Wird der Rheingau ein Flickenteppich?

Weinbau in der Krise: Für die Winzer im Rheingau kommt es dicke. Während die Kosten steigen, wird es immer schwieriger, ausreichend Kunden zu finden. Welche Folge hat der mangelnde Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebote auf die Kulturlandschaft? Der Rheingau bot nicht immer ein nahezu geschlossenes Bild voller Rebstöcke. Über Jahrhunderte war die Landschaft kleinteiliger und stärker als heute parzelliert. Es dominierte eine bäuerliche Mischnutzung. Der Weinbau spielte eine wichtige, aber nicht die alleinige Rolle. Ein Weg zurück in jene Zeit scheint nicht völlig ausgeschlossen. Skeptiker rechnen damit, dass bis zu 700 Hektar und damit fast ein Viertel der Rebfläche von heute rund 3100 Hektar in den kommenden Jahren gerodet werden könnte. Denn die Zeichen der globalen Weinkrise sind im Rheingau sichtbar. Die ökonomischen Signale erscheinen eindeutig.

Bei einer Umfrage des Weinbauverbands unter seinen Mitgliedsbetrieben in diesem Frühjahr wurde dem Vorstand berichtet, dass nicht mehr alle Flächen, die durch in den Ruhestand gehende Winzer frei werden, weiterhin bewirtschaftet werden können. Der Flächenhunger vieler Erzeuger, der in den vergangenen Jahren die Pacht- und Kaufpreise auf ungeahnte Höhen steigen ließ, scheint absehbar gestillt.

Wo gerade – wie zwischen Erbach und Hattenheim – die Flurbereinigung läuft, ist die Lage prekär. Winzer zögern, die neu geordneten Weinberge neu mit Rebstöcken zu bestellen, denn die Kosten sind hoch und die Absatzerwartungen gedämpft. Es gebe Verpächter, die ihre Weinberge den Winzern sogar unentgeltlich anböten, weil sie aktuell keine neuen Pächter finden, hieß es im März im Hauptausschuss des Weinbauverbands. Aus Oestrich wird eine „dramatische Flächenaufgabe“ berichtet. Gleichzeitig sorgen sogenannte Drieschen für Ärger: Das sind nicht mehr bewirtschaftete und verwilderte Weinbergsparzellen, die zum Ausgangspunkt für Schädlinge und Pflanzenkrankheiten werden können.

Sie sind die Symptome einer Weinkrise, die vor dem Rheingau trotz der die Region prägenden, direktvermarktenden Weingüter mit treuem Kundenstamm nicht Halt macht. Die Destillation überschüssiger, nicht verkäuflicher Mengen, wie sie 2023 in Württemberg im Volumen von acht Millionen Litern Trollinger und Portugieser vollzogen wurde, ist für Christian Schwörer nur bei konjunkturellen, nicht aber bei strukturellen Problemen eine Möglichkeit. Der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands sprach sich bei der Premiere des neuen Podcasts der Hochschule Geisenheim „Wein im Wandel“ für eine Flächenreduktion aus. An einem Anbaustopp auf neuen Flächen scheint ohnehin kein Weg vorbeizuführen.

Simone Loose, Betriebswirtschafts-Professorin und Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft, bringt die Gründe der Misere auf den Punkt: sinkende Haushaltseinkommen und gedämpfte Konsumfreude der Verbraucher, steigende Kosten für Energie und Arbeit bei den Erzeugern in Verbindung mit einer seit mehr als zehn Jahren andauernden globalen Überproduktion. Das hat Folgen. Eine schnelle Besserung ist nach ihrer Ansicht nicht in Sicht. Die Winzer sollten besser nicht nur von einer kleinen „Delle“ in der Absatzentwicklung ausgehen.

Zwar ist das im Jahr 2024 gemessene Delta zwischen globaler Weinproduktion (226 Millionen Hektoliter) und Weinkonsum (214 Millionen Hektoliter) geringer als bei einigen Jahrgängen zuvor, doch ein neues Marktgleichgewicht ist noch nicht erreicht. Die Trinkfreude hat das niedrigste Niveau seit 1961 erreicht. Die Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV) sieht die Ursachen unter anderem in den Folgen der Inflation, einem veränderten Lebensstil, veränderten sozialen Gewohnheiten und dem Verbraucherverhalten in der jüngeren Generation. Innerhalb Europas sank der Weinkonsum 2024 um 2,8 Prozent auf knapp 104 Millionen Hektoliter. Die Folge dieser Entwicklung sind unter anderem ruinöse Preise auf dem Fassweinmarkt, auf dem sich große Kellereien bedienen, um günstige Weine in die Regale stellen zu können.

Nach Angaben von Hans Rainer Schultz, dem Präsidenten der Hochschule Geisenheim, hat Frankreich für die Rodung von inzwischen 27.000 Hektar Rebfläche fast 110 Millionen Euro aufgewendet. Die Kehrseite dieser Marktentlastung: Laut Schulz werden dadurch bis zu einer Million Tonnen Kohlendioxid in die Umwelt freigesetzt. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts verursacht die Emission jeder Tonne Kohlendioxid rechnerische Schäden in Höhe von rund 180 Euro. Andere Institutionen setzen noch höhere Beträge an. Mithin eine Marktentlastung zu Lasten der Umwelt?

Bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Weinbauverbandes in Geisenheim beklagte Präsident Klaus Schneider in der vergangenen Woche, dass der Pro-Kopf-Konsum seit 2020 um zwei Liter gesunken ist. Die Zahl der Weintrinker sei seit 2018 sogar um zehn Prozent zurückgegangen, die der Weingüter seit 2013 um 24 Prozent. Besonders gravierend für die deutschen Erzeuger: Sie büßen in einem schrumpfenden Markt ihre Stellung stärker ein als die Konkurrenz. Denn der deutschen Winzer Marktanteil ist inzwischen auf 42 Prozent zurückgegangen, weil die preissensiblen Kunden eher zu ausländischen Weinen greifen, wenn diese günstiger angeboten werden. Und viele ausländische Erzeuger haben deutlich günstigere Produktionsbedingungen. Laut Schneider sind es gerade die gutverdienenden Wohlstandsbürger im gesetzten Alter, die beim Kauf immer zurückhaltender werden. Zu allem Überfluss rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung vom Alkoholgenuss ab.

Die Weinbranche wird damit zurechtkommen müssen, dass die Alterskohorte der bislang regelmäßigen Weingenießer aus ihrer starken Konsumphase sukzessive rauswächst. Was danach kommt, gibt den Winzern wenig Anlass zur Hoffnung. Der Export gilt zwar als Chance, hochwertige Weine zu ordentlichen Preisen zu verkaufen. Doch die erratische Zollpolitik des US-Präsidenten Trump lässt eine verlässliche Strategie beim Übersee-Export kaum zu.

Weinbaupräsident Schneider beklagt zudem einen wachsenden bürokratischen Aufwand für Winzer. Alles zusammen bringt immer mehr Weingüter an ihre Belastungsgrenze und setze die Branche massiv unter Druck. Darunter fällt die erwartete Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro im Jahr 2026. „Das können wir nicht akzeptieren“, sagt Schneider und verweist auf eine Erhöhung um 76 Prozent binnen zehn Jahren. Doch Ausnahmen für den Weinbau sind kaum zu erwarten. Vorschläge zur Neuregelung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung verhallten in der Politik bisher wirkungslos. Die versprochene Entbürokratisierung bleibe aus: „Wir können es nicht mehr hören, weil wir es nicht mehr glauben.“

Wie auf die Krise reagieren, wenn sich bei einer Dauerkultur wie dem Wein die Erntemengen nicht auf Knopfdruck regulieren lassen? Die Antwort des Deutschen Weinbauverbands lautet Rotationsbrache. Dieses Konzept sieht vor, dass Weinberge temporär nicht bewirtschaftet werden müssen, dabei aber die Pflanzrechte zur jederzeitigen Neuanlage erhalten bleiben. In der Zwischenzeit könnten auf den Weinbergen eigens angelegte Blühflächen dem Artenschutz dienen. Wenn sich die geschlossenen Weinlandschaften deshalb wieder in einen Flickenteppich verwandeln sollten, erwartet der Weinbauverband aber eine Kompensation des Bundes von rund 2000 Euro je Hektar und Jahr.

Im Land Hessen hat der Weinbauverband dabei die Unterstützung des Landes Hessen, auch wenn Weinbauminister Ingmar Jung (CDU) bislang keine konkreten Beträge zusagen will. Jung geht es vor allem um den Erhalt der Steillagen als prägendes Element der Kulturlandschaft und als Argument für den Weintourismus. Von der Hochschule Geisenheim kam inzwischen der Vorschlag einer ökologischer  Umgestaltung der Weinberge zulasten der Produktionsmenge und zugunsten von mehr Artenvielfalt. Zudem gibt es im Rheingau Versuche, mit mobilen Sonnenkollektoren über den Rebflächen Solarenergie zu gewinnen.

Minister Jung ist mit der Krise des Weinbaus auch als Aufsichtsratschef der Hessischen Staatsweingüter unmittelbar befasst.  Dem Vernehmen nach hat der als GmbH organisierte Staatsbetrieb im vergangenen Jahr einen Verlust in Millionenhöhe eingefahren. Er soll deshalb grundlegend und unter Verringerung der Rebfläche neu geordnet werden. Ein entsprechendes Gutachten soll bis Mitte Juni vorliegen und wird im Rheingau mit Spannung erwartet. Denn anders als noch vor vier Jahren, als Schloss Schönborn die eigene Weinerzeugung im Rheingau aufgab, gibt es keine Gedränge der Winzer um die Flächen. Das Land und sein Weingut trifft die Weinkrise zum ungünstigsten Zeitpunkt.   

500 Jahre Neroberger

Zwei Mal im 20. Jahrhundert hatte der „Neroberger“ Riesling einen großen Auftritt: Im Mai 1907 wurde Kaiser Wilhelm II. von Wiesbadens Bürgermeister Carl von Ibell in einem imposanten Trinkkrug eine „1893er Neroberger feinste Trockenbeer-Auslese“ gereicht. Anlass für den „Ehrentrunk“ war die Eröffnung des Kurhaus-Neubaus. Eine Flasche jenes Jahrhundertjahrgangs, eine 1893er Neroberger Trockenbeerenauslese, erzielte knapp 80 Jahre später bei einer Versteigerung im Kloster Eberbach einen Preis von 35.000 Mark. Der Wein zählte damit zu den teuersten der Welt. Das sind nur zwei von vielen Episoden über den Neroberg, die der Weinhistoriker und FAZ-Redakteur Daniel Deckers im Vorfeld der Feier „500 Jahre Neroberg“ aus den Archiven belegt hat.

Es ist eine wechselvolle Weinbergs-Geschichte zwischen Blütezeit und drohender Rodung. Die Urbarmachung und Bepflanzung des Südwesthangs oberhalb der Siedlung Wiesbaden ist im Oktober 1937 in einer weinhistorischen Abhandlung im Wiesbadener Tagblatt ausführlich, aber nicht immer korrekt beschrieben worden. In Wiesbaden hatte es zu jener Zeit schon in Schierstein und Sonnenberg Rebgärten gegeben. Angenommen wird, dass zu jener Zeit – kurz nach den Bauernkriegen und der Leerung des Großen Fasses in Kloster Eberbach – die Grafen von Nassau nicht allein dem Bistum Mainz den Weinbau in der Region überlassen wollten.

Erst für das Jahr 1720 folgt der nächste Beleg für den Weinbau auf dem Neroberg durch Schriften von Heinrich Wilhelm Dahlen, dem aus Lorch  stammenden Generalsekretär des Deutschen Weinbau-Vereins. 1830 wurde der herzogliche Weinberg durch den Kauf angrenzender Parzellen vergrößert. Sie wurden zusammen nach und nach mit  Riesling neu bepflanzt. 1854 zählte der „Neroberger“ zwar zu den „ausgezeichneten Weinen und Jahrgängen“ des Herzoglich-Nassauischen Cabinets-Kellers, doch nicht zu „bedeutendsten Weinbergslagen im Rheingau“.

1866 lösten die Preußen die Nassauer als Eigentümer der Weinbaudomänen im Rheingau ab. Zum Ende des 19. Jahrhunderts schien beinahe das Ende des Nerobergs als Weinlage gekommen. Die Preußen erwogen, ihre Rebflächen zu veräußern. Wiesbaden mochte sich mit einer möglichen Bebauung des Steilhangs aber nicht anfreunden. Stattdessen griff die Stadt zu und kaufte den Weinberg.

Nach den Recherchen von Deckers lautete die Forderung des preußischen Fiskus für etwa 20 Morgen Land 250.000 Mark. Das Geld konnte Preußen gut gebrauchen, denn zuvor hatte der Fiskus für 19 Hektar bester Weinberge in den Gemarkungen Eltville und Rauenthal 1,12 Millionen Mark ausgegeben.  

„Insgesamt kann der Preis von etwa fünf Mark pro Quadratmeter (25 Mark pro Ruthe) für damalige Verhältnisse als durchaus üblich bezeichnet werden“, so Deckers. Eigentlich wollte Wiesbaden nach der Übernahme den Neroberg aufteilen und an Bürger verpachten. Doch mangels Interessenten, so Deckers, musste die Stadt die Bewirtschaftung unfreiwillig in Eigenregie übernehmen. Das gelang ihr zumindest zeitweise recht ordentlich. Zu höchsten Ehren gelangte die Weinqualität nie.

In der Weinkarte des Wiesbadener Kurhaus wurde der Neroberg als „Vorposten des Rheingauer Weinbaus“ gewürdigt. Unterlegt wurde laut Deckers das Lob mit zwei „Original-Abfüllungen der Stadt Wiesbaden“ aus dem großen Jahrgangs 1921. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg galt die Qualität eher als mäßig. „Ob das Weingut der Stadt jemals profitabel war oder jemals werden sollte, wäre im Detail noch zu ergründen. Wer auf das Gegenteil wetten wollte, dürfte gute Chancen haben zu gewinnen“, schreibt Deckers in seiner Chronik.

Vor allem die Vermarktung gelingt der Stadt eher schlecht als recht. 2005 zieht sie die Notbremse und gewinnt die Staatsweingüter Kloster Eberbach als Pächter der vier Hektar großen, seit 1985 denkmalgeschützten Weinbergs. „Nun wächst zusammen, was einst zusammengehörte“, so Deckers. Auch vom Klimawandel profitiert die eher kühlere Lage, die inzwischen von den Prädikatsweingüter als „Erste Lage“ klassifiziert worden ist.

Staatsweingüter-Geschäftsführer Dieter Greiner nennt den Neroberg ein „lebendiges Denkmal“ und eine „Lage mit Zukunft“ trotz ihrer schwierigen Bewirtschaftung zwischen Siedlung und Opelbad. Greiner übergab Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) eine Rebstockpacht, die ihm bis 2020 jährliche eine Flasche als Zinsen gewährt. Der 2025er wird zudem ein historisches Sonderetikett tragen. Mende selbst nannte es eine weise städtebaulich Entscheidung, seinerzeit durch den Kauf eine Bebauung verhindert zu haben. Mende hatte zur Feierstunde den frisch polierten Kelch im Gepäck, aus dem einst der Kaiser getrunken hatte, und Greiner öffnete aus der Schatzkammer eine 1893er Neroberger Auslese. Die erwies sich als frisch und elegant und echte Werbung für die Langlebigkeit der Weine aus herausragenden Jahrgängen. (FAZ vom 6. Juni)

Schluss mit dem Wein-Bashing!

Paracelsus hatte Recht: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Ein moderater, maßvoller Konsum ist in vielerlei Hinsicht die Basis eines gesunden Lebensstils. Egal ob es um Zucker, Fett oder Alkohol geht. Dass Ethanol ein Zellgift ist, wird seriös niemand bestreiten wollen. Dass der Alkohol im Wein vom ersten Schluck an unwiederbringliche Schäden anrichtet, aber schon.

Die Winzer kämpfen seit langem gegen einen exzessiven Genuss. Sie haben 2007 die Aufklärungs- und Informationskampagne „Wine in Moderation“ initiiert, die in mehr als 40 Ländern aktiv ist. Dass Alkoholmissbrauch eine ernste Gefahr ist, gehört ebenso zum Kern dieses Schulungs- und Ausbildungsprogramms wie die Botschaft, das Schwangere, Kinder- und Jugendliche sowie Verkehrsteilnehmer tunlichst Verzicht üben sollten.    

Der unerwartete Kurswechsel der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hat die Winzer irritiert und die Weintrinker verunsichert. Denn die neue Position, dass es keine risikofreie Menge für einen unbedenklichen Konsum gebe, ist wissenschaftlich hoch umstritten und in ihrer vermeintlichen Eindeutigkeit so nicht haltbar. Seriöse Kardiologen, Internisten und Ernährungswissenschaftler haben gerade erst in Geisenheim nicht nur nachvollziehbare Zweifel an der Datenbasis geäußert, mit der die DGE ihren Positionswechsel begründet hat. Sie können vielmehr auf eine Fülle aktueller Studien mit gegenteiliger Botschaft verweisen.

Demnach sind positive Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System medizinisch eindeutig belegt. Gerade bei Menschen im Alter jenseits der 40 Jahre. Bei moderatem Konsum gebe es zudem keinerlei Anzeichen für ein erhöhtes Risiko für Krebs oder Demenz, versichern die Wissenschaftler und Mediziner. Zumal Krebs als multikausale Erkrankung gilt. Der Ausbruch einer Krebserkrankung somit von vielen Faktoren abhängig ist, die kaum zu isolieren sind. Nicht nachvollziehbar ist für die Weinbranche zudem, dass die DGE keinerlei Unterschiede bei der Bewertung der Art der alkoholischen Getränke macht. Denn solche Unterschiede gibt es durchaus.   

Mit ihrer Verteufelung des Alkohols tut sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung keinen Gefallen. Zweifel an den Empfehlungen wurden schon im vergangenen Jahr laut, als sich die Bürger auf ein Frühstückei pro Woche beschränken sollten. Nicht aus gesundheitlichen, sondern aus umweltpolitischen Gründen. Da liegt der Verdacht nahe, dass auch beim Alkohol-Bashing nicht nur um die Gesundheit der Bürger geht. (mein Kommentar aus der FAZ)

Weintrinker leben doch länger

Die Deutsche Weinakademie fährt wissenschaftliche Expertisen auf, um fragwürdige Daten zum Alkoholkonsum auf den Prüfstand zu stellen. Studien belegen positive Wirkungen für ältere Weintrinker

Die gut gemeinten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für einen gesunden Lebensstil erfahren in breiten Bevölkerungsschichten meist so wenig Widerhall und Aufmerksamkeit wie die mahnenden Botschaften der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Wenn sich aber ein Fernsehdoktor und Entertainer wie Eckart von Hirschhausen vor Millionen Fernsehzuschauern als Lautsprecher der Botschaft zu Verfügung stellt, jeder einzige Tropfen Alkohol sei gesundheitsschädlich, dann sind Schlagzeilen garantiert.

Die deutschen Winzer trifft die öffentliche Kampagne gegen Promille im Blut in einer Phase, in der globale Überproduktion auf rückläufigen Konsum trifft und Weinberge stillgelegt oder gerodet werden müssen. Die Deutsche Weinakademie kanalisiert nicht erst seit der Hirschhausen-Sendung die wissenschaftlichen Zweifel an den Datenerhebungen und Schlussfolgerungen von WHO und DGE, auf die sich Hirschhausen bezieht.

Ein Kritikpunkt lautet: Daten und Empfehlungen aus Kanada seien eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen worden. Dabei, so der Ernährungswissenschaftler Nicolai Worm, habe selbst die kanadische Regierung die Erkenntnisse des kanadischen Instituts für Suchtforschung wegen methodischer Mängel nicht übernommen, sondern ähnliche Empfehlungen wie die nationale Medizin-Akademie der Vereinigten Staaten veröffentlicht: Demnach geht ein moderater Konsum von Alkohol (14 Gramm täglich für Frauen, 28 Gramm täglich für Männer) bei Männern mit einer Risikosenkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um 18 Prozent und der Gesamtsterblichkeit um 16 Prozent einher. Bei 40 Jahre und älteren Menschen entfalte sogar ein noch höherer Alkoholkonsum positive Wirkungen.

Studien zeigten, dass es bei moderatem Konsum „keinerlei Anzeichen für ein erhöhtes Risiko für Krebs, Demenz und Herzerkrankungen“ gebe und die Gesamtsterblichkeit nicht höher sei. Eine Studie aus Großbritannien („UK-Biobank“) mit 350.000 Probanden habe belegt, dass „für Weintrinker sogar mit übermoderaten Tagesdosen kein signifikantes Krebsrisiko erkennbar“ sei.

Worm kommt zu dem Fazit: „Leichter bis moderater Weinkonsum zu den Mahlzeiten, vorzugsweise im Rahmen einer mediterranen Ernährung und einer gesunden Lebensweise, reduziert nach bester verfügbarer Evidenz bei den meisten Menschen im mittleren und höheren Alter das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und die Gesamtsterblichkeit und erhöht nicht das Krebsrisiko. Es sollte für die meisten mit hoher Wahrscheinlichkeit als sicher angesehen werden.“

Das bestätigt der österreichische Kardiologe Dirk von Lewinski. Die Diskussion über Alkohol habe „teilweise das stabile wissenschaftliche Fundament verlassen“, lautet seine Kritik. Dazu zählt, dass die kanadischen Empfehlungen zum Alkoholkonsum auf einer Veröffentlichung der von der Gates-Stiftung finanzierten „Global Burden of Disease Study“ von 2018 beruhen, wonach es „keine risikoarme Alkoholdosis und keine gesundheitlichen Nutzen gebe“. Die gleichen Autoren kommen vier Jahre später aber zu ganz anderen Ergebnissen. Darauf wies in Geisenheim der Internist Kristian Rett hin. In der Zweitfassung der Studie von 2022 werde festgehalten, dass bei den über Vierzigjährigen ein moderater Alkoholkonsum mit einem Überlebensvorteil und einem geringen Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Diabetesrisiko verbunden sei. Die WHO habe diese Kehrtwende der Autoren ignoriert. Rett verweist zudem auf eine spanische Studie, wonach die Teilnehmer mit einem niedrigem bis moderatem Weinkonsum gegenüber den lebenslang Abstinenten ein um 50 Prozent geringeres Risiko haben, in den nächsten neun Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Auch nach Lewinskis Daten „erscheint der Nutzen mäßigen Alkoholkonsums für die kardiovaskuläre Gesundheit positiv“, vor allem bei 45 Jahre und älteren Weingenießern. Ähnlich wie Worm kritisiert Lewinski, dass WHO und DGE nicht nach der Art der alkoholischen Getränke differenzieren. Wein habe vermutlich wegen der pflanzlichen Inhaltsstoffe (Polyphenole) zusätzliche positive Effekte. „Wein ist mehr als Wasser und Alkohol“, sagt Worm. Die kanadischen Studien berücksichtigten zudem weder den individuellen Lebensstil noch bedeutende Faktoren wie Bewegungsmangel oder Übergewicht.

Die Weinakademie kritisiert den „offensichtlichen Einfluss“ der Anti-Alkohol-Lobby auf die WHO. Wer bis zu zwei Gläser am Tag trinke, senke sein Risiko für bestimmte Erkrankungen. Und natürlich habe Alkohol nichts in den Händen von Kindern, Schwangeren und Verkehrsteilnehmern zu suchen. Einen Interessenkonflikt verhehlt die Weinakademie nicht. Den hätten auch Autoren der WHO. „Das heißt aber nicht, dass wir Falsches kommunizieren.“ (aus der FAZ)

Warum größte Weinfass der Welt verfaulte

Unter den 58 Äbten von Kloster Eberbach fällt Martin Rifflinck eine Sonderstellung zu. Seine Amtszeit an der Spitze der Zisterziensermönche währte zwar nur acht Jahre. Sie steht aber für den Höhepunkt und zugleich den Abschluss der mittelalterlichen Entwicklung des 1136 von Bernhard von Clairvaux gegründeten Klosters. Dem Historiker Helmut Heinemann gilt Rifflinck als der „letzte große Abt des Mittelalters“. Nicht nur wegen seiner klugen Entscheidungen, sondern vor allem wegen des vielfältigen schriftlichen Nachlasses, der einen tiefen Einblick in den Klosteralltag mit den seinerzeit Mönchen und Laien gewährt.

Die Weinerzeugung und der Weinhandel bis nach Köln war seinerzeit das bedeutendste Geschäftsfeld des klösterlichen Wirtschaftskonzern. Unter Abt Rifflinck wurde vollendet, was unter seinem Vorgänger Johannes Bode im Jahr 1485 geplant und begonnen worden war: der Bau des Großen Fasses. Am 8. August des Jahres 1500 war das kostspielige und bautechnisch komplizierte Projekt vollendet worden. Die erste Füllung ist des als „Weltwunder“ gefeierten größten Fasses in Europa ist für den Dezember jenes Jahres verzeichnet, weitere Füllungen sind in den Jahren 1503 und 1506 dokumentiert.

Das 8,40 Meter lange und 2,70 Meter hohe Fass mit seinen 14 Eisenringen hatte nach nachträglichen Berechnungen ein Fassungsvermögen von rund 71.000 Litern. Nach Darstellung des Historikers Hilmar Tilgner in einer ausführlichen Monografie über das Kloster war das Fass in den Jahren 1502 und 1506 etwa zur Hälfte (36 Fuder) mit vornehmlich hochwertigem Wein gefüllt. Es war der Stolz des Klosters und Ausdruck seiner wirtschaftlichen Stärke. Den anschließenden Niedergang zu begleiten, blieb Rifflinck erspart. Seine Amtszeit gilt als „Zeitenwende“ in der Klostergeschichte.

Denn außerhalb der Klostermauern hatten unruhige Zeiten begonnen: der Bauernkrieg. Darunter fallen in den Jahren 1524/25  zahlreiche Aufstände und Unruhen von Bauern, Arbeitern und Bergleuten aus wirtschaftlichen und religiösen Gründen , sowohl in Süddeutschland und Teilen Thüringens und Sachsens als auch in Franken, in Tirol und der Schweiz.

Im Rheingau erreichte das Unheil im Mai 1525 seinen Höhepunkt. Für die Gesellschaft zur Förderung der Rheingauer Heimatforschung hat der ehemalige Archivdirektor Heino Struck die Geschehnisse akribisch zusammengefasst. Demnach taten sich Ende April 1525 in Eltville rund 200 Bürger zusammen, um gegenüber der Obrigkeit ihre Beschwerden und Forderungen zu formulieren.

Eberbach wurde verpflichtet, die protestierenden Bauern zu versorgen. Das Weinfass wurde zu zwei Dritteln ausgetrunken. Zwischen dem 20. und 31. Mai mussten die Klöster Eberbach, Gottesthal, Johannisberg, Marienthal, Aulhausen und Eibingen urkundliche Ver­pflichtungen eingehen, die ihre Auflösung zur Folge gehabt hätten. Der Aufstand im Rheingau führt auch zu Unruhen auch in Bingen, Kastel, Hochheim und Wiesbaden.

Laut Struck hatte der Aufstand im Rheingau neben den äußeren Einflüssen auch eigene Wurzeln. Zwar war der vom Weinbau und Weinhandel lebende Rheingau vergleichsweise wohlhabend, Doch seien die finanziellen Verpflich­tungen an die Geistlichkeit als drückend empfunden worden. Schon Jahrzehnte vor den Bauernkriegen habe es Proteste gegen „das Unrecht der Zehnten“ und die „verweltlichte hohe Geistlichkeit“ gegeben. Der Einfluss Luthers reichte bis in den Rheingau. Und laut Struck besaßen die Rheingauer einige Selbstverwaltungsrechte, die sie auszudehnen wünschten. Daraus ergaben sich Spannungen mit dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof.

Der Triumph der Bauern war von kurzer Dauer. Im Rheingau brach der Aufstand schon im Juni zusammen. Die Aufständischen ergaben sich, die von ihnen erzwungenen Verträge und Zugeständnisse wurden für null und nichtig erklärt. Die Schäden im Kloster aber waren beträchtlich, und sie wurden nicht ausgeglichen. Das verschuldete Eberbach verlor in den folgenden Jahren  einen Teil seiner auswärtigen Besitztümer und die Tochterklöster Schönau und Otterberg. Wälder und Güter wurden verkauft oder verpfändet. Für 30 Jahre wurde nach 1578 sogar der Steinberg, der Lieblingsweinberg der Mönche, an Winzer verpachtet.

Das Große Fass stand nach den Recherchen von Tilgner danach 19 Jahre lang nahezu leer. 1542 wurde es noch einmal repariert, 1543 zu einem kleineren Fass mit 18.000 Litern Fassungsvermögen umgebaut. In einer Aufzeichnung des Mitglieds des Konvents heißt es, das Große Fass habe dem Kloster nichts genützt, sondern nur Schaden gebracht, zwar einen großen Namen, aber eine leere Finanzkasse.

Für die Mainzer Ausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit – Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation“ hat das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum 2015 eine Rekonstruktion des Eberbacher Riesenfassbodens anfertigen lassen, die danach ihre Heimat im Rheingau fand.

(aus der FAZ)

Seyffardt weiter Weinbaupräsident

Winzer Peter Seyffardt ist für weitere drei Jahre im  Amt des Präsidenten des Rheingauer Weinbauverbands bestätigt worden. Im Hauptausschuss erhielt Seyffardt 38 von 40 Stimmen. Einen Gegenkandidaten hatte nicht gegeben. Ursprünglich hatte Vizepräsident Frank Schönleber aus Winkel das Ehrenamt übernehmen sollen. Doch Winzer Schönleber verzichtete auf eine Bewerbung. Die aktuelle betriebliche Situation seines Weinguts mache es ihm gegenwärtig unmöglich, das zeitintensive Ehrenamt an der Spitze des Verbands zu übernehmen. Laut Seyffardt wurden zahlreiche andere Winzer und Persönlichkeiten nach ihrer Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung gefragt, doch habe es ausschließlich Absagen gegeben. Aus den Ortsvereinen des Weinbauverbands habe es ebenfalls keine Vorschläge gegeben.

„Die Gründe sind nachvollziehbar“, sagte Seyffardt. Es gebe für die Weinbaubetriebe gegenwärtig „Druck von allen Seiten“. Die Wirtschaftlichkeit sei kritisch und die verlangte Arbeitsleistung enorm. Seyffardt, der sein Martinsthaler Weingut gemeinsam mit seiner Tochter Julia leitet, verhehlte indes nicht, dass ihm die ehrenamtliche Arbeit auf einigen Feldern Spaß bereitet. Zudem gebe es spannende Einflussmöglichkeiten auf Bundesebene. Er sei zudem “ein Jahr jünger als der Bundeskanzler.“ Seyffardt kündigte an, potentiellen Kandidaten die Angst vor der Verantwortung nehmen zu wollen. Im „Haus der Region“ gebe es ein schlagkräftiges Team unter Verbandsgeschäftsführer Dominik Russler. Damit sei die Aufgabe „beherrschbar“. Russler sagte, Nachwuchssorgen gebe es bei mehreren deutschen Weinbauverbänden und sei keine Rheingauer Besonderheit.

Der als Vizepräsident wiedergewählte Schönleber ließ allerdings die Frage offen, ob angesichts des „unfassbar aufwendigen Jobs“ das Modell eines ehrenamtlichen Präsidenten auf Dauer haltbar und noch zeitgemäß sei. Sein ebenfalls im Amt bestätigter Co-Vizepräsident Bernhard Gaubatz kündigte an, dies sei in jedem Fall seine letzte Wahlperiode. Auch für die sechs Beisitzerpositionen gab es nur sechs Bewerbungen: Theresa Breuer, Marius Dillmann, Gunter Künstler, Gilbert Laquai, Simon Schreiber und Michael Burgdorf. Dem Vorstand gehören zudem als Vertreterin der Jungwinzer Sophie Egert und als Vertreter der Genossenschaften Manfred Sinz an.

Seyffardt warnet angesichts der Absatzkrise als Folge einer globalen Überproduktion und der Konsumzurückhaltung vor einem überbordenden Pessimismus in der Branche. Er verglich die Lage mit der Mitte der 1980er Jahre. Notwendig sei aber eine „starke Marke Rheingau“ und ein langfristiges „Austrocknen“ des wenig lukrativen Fassweinmarktes, auf dem sich die großen Kellereien zu möglichst niedrigen Preisen bedienen. Im Rheingau könne angesichts der geringen Erntemengen zu auskömmlichen Preisen kein Fasswein produziert werden, ohne in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.  (aus der FAZ vom 22. Mai)

Stürmische Zeiten

In stürmischen Zeiten verbietet sich ein Wechsel auf der Kommandobrücke. Die im Zuge des Strukturwandels im kleiner werdende Zahl Rheingauer Winzer kann sich insofern glücklich schätzen, dass Peter Seyffardt gewillt ist, weitere drei Jahre die Verantwortung zu schultern. Die in der Vergangenheit zeitweise von einigen Winzern geübte Kritik an Seyffardts Amtsführung ist verstummt. Bei den Winzer scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass in der Krise nur Einigkeit weiterhilft.

Dass die Branche in der Krise steckt, ist unbestritten. Diese Krise hat den Rheingau längst erreicht, obwohl hier die Weinbaustruktur günstiger ist als beispielsweise in Rheinhessen. Der angeschlagene Fassweinmarkt mit seinen unter den Produktionskosten liegenden Preisen spielt im Rheingau eine eher untergeordnete Rolle für den Absatz. Dennoch sind die Krisensymptome eindeutig. Der Flächenhunger größerer Betriebe ist gestillt. Es gibt Verpächter, die ihre Weinberge sogar pachtfrei zur Bewirtschaftung anbieten, um der Pflicht zur aufwendigen Pflege zu entgehen. Winzer verschieben die teure Neupflanzung schon gerodeter Weinberge in eine ungewisse, hoffentlich bessere Zukunft. Andere lassen – sehr zum Ärger ihrer Kollegen – vorhandene Rebflächen unbewirtschaftet und von Brombeerhecken zuwuchern. Diese „Drieschen“ werden zu Ausgangspunkten von Schädlingsplagen und Pflanzenkrankheiten. In mehr als 100 Fällen hat das Weinbauamt deshalb schon den jeweiligen Bewirtschaftern Mahnbriefe geschickt.

Dieses unsolidarische Verhalten einiger Winzer zeigt symptomatisch, wie schwer es ist, die Branche hinter eine Marke „Rheingau“ zu versammeln. Zwar gehen die Blicke aus dem Rheingau nicht selten neidisch in Richtung Südtirol oder Wachau, doch die Kraft zu einschneidenden Veränderungen fehlt allzu oft. Eine Profilierung geht fast immer mit einem Verzicht einher. Schon der quälende lange Weg hin zur Streichung der den Verbraucher täuschenden Großlagen belegte, wie schwer sich die Winzer tun, um sich hinter einer gemeinsame Strategie zu versammeln. Die Stärke einer Marke liegt unter anderem ihrer Authentizität, in einer klaren, möglichst unverwechselbaren Positionierung im Markt und einer überzeugenden Kommunikation, die Vertrauen schafft. Davon ist der Rheingau noch weit entfernt. (aus meinem FAZ-Kommentar vor 22. Mai)

Newsflash: Neue Gastronomie auf Schloss Johannisberg

Die Eigentümerin und Betreiberin des Favorite Park Hotels in Mainz, Familie Barth, hat zum 1. Mai die Verantwortung für die Gastronomie und die Veranstaltungsbetreuung auf Schloss Johannisberg im Rheingau übernommen. Dazu gehören das Restaurant Schlossschänke, der Weingarten, der Veranstaltungsraum „Fürst von Metternich Saal“ sowie der Ausschank am „Goethe-Blick“ über den Weinberg. Nach dem Rückzug der Münchner Gastronomie-Familie Kuffler hatte das Schloss die Gastronomie zunächst in eigener Verantwortung betrieben. Nun teilt Schloss Geschäftsführer Stefan Doktor mit, die Entscheidung sei gefallen, „einen starken Partner für die Gastronomie und Standortaktivitäten an unserer Seite zu wissen“, der langjährige Erfahrung und viel Professionalität einbringe. „Wir möchten die Tradition des Hauses mit neuer Energie und herzlicher Gastfreundschaft verbinden“, sagt Christian Barth, Geschäftsführender Gesellschafter des Favorite Parkhotels. Anspruch sei es, „das gastronomische Erlebnis auf Schloss Johannisberg weiterzuentwickeln – mit höchster Qualität, Liebe zum Detail und echter Leidenschaft für die Region.“

Mainzer Weinbörse 2025

In einem für die Weinbranche schwierigen Umfeld haben die Prädikatsweingüter (VDP) die traditionsreiche Mainzer Weinbörse veranstaltet. In der Rheingoldhalle erwarteten die deutschen Spitzenweingüter an beiden Messetagen insgesamt mehr als 4000 Fachbesucher aus Handel, Gastronomie und Medien. Ihnen stellten 190 der insgesamt 202 VDP-Winzer den aktuellen Jahrgang und ausgewählte Spitzenweine vor. Die Messe ist nicht nur Branchentreffen, sondern auch als Gradmesser für Lage im Weinmarkt.

Die VDP-Weingüter stehen für einen Umsatz von knapp 450 Millionen Euro (2024) bei einem Gesamtabsatz von 35,7 Millionen Flaschen. Das sind zehn Prozent weniger als im Vorjahr (39,7 Millionen Euro Flaschen). Beim Umsatz lag das Minus aber nur bei drei Prozent.

Sie bewirtschaften mit 5800 Hektar rund 5,6 Prozent der deutschen Rebfläche. Der Export hat mit – stabil gebliebenen – 25 Prozent unverändert einen hohen Stellenwert, wobei die skandinavischen Länder, die Niederlande und die Vereinigten Staaten die wichtigsten Exportmärkte sind. Wegen der Zoll- und Handelskonflikte, aber auch wegen der globalen Überproduktion von Wein, deutlich gestiegenen Produktionskosten und veränderten Trinkgewohnheiten sieht sich die Weinbranche unter Druck. Nach Angaben von VDP-Geschäftsführerin Theresa Olkus spüren auch die Mitglieder des Verbands Absatzrückgänge „auf allen Kanälen“. Auf die Weinbörse wirke sich die angespannte Lage aber weder im Hinblick auf die Zahl der teilnehmenden Winzer noch der angemeldeten Fachbesucher aus. „Die Stimmung ist gut“, sagt Olkus, die mit ihrem Organisationsteam trotz der neuen Zollschranken auch etliche Fachbesucher aus den Vereinigten Staaten willkommen hieß.  

Angesichts der Konsumschwäche können einige VDP-Betriebe es eher verschmerzen, dass mit 2024 ein mengenmäßig kleiner Weinjahrgang zu vermarkten ist. Mit einem Ertrag von nur 46 Hektolitern je Hektar fiel der Ertrag im zurückliegenden Herbst deutlich niedriger aus als in den vier Vorjahren. Zuletzt war nur im Jahr 2010 mit 41 Hektolitern weniger Wein geerntet worden. Ursache sind die Spätfröste im Frühjahr und Pflanzenkrankheiten durch Pilzbefall im Spätsommer, die je nach Weinregion jedoch unterschiedlich dramatische Auswirkungen hatten. Frostbedingte Missernten gab es unter anderem an Saale und Unstrut, Saar, Ruwer und Aar. Weil einzelne Winzer im Extremfall sogar nur sechs Prozent ihrer üblichen Durchschnittsmenge geerntet haben, ließ der Verband es ausnahmsweise zu, dass VDP-Winzer von VDP-Kollegen Weine zukaufen und sie mit dem VDP-Adler als Gütesiegel auszeichnen und verkaufen dürfen. Statt Adler trägt der Wein den Zusatz: „Ein Wein der Solidaritätsgemeinschaft VDP“. Weitere Hilfen für die besonders gebeutelten Weingüter sind angedacht.

Gute Fortschritte sieht der Verband beim Thema Nachhaltigkeit: Bis zur nächsten VDP-Mitgliederversammlung im Sommer im Rheingau sollen alle VDP-Betriebe nachhaltig zertifiziert sein. Schon jetzt wirtschaften 82 Weingüter ökologisch, 19 davon sogar biodynamisch. Damit wird nur noch knapp 60 Prozent der VDP-Rebfläche nach konventionellen Regeln bewirtschaftet.  Qualitativ erwartet VDP-Präsident Steffen Christmann einen guten Jahrgang, „geprägt von einer kühlen Aromatik, präzisen Struktur und einer lebendigen, gut eingebundenen Säure. Die Weine besitzen Spannung“, sagt Christmann und zieht Parallelen zu den Jahrgängen 2008 und 2016. Parallel zur Weinbörse zeigten 70 Ökowinzer aus sechs Ländern im Alten Postlager Mainz auf der „Biodynamic Wine Fair“ ihre Kollektionen. Ebenfalls im „Postlager“ fand die Vinvin Fachmesse für Herkunftsweine mit 100 Erzeugern aus Rheinhessen und Nahe statt.

Flurbereinigung im Weinbau

Die Zukunft des Weinbaus in den Steilhängen hängt von den Erschwernissen der Bewirtschaftung ab. Flurbereinigungsverfahren können helfen, doch ihre Dauer bedeutet für alle Grundeigentümer eine Nervenprobe

Die Neuordnung eines Flickenteppichs kleiner und kleinster Weinbergsparzellen hin zu größeren, zusammenhängenden Flächen, die maschinell und effizient bewirtschaftet werden können, trägt zum Erhalt der Kulturlandschaft bei. Doch die Flurbereinigung ist eine Generationenaufgabe und Geduldsprobe. Den Lorcher Winzer Gilbert Laquai hat sie fast sein gesamtes Berufsleben begleitet. Die ersten Begehungen der Weinberge fanden schon 1985 statt. Erst jetzt ist das Ende erreicht-

Was macht die Flurbereinigung einer auf etwa 30 Jahre angelegten Dauerkultur wie dem Weinbau so langwierig? Die Gründe sind vielfältig: Eigentümerwechsel durch Verkauf oder Erbschaft, mitunter schwierige Erbengemeinschaften, wechselnde Ansprechpartner in den Behörden sowie sich wandelnde Anforderungen und Wünsche von Winzern und Verwaltung.

Das Flurbereinigungsverfahren in Lorch steht beispielhaft für die Mühsal eines Verfahrens, das vielen Winzern vieles leichter machen soll. Der formelle Beschluss zur Neuordnung fiel im Jahr 1990, und damals hieß die Behörde noch Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung. Für Lorch war das keine neue Erfahrung, denn nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es schon   Flurbereinigungsverfahren gegeben. Doch deren Ergebnisse waren nicht zukunftsfähig. „Die Voruntersuchungen haben aufgezeigt, dass aufgrund erheblicher Mängel ein rentabler Weinbau im Verfahrensgebiet nicht möglich ist“, hieß es zu den Gründen im Flurbereinigungsbeschluss zum Verfahren unter der Kennzeichnung „F964“.

Für die Winzer sollte in einem zweiten Anlauf der hohe Zeit- und Kostenaufwand der Bewirtschaftung verringert werden, um Betriebsaufgaben und Brachen zu vermeiden. Die mit einer Neigung von bis zu 40 Prozent steilen Lorcher Weinberge sollen besser für den Einsatz von Maschinen erschlossen, die Wegeführung optimiert, die Wasserführung verbessert und Wildschäden vorgebeugt werden.

„Nebenbei“ sollte zudem der Naturschutz durch die Anlage von Obstbaumwiesen und den Erhalt von Trockenmauern profitieren. Der historische, landschaftlich reizvolle Kaufmannsweg wurde als Wanderweg wiederhergestellt.

Insgesamt wurde für das Verfahren zunächst ein Gebiet von 232 Hektar in den Blick genommen, das in fünf Teilgebiete gegliedert wurde. Es wurde schließlich auf rund 116 Hektar verkleinert. Die Neuordnung dieser Flächen basierte auf einem im Jahr 1995 genehmigten Wege- und Gewässerplanes, der zwischen 1997 und 2014 insgesamt vier Mal abgeändert wurde.

Rund 450 Grundstückseigentümer waren an dem Verfahren beteiligt, in dessen Verlauf 1164 Flurstücke neu geordnet wurden. Dazu mussten bis zum Jahr 2002 die Grundstückswerte aufwendig neu ermittelt werden. Es wurden rund 770 neue Flurstücke ausgewiesen und ihren neuen Eigentümern im Jahr 2023 endgültig zugewiesen. Ende vergangenen Jahres wurde mit den Grundbucheinträgen das Verfahren abgeschlossen. Auf ihren neu zugeteilten Parzellen dürfen die Winzer schon seit 2011 wirtschaften.

Das Verfahren hat mehr als vier Millionen Euro gekostet. Die Stadt Lorch und die Teilnehmergemeinschaft der Grundstückseigentümer, angeführt von Laquai, übernahmen 660.000 Euro. Den Löwenanteil inklusive der Personalkosten finanzierten die Europäische Union, der Bund und das Land Hessen.

Hat es sich gelohnt? Die Winzer sind zufrieden, auch wenn in Lorch selbst jetzt nur noch ein halbes Dutzend aktiv sind. Vor 40 Jahren waren es rund 30. Noch dabei ist Richard Weiler, der das Ergebnis lobt. Aus acht kleinteiligen Parzellen wurde für ihn eine einzige von 5000 Quadratmeter Größe, die sich gut maschinell bewirtschaften lässt. Auch sein Kollege Jochen Neher hebt die das Ergebnis als Gewinn für die Winzerschaft hervor. Die Lorcher Lagen genießen auch bei den übrigen Winzern im Rheingau hohe Wertschätzung. Winzerinnen wie Theresa Breuer aus Rüdesheim und Verena Schöttle aus Johannisberg bewirtschaften schon seit vielen Jahren auch Lorcher Weinberge. Hessen Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) lobte bei einer Feierstunde in den Weinbergen das Engagement von Laquai und Neher. Mit „formal nur 34 Jahren“ sei das Flurbereinigungsverfahren sogar „relativ kurz“ gewesen.

Weinbaupräsident Peter Seyffardt würde sich dennoch mehr Tempo wünschen, denn noch an mehreren Ecken im Rheingau laufen seit Jahrzehnten die Flurbereinigungsverfahren. Sie seien jedoch alternativlos, wenn es um den Erhalt des Weinbaus vor allem in den Steillagen gehe. Flurbereinigungsverfahren seien heute eine Symbiose zwischen Weinbauförderung und Naturschutz. Seyffart lobte die Winzerbrüder Laquai zudem für ihre Pionierarbeit bei der Anlage von Querterrassen in Steillagen. Unverzichtbar sei zudem die Steillagenförderung des Landes, die inzwischen erhöht worden ist. Im vergangenen Jahr profitieren in beiden hessischen Anbaugebieten 134 Weingüter, die 313 Hektar Steillagen zur Förderung angemeldet hatten und 522.000 Euro erhielten. In diesem Jahr will Hessen eine Million Euro bereitstellen je nach Hangneigung zwischen 1500 Euro und 4600 Euro pro Hektar auszahlen. (aus der FAZ im Mai 2025)