Made in Germany hat noch immer einen guten Ruf. Beim Wein deutscher Provenienz allerdings liegen die glorreichen Zeiten schon mehr als 100 Jahre zurück. Die Folgen von zwei verlorenen Weltkriegen und einer verfehlten Weingesetzgebung wirken heute nach. Dass die ausländischen Winzer heute offenbar genau wissen, was die Deutschen trinken wollen, und diesen Rebensaft obendrein günstiger anbieten können als die hiesigen Erzeuger, ist ein Problem. Vor allem in Zeiten, in denen der Verdrängungswettbewerb durch eine globale Überproduktion bei rückläufigem Konsum angeheizt wird. Dass die deutschen Winzer im eigenen Land stetig Marktanteile verlieren, ist Zeichen einer dramatischen Entwicklung. Würde der Export nicht ein Ventil eröffnen, die Lage wäre noch verheerender. Dabei sollte der Trend zu leichteren Weißweinen den deutschen Winzern in die Hände spielen. Doch Pinot Grigio und Prosecco stehen bei vielen Konsumenten höher in der Gunst ein trockener Riesling Kabinett oder ein halbtrockener Weißherbst. Zu traditionell, zu altbacken das Image.
Vor allem beim Marketing hinken die deutschen Erzeuger hinterher. Die Winzer, das ist in erster Linie eine wenig homogene Berufsgruppe aus Individualisten mit höchst unterschiedlichen Interessen. Das führt bisweilen zu einem Richtungsstreit, der die Schlagkraft schwächt. Dem Rheingau wäre schon geholfen, wenn die Weintrinker unter den 2,5 Millionen Einwohnern im Ballungsraum Frankfurt/ Rhein-Main zu Produkten aus der Region greifen würden. Doch das ist nicht der Fall. Weinpatriotismus kann nicht verordnet werden. Er bedarf mühsamer Überzeugungsarbeit, bei der sich die Winzer allerdings häufig selbst im Wege stehen. Es fehlt an Einigkeit, und es fehlt an überzeugenden Konzepten. Zudem versteht die ausländische Konkurrenz die Weinbedürfnisse der Deutschen offenbar sehr gut. Daran muss die Branche arbeiten, anstatt sich allzu oft selbst auf die Schulter zu klopfen. (aus meinem FAZ-Kommentar vom 15. Januar 2025)