete sich diesmal herausragenden Rotweinen vom Kap. Genauer: den Bordeaux Blend-Kreationen mit häufig drei, aber auch bis zu sieben Rebsorten in der Cuvée. Ich habe dafür zusammengetragen, was mich seit Jahren konstant beeindruckt hat, beispielsweise die Hanneli R. von La Motte und The Gem von Waterford, aber auch Klassiker wie Meerlust Rubicon (leider Kork!). Ziemlich neu für mich war „Elevation 393“ von De Trafford, wo ich unbedingt mal eine Probe buchen muss. Großartig De Torens Fusion V., der in unserer Runde sogar den „Paul Sauer“ von Kanonkop klar hinter sich ließ. Ein perfekter Flight war Tokaras „Directors Reserve“ zusammen mit Ernie Els „Signature“ und „Rust en Vrede“ dessen Estate den Sieg davon trug. Noch besser: Rust en Vredes Auktionswein CWG aus dem Jahrgang 2016, da konnte auch der Main Blend von Anthonij Rupert nicht mithalten.

Glühwein – muss das sein?

Je kühler der Abend, desto größer das Verlangen nach einem wärmenden Glühwein. Für Stefan Keßler und Johannes Ohlig ist ein kalter Dezember gut fürs Geschäft. Denn die Stände der beiden Rheingauer Winzer gehören für die regelmäßigen Besucher des Wiesbadener Sternschnuppenmarktes zu den besonders beliebten Anlaufstationen. Keßler und Ohlig haben sich auf Winzerglühwein spezialisiert, und in den vier Wochen vor Weihnachten dreht sich bei ihnen alles um das beliebteste Getränk auf den deutschen Weihnachtsmärkten. Zwei von drei Weihnachtsmarktbesucher haben die feste Absicht, sich einen Becher zu gönnen. Nur rund ein Drittel lehnt die flüssige Kalorienbombe konsequent ab. ICH AUCH

Angebot und Nachfrage nach Winzerglühwein haben in den zurückliegenden Jahren zugenommen, bestätigt das in Mainz beheimate Deutsche Weininstitut, das den Gesamtkonsum in Deutschland auf 50 Millionen Liter schätzt: „Nahezu alle Anbieter berichten von steigenden Absätzen“. Die Verbraucher seien bereit, gute Qualität preislich zu honorieren. Entsprechend böten immer mehr Winzer Glühwein aus hochwertigen, teils reinsortigen Grundweinen nach alten Hausrezepten oder mit individuellen Gewürzmischungen an, heißt es. In einer Datenbank sind fast 270 Weingüter gelistet, die Winzerglühwein anbieten. Dabei halten sie sich laut Weininstitut häufig bei der Süßung zurück, um die Harmonie der Weinaromen mit den würzenden Zutaten besser zum Ausdruck zu bringen.

Für den Winkeler Winzer Ohlig ist dieser Befund nicht neu. Er ist seit 35 Jahren auf dem Wiesbadener Weihnachtsmarkt mit seinem Glühwein dabei und immer nah an den Wünschen der Kunden. Sein Anliegen war es schon bei den Anfängen, den Glühwein „nicht mit Süße zuzukleistern“, damit der Grundwein aus dem Rheingau noch geschmacklich zum Ausdruck kommt. Ohlig führt dabei die Rebsorten Cabernet Mitos, Dakapo und Spätburgunder zu einer harmonischen Cuvée zusammen, die feine Brombeeraromen zur Geltung kommen lässt.

Das Rezept für seinen „roten Klassiker“ hat Ohlig in 35 Jahren nicht verändert, doch der „Rote“ verliert langsam seine Dominanz. Rund 30 Prozent des Konsums entfallen in Wiesbaden inzwischen auf Glühwein aus weißen Rebsorten, rund zehn Prozent auf einen Rosé aus Spätburgunder. Beides werde gut angenommen, sagt Ohlig . Der Weiße vor allem von jenen Besuchern, die weniger Wert auf Süße in der Tasse legen, und der fruchtbetonte Rosé liegt ohnehin im Trend.

Ganz ähnlich sieht der Martinsthaler Winzer Stefan Keßler die Marktlage. Bei ihm hält sich die Nachfrage nach Weiß und Rot in der Glühweintasse sogar schon die Waage, während der Rosé noch eine Nische besetzt.

Das Weininstitut bestätigt die Entwicklung hin zu mehr weißen und rosafarbenen Spielarten des Glühweins. Im Aufwind seien zudem alkoholfreie Varianten. Auch das können Ohlig und Keßler bestätigen. Diese Nachfrage wachse, wenn auch verhalten.

Beide Winzer haben während der Corona-Pandemie aus der Not eine Tugend gemacht und ihren Glühwein in Flaschen und in die sogenannte Bag-in-Box für den häuslichen Genuss während des Lockdowns gefüllt. Das haben beide Winzer nach der Pandemie beibehalten, auch wenn der Absatz mit der Wiederzulassung der Märkte schnell zurückgegangen ist. Dass sich mancher Kunde am Stand noch eine Flasche für Zuhause mitnimmt, ist aber gar nicht so selten. Nach Einschätzung des Weininstituts „scheint sich der Glühweingenuss zu Hause zunehmend zu etablieren“, was mit einer „Premiumisierung“ des Angebots einhergehe.

Von der Industrieware in den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels unterscheide sich der Winzerglühwein schon geschmacklich, in der Regel durch weniger Süße und einen erkennbareren Weingeschmack. Trotz der Süße und Gewürze sind bei Winzerglühwein zudem Jahrgangsunterschiede erkenn- und schmeckbar. „Bei einem Naturprodukt gibt es immer Unterschiede“, sagt Keßler, und nach Ansicht von Ohlig tut der sehr gute Rotweinjahrgang 2023 auch der Güte des aktuell ausgeschenkten Glühweins gut.

An solchen Unterschieden haben die industriellen Anbieter kein Interesse, weil ihr Produkt möglichst immer gleich schmecken sollte. Zudem gibt es rechtliche Unterschiede. „Winzerglühwein“ darf nur heißen, was er aus eigenen Weinen vom Erzeuger zubereitet und je nach Rezept mit Zimt, Nelken, Sternanis, Orange und Gewürzen versetzt wurde. Laut Weingesetz ist Glühwein ein „aromatisiertes weinhaltiges Getränk“, das ausschließlich aus Rot-, Weiß- oder Roséwein hergestellt und gesüßt sowie gewürzt wurde. Der Zusatz von Alkohol ist ebenso verboten, wie der von Wasser oder Farbstoffen. Der vorhandene Alkoholgehalt muss mindestens sieben und darf höchsten 14,5 Volumenprozent aufweisen.

Für die Rosé-Spielart war 2022 wegen der gestiegenen Nachfrage sogar die  EU-Verordnung geändert. Diese Variante darf sowohl aus Roséwein als auch aus einer Cuvée von Rot- und Weißwein hergestellt werden. Letzteres ist für die Roséwein nicht zulässig. Wird alkoholfreier Wein mit Glühweingewürzen versetzt, darf er laut Weininstitut nicht als „alkoholfreier Glühwein“, sondern muss als „aromatisiertes Getränk aus alkoholfreiem Rotwein“ bezeichnet werden.

Wirtschaftlich ist der Winzerglühwein für die etablierten Erzeuger eine wichtige Einnahmequelle. „Das ist nicht mehr wegzudenken“, sagt Ohlig, der seinen Betriebsablauf auf diese vier Glühweinwochen im Jahr ausgerichtet hat und mit seiner Frau täglich im Stand steht. Auch für seinen Kollegen Keßler ist der Glühweinverkauf eine bedeutsame Größe in der Bilanz. Gerade in Zeiten des schwächelnden Weinverkaufs ab Hof ist Keßler „froh über jeden Liter, den wir verkaufen können“. (aus der FAZ vom 14.12.2024)

Weinimpressionen vom Kap

Knapp 1000 Kilometer binnen 8 Tagen mit 6 Freunden durch die südafrikanischen Weinlande getourt, zwischen Hermanus und dem Swartland 18 Weingüter besucht, in 14 wunderbaren Restaurants in Hermanus, Franschhoek, Stellenbosch, Paarl und Kapstadt gespeist und die Weinauswahl genossen, knapp 150 Weine verkostet und getrunken und viele neue Eindrücke gewonnen

Herausragend: Hamilton Russel, Bouchard Finlayson, Creation, Luddite, Beaumont, Wildekrans, Waterkloof, Vergelegen, Sadie Family, Leeu Passant/ Mullineux, Glen Carlou, Kanonkop, Kaapzicht, Pasarene, Kunjani

Unter den Restaurants ist es schwierig, eines herauszuheben, doch ist Reubens in Franschhoek immer eine Bank, der Lunch bei Creation ist ein grandioses Erlebnis (nehmt das Wein-Pairing!), und ein Abend im „Rock“ in Hermanus so etwas wie nach Hause kommen. Gleichwohl muss ich diesmal „La Colombe“ herausheben, das war kulinarisch ganz großes Kino, und die Weinauswahl extraordinär. Eben Sadie (Sadie Family) und Danie Steytler (Kaapzicht) haben uns ebenso wie Paul Barth (Kunjani) mit außerordentlicher Liebenswürdigkeit empfangen, die Verkostungen werden mir lange in Erinnerung bleiben, aber auch das Tasting bei Luddite (absolut lohnenswert!)

Neues aus dem Verkostungstagebuch

… wie gewohnt kurze Notizen über das, was zuletzt im Glas und bemerkenswert war…

Weingut Freimuth, Marienthal

2008 Riesling Charta Kabinett – aus der Schatzkammer des „Krug“ in Hattenheim. Großartig gereift, und perfekt zum Sauerbraten und zum geschmorten Reh

Jakob Jung, Erbach

die Jahrgangsverkostung im November ist immer in meinem Pflichtenheft, und das hat sich auch diesmal wieder als Aha-Erlebnis erwiesen. „Alte Reben“ und „Steinmorgen“ auf gewohnt hohem Niveau und eine echte Empfehlung. Reizvoller Vergleich: 2022 Hohenrain und Siegelsberg Riesling GG. Mein Favorit in diesem Stadium: Ganz klar Hohenrain.

Chat Sauvage Johannisberg

Auch hier Stand die jährliche Verkostung an, und das Bemerkenswerte ist, dass auch viele ältere Jahrgänge noch für Gaumen und Zunge bereitstehen. Als Chardonnay-Freund natürlich erstmal die Weißen: Chardonnay Rheingau und der dichtere, konzentrierte „Clos de Schulz“, dazu als Sekt die 2020 „Cuvée S“ (diesmal reinrassig Chardonnay) und Chardonnay brut. Sehr gut, und die Sekte sind genau das Richtige zum Jahreswechsel. Bei den Roten verfestigt sich der Eindruck des Vorjahres: Vor allem die Lorcher Pinots liegen genau auf meiner Linie in einem Weingut, in dem der „Höllenberg“ einmal nicht die erste Geige spielt.

Cantina Terlan, Südtirol

2019 Nova Domus Reserve – so sehr ich die Kellerei (u.a. für den Quarz und die Roten) schätze, doch diese Cuvée ist ein bisserl too much. Mächtig, voll, hoher Trinkwiderstand, ein Glaserl zum Essen, aber mehr geht nicht

Allendorf, Winkel

Nach längerer Pause endlich mal wieder im Brentanohaus Winkel, und mit einem 2017er Rüdesheimer Berg Riesling sehr fein in einen schönen Abend mit allerbesten Freunden gestartet, danach dann noch ein Berg Roseneck Riesling GG aus dem Jahrgang 2020 und zum Schnitzel 2020 Höllenberg Spätburgunder Versteigerungswein (11.0.3.2023), fertig ist ein gelungener Besuch…

Jülg, Pfalz

2020 Riesling trocken Springberg – ein toller Essensbegleiter, der mich an einen schönen Besuch in der Pfalz erinnerte, und Jülg ist eine Bank !

Neue Reben braucht das Land ?!?

Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit und einem kleinen CO2-Fußabdruck beschäftigt die Winzer in ganz Deutschland. Ob in den Weinbergen zur Erreichung dieser Ziele den neu gezüchteten, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwis, eine entscheidende Rolle zufällt, ist in der Branche allerdings noch umstritten.

Dabei liegen ihre Vorteile auf der Hand: Weniger Spritzvorgänge in der Vegetationsphase der Reben bedeuten auch weniger Traktorfahrten in den Rebzeilen, weniger Dieselverbrauch und weniger Bodenverdichtung. Ihr gewichtiger Nachteil: die Akzeptanz beim Kunden für Rebsorten wie Calardis blanc, Divico oder Muscaris ist noch gering und der Erklärungsbedarf den Winzer zu hoch.

Dennoch: Anlässlich des Jubiläums der Mainzer Weinbörse hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) im Frühjahr in seiner Festansprache dafür plädiert, den Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten zu forcieren, auch für deutsche Spitzenweine. In dem von Riesling und Spätburgunder geprägten Rheingau ist die Neigung, diesem Appell zu folgen, bislang geringer als in anderen Anbaugebieten. In Deutschland sind bislang rund drei Prozent der gut 100.000 Hektar Rebfläche mit Piwis bepflanzt. Im Rheingau weniger als 0,5 Prozent, an der Hessischen Bergstraße sind es 3,5 Prozent.

Zu den wenigen Erzeugern, die mit Piwi-Sorten der nächsten Generation wie Cabernet Blanc oder Souvignier gris experimentieren, zählen auch die Hessischen Staatsweingüter. Das Weingut Prinz von Hessen, das gerade erst auf Ökoweinbau umgestellt hat, sammelt auf drei Prozent der 35 Hektar erste Erfahrungen. Auch kleinere Weingüter wie Prana in Winkel und Engelmann-Schlepper in Martinsthal zeigen sich aufgeschlossen und berichten von guten Erfahrungen.

Aus Erzeugersicht gibt es keinen Anlass zögerlich zu sein. Das meint Reinhard Antes, der an der Bergstraße auf großer Fläche Reben veredelt. Er hat 450 Rebsorten und Klone im Angebot, darunter 75 Piwis, und liefert jährlich 2500 Weingütern in 40 Ländern mehr als 1,4 Millionen Reben zur Neupflanzung. Mehr als die Hälfte der verkauften Reben entfällt inzwischen auf Piwis, sagte Antes kürzlich auf einer Sitzung des Hauptausschusses des Rheingauer Weinbauverbandes.

Antes sieht Piwis als „Baustein der Nachhaltigkeit“. Um ihre Verbreitung zu fördern, schlägt er vor, nicht den Anbau dieser Rebsorten finanziell zu fördern, sondern die Vermarktung. Das ist auch seiner Sicht wegen zögerlicher Kunden und „schwieriger“ Namen der neuen Rebsorten nötig. Denn bei Blindverkostungen zeigten sich die Piwis nicht im Nachteil gegenüber den herkömmlichen Sorten: „Sie sind nicht schlechter im Geschmack“, sagt Antes.

Er warnte die Winzer aber davon, beim Anbau darauf zu hoffen, sich den Pflanzenschutz ganz sparen zu können. Das sei nicht der Fall, meint Antes, der nicht von resistenten, sondern von pilztoleranten Rebsorten spricht. Denn Krankheitserreger mutierten und fänden bisweilen Wege, vor allem einfache Resistenzen, wie sie die Rebsorten Regent aufweist, zu überwinden. Ziel sind daher mehrfach-resistente Sorten.

Zu ihnen zählen beispielsweise Sauvitage, Sauvignac und Souvignier gris. Letzterer ist nach Ansicht von Antes aktuell „klar die Nummer eins“ unter den Piwis und gut geeignet, den Grauburgunder zu ersetzen. Dieser habe ohnehin den Höhepunkt seines Booms beim Verbraucher hinter sich. Calardis blanc wiederum hat einen Riesling-ähnlichen Geschmack, und Cabernet blanc könnte auf den Müller-Thurgau folgen, der laut Antes ohnehin „der Verlierer des Klimawandels“ ist. Souvignier gris sei der „Grauburgunder der Zukunft“, habe viele positive Eigenschaften und vor allem eine gute Akzeptanz beim Kunden.

Bis auf Souvignier gris rät Antes aber, keine reinsortigen Piwi-Weine mit dem Namen der Sorte auf dem Etikett anzubieten. Die Winzer sollten vielmehr Cuvées unter einem Fantasienamen kreieren. Seiner Ansicht nach wird es im Weinbau ohne Piwis nicht mehr gehen. Vor allem die Ökowinzer sollten schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit möglichst viele Piwis anpflanzen.     

Ähnlich hatte sich schon zu Jahresbeginn bei der Weinbaufachtagung im Rheingau der Marktforscher Christoph Kiefer von der Hochschule Geisenheim geäußert. Piwis hätten gute Chancen auf dem Markt. Vielleicht nicht bei den in ihren Geschmacksvorlieben verhafteten „Traditionalisten“ und auch nicht bei ausgewiesenen Kennern. Wohl aber in den Zielgruppen der „aufgeschlossenen Frauen“, der „jungen Weininteressierten“ sowie derjenigen, die sich der Gesundheit und Nachhaltigkeit verschrieben hätten. Sie alle sind laut Kiefer wenig kontaktscheu im Hinblick auf neue, „nachhaltige Rebsorten“. Vor allem dann nicht, wenn sie frankophile Namen wie Souvignier gris oder Sauvignac tragen. Aber auch Kiefer gab zu, dass es leichter ist, Piwis in  Weincuvées zu „verstecken“ anstatt sie offensiv anzubieten.

Die Zurückhaltung der Rheingauer Winzer war dennoch auch im Hauptausschuss spürbar. „Nicht, solange ich noch verantwortlich bin“, sagte beispielsweise ein Betriebsleiter. Zudem sind viele seiner Kollegen noch der Überzeugung, dass der Riesling eine für die Zukunft gut geeignete „Klimarebsorte“ ist, sofern der richtige Klon im geeigneten Weinberg gepflanzt worden ist. (aus der FAZ vom 28. November 2024)