Prickelnd ohne Promille?

Für die deutschen Schaumweinerzeuger beginnen die wichtigsten Wochen des Jahres. Denn Sekt ist und bleibt für die Mehrzahl der Konsumenten – nicht für mich – ein Getränk für besondere Anlässe. Für den Absatz von großer Bedeutung sind daher die Weihnachtstage und der Jahreswechsel. Im November und Dezember entscheidet sich, ob es für die Sekterzeuger ein mäßiges, gutes oder herausragendes Jahr war.

Schon jetzt allerdings zeichnet sich ab, dass sich der Sektmarkt in der globalen Weinkrise resilienter erweist als der Absatz von Stillwein. Während die Weinbranche wegen der allgemeinen Kaufzurückhaltung, den stark gestiegenen Produktions- und Lohnkosten, hohen Preisen für Glas, Verpackung und Energie sowie den Fachkräftemangel über eine der größten Krisen in der jüngeren Geschichte klagt, scheint die Sektbranche bislang glimpflich davonzukommen. Nach aktuellen Branchenzahlen ging der Schaumweinkonsum im Jahr 2024 auf 3,1 Liter pro Kopf zurück. Damit fiel das Minus geringer aus als beim Wein. Im vergangenen Jahr wurden rund 250 Millionen Flaschen Sekt in Deutschland getrunken.

Dass sich Sekt besser schlägt als Wein, hat viele Gründe. Nach Einschätzung von Andreas Brokemper, dem Vorstandschef von Weltmarktführer Henkell-Freixenet, lassen es sich die Deutschen es auch in herausfordernden Zeiten nicht nehmen, die Korken knallen zu lassen. Schaumweine gehörten unverändert zur Genusskultur. Sie müssen allerdings nicht mehr unbedingt Alkohol enthalten. Das beachtliche Wachstum beim Absatz alkoholfreier Schaumweine trägt mit dazu bei, die Krise abzufedern. Brokemper beobachtet, dass beispielsweise bei betrieblichen Feiern neben Sekt auch alkoholfreie Varianten zur Auswahl stehen.

Beim Mitbewerber Rotkäppchen-Mumm heißt es, der alkoholfreie Sektmarkt boome und habe innerhalb von drei Jahren um 52 Prozent zugelegt. Für den deutschen Marktführer Anlass genug, erstmals eine „reine Alkoholfrei-Kampagne“ zu starten. Motto unter Anspielung auf die wichtige Konzernmarke Mumm: „Hab den Mumm, das Leben zu genießen“. Rotkäppchen-Mumm knüpft damit an das Rekordjahr 2024 an, als eine Umsatzsteigerung von sieben Prozent verbucht wurde.

Die Kampagne sei „eine strategische Antwort auf eine dynamische Marktentwicklung“ heißt es. Denn der Markt für alkoholfreien Sekt seit rasant um gut 15 Prozent gewachsen. Der Marktanteil der Alkoholfreien im Sekt- und Champagner-Markt sei um einen Prozentpunkt auf 6,8 Prozent gestiegen. Getragen werde diese Entwicklung vom Wunsch nach Wahlfreiheit: Rund 90 Prozent der Verbraucher hätten alkoholfreien Sekt schon verkostet oder zögen dies in Betracht. Fast 80 Prozent wollten sich beim Anstoßen bewusst für ein Getränk ihrer Wahl entscheiden. Rotkäppchen sieht „Mumm Alkoholfrei“ als Treiber dieses Wachstums: Mit einer Umsatzsteigerung von 16 Prozent übetreffe diese Marke den Durchschnitt. und baue Wiederkaufsrate und Käuferreichweite aus.

Eine reine Alkoholfrei-Werbekampagne kann sich Brokemper für Henkell-Freixenet aktuell nicht vorstellen. Er sieht die Marke im Vordergrund und die Freiheit des Konsumenten, sich für eine Varianten dieser Marke zu entscheiden. Inzwischen gibt es alle großen Marken auch alkoholfrei, von Henkell über Mionetto bis zur hauseigenen Nobelmarke Fürst-von-Metternich, dessen promillefreie Spielart gerade erste der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Wir sehen Alkoholfrei als Ergänzung und Vervollständigung des Markenauftritts“, sagt Brokemper im Gespräch mit der FAZ.

Qualitativ sei Sekt immer nur so gut wie der verwendete Grundwein, und die alkoholfreien seien zwischenzeitlich so gut wie das Original. Je nach der – international unterschiedlichen – Höhe der Alkohol- und Sektsteuer können alkoholfreie Schaumweine zudem für den Hersteller lukrativ sein, weil in der Regel keine Preisunterschiede gemacht werden, die Steuer aber entfällt. Allerdings gibt Brokemper zu bedenken, dass die Investitionen in eine möglichst schonende Prozesstechnik hoch seien und stetig fortgesetzt werden müssten. Der dabei anfallende Alkohol kann zwar vermarktet werden, doch ist das Angebot inzwischen hoch und der Marktpreis unter Druck. Brokemper geht davon aus, dass ein Marktanteil der alkoholfreien Schaumweine von zehn Prozent erreichbar ist. Schon jetzt sei in Deutschland jede zwölfte Flasche Schaumwein alkoholfrei. Bei Qualität und Wertigkeit werde es weitere Fortschritte geben, die bald auch ausgewiesene Kenner zufriedenstellen.

(aus der FAZ)

Der Winzer leidet, der Tourist genießt

Die Weinbranche steckt aus vielerlei Gründen in einer tiefen Krise, aber der Weintourismus erweist sich als widerstandsfähiges und chancenreiches Geschäftsfeld. Zumindest so lange nicht immer mehr Weinberge brach fallen, verwildern und damit das Landschaftsbild beeinträchtigen. Experten erwarten, dass dieses Schicksal mittelfristig bis zu einem Drittel der deutschen Rebfläche von rund 100.000 Hektar drohen könnte. Vor allem die kostspielig zu bewirtschaftenden Steillagen gelten als gefährdet. Schon jetzt mehren sich Brachflächen, auf denen die Neuanpflanzung wegen der Absatzkrise verschoben wurde.

Anmutige Weinlandschaften sind ein touristisches Pfund, mit dem die Winzer wuchern können. Der Geisenheimer Marktforscher Gergely Szolnoki vom Institut für Wein- und Getränkewirtschaft verweist auf den aktuellen „Global Wine Tourism Report 2025“. Es ist die bislang umfassendste Studie zum Weintourismus weltweit. Der Bericht bündelt laut Szolnoki die Erkenntnisse und Erfahrungen von 1310 Weingütern aus 47 Ländern und bietet „einzigartige Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Trends“ der Branche. Bislang hätten den Forschern aber nur „unzureichende internationale Daten“ zur Verfügung gestanden. Nun werde der Global Wine Tourism Report als Teil einer jährlichen weltweiten Umfrage verlässliche und aktuelle Einblicke liefern.

Die Studie ist von der Hochschule Geisenheim University in enger Kooperation mit der Internationalen Organisation für Rebe und Wein, dem Netzwerk der Great Wine Capitals, der Plattform WineTourism.com und UN Tourism, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die sich für verantwortungsvollen, nachhaltigen und allgemein zugänglichen Tourismus einsetzt, erstellt worden.

Zentrales Ergebnis laut Szolnoki: Weintourismus ist ein wichtiger Motor für die regionale Entwicklung, und er stärkt den ländlichen Raum. Zwei Drittel der befragten Weingüter geben an, dass Weintourismus rentabel ist und bis zu 25 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Angebote von Weinverkostungen, Kellerbesichtigungen und Weinbergstouren. Sie seien das Rückgrat des Weintourismus und böten den Kunden „authentische Erlebnisse und persönliche Kontakte“ zum Erzeuger.

Kernzielgruppe ist gemäß der Studie die Altersgruppe der 45 bis 65 Jahre alten Reisenden und Erholungssuchende. Allerdings gewinne die Alterskohorte der 25 bis 44 Jahre alten Touristen wegen ihres hohen Interesses an Bildung, Nachhaltigkeit und Gastronomie immer mehr an Bedeutung. Den Themen Nachhaltigkeit und Authentizität komme dabei großer Wert zu. Sie würden „zu zentralen Bestandteilen der Weintourismusstrategien“, heißt es aus Geisenheim. Der Bericht zeigt laut Szolnoki eindrucksvoll, „wie sich der Weintourismus von einer Nischenaktivität zu einem bedeutenden Treiber für nachhaltige Entwicklung und innovative Marketingpraktiken entwickelt hat.“

In den vergangenen zehn Jahren habe sich der Weintourismus zu einem dynamischen und profitablen Zweig der Weinbranche entwickelt, der Arbeitsplätze sichere und die Nachhaltigkeit sowie die Bewahrung des Kulturerbes fördere.

Abschreckend für die Weingüter seien allerdings Personalmangel und Zeitdruck. Dennoch plane jedes Vierte der befragten Weingüter, die sich aktuell noch nicht im Weintourismus engagieren, Angebote zu entwickeln. Rund die Hälfte ziehe das zumindest in Betracht. Denn er  hohe wirtschaftliche Druck, unter dem viele Weingüter litten, der rückläufige Weinkonsum, überbordende Bürokratie und Auflagen, Arbeitskräftemangel und Digitalisierung erforderten neue Antworten und Strategien. Rund die Hälfte der befragten Weingüter plant daher Investitionen auf diesem Feld: Fast zwei Drittel sähen Weintourismus als ein „Mittel zur Resilienz“ in der Krise. 

Szolnoki hat in den zurückliegenden Jahren schon mehrere Studien zu den Perspektiven des Weintourismus erstellt. Für eine davon waren 600 deutsche Winzer befragt, von denen 140 bis zu drei Stellplätze für Wohnmobilisten am Weingut offerieren und dafür bis zu 35 Euro je Nacht verlangen. Das habe sich als erfolgreicher Weg der Neukundengewinnung erwiesen und als Impuls für Nachahmer erwiesen, so Szolnoki

Schon mit dem Abklingen der Corona-Pandemie hatte der Marktforscher einen Aufschwung beim Weintourismus vorhergesagt, weil dieser vom Trend zum Individual- und Qualitätstourismus profitieren werde. Zudem sei das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und den Wert der Natur in der Pandemie gesteigert worden. Das werde langfristig positive Folgen haben und die Bedeutung des Weintourismus für die Weinbauregionen und -betriebe mittel- und langfristig steigen lassen.

Krise, welche Krise?

Kein Krisen-Jahrgang, aber ein Jahrgang inmitten der Krise. Kaum eine Weinlese wurde in den zurückliegenden Jahren so sehr von die Winzer wenig optimistisch stimmenden Schlagzeilen über den trüben Zustand der Branche begleitet. Globale Überproduktion mit den Folgen eines verschärften Wettbewerbs und hohen Preisdrucks, rückläufige Konsumfreude, ein sich veränderndes Konsumentenverhalten und nicht zuletzt vermehrte Warnungen vor dem Genuss von Alkohol. Hinter den Winzern liegt ein weiteres schweres Jahr, und die Aussichten geben zur Euphorie keinen Anlass. Ob tatsächlich bis zu 30 Prozent der Rebfläche in den kommenden Jahren gerodet werden müssen, wie es Branchenexperten befürchten, ist noch keineswegs ausgemacht. In jedem Fall wird die Krise den Strukturwandel im Weinbau noch beschleunigen. Dass ein ernteschwacher Jahrgang angesichts der vielleicht schwierigen Lage der zurückliegenden Jahrzehnte den Winzern in die Karten spielt, ist allerdings ein Trugschluss. In früheren Jahren hätten die Preise für Most und Jungweine, den die großen

Kellereien den Erzeugern zahlen, bei einer absehbar kleinen Ernte schon während der Lese deutlich angezogen. Das ist aber nicht der Fall. Keinen Grund zum Jubel haben auch jene Winzer mit unverändert stabilen Absatzkanälen, einem starken Vertrieb und treuen Kunden. Sie werden die eine oder andere Nachfrage nicht bedienen können. Und viele Spitzenbetriebe setzen ohnehin nicht auf Masse, sondern auf eine starke Ertragsbeschränkung, um den eigenen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.  Rückblickend wird 2025 als typischer Klimawandel-Jahrgang in die Annalen eingehen: eine frühe Weinlese im T-Shirt wegen der ungewöhnlich warmen Temperaturen und ein immer kürzeres Zeitfenster, um die Trauben gesund zur Weinpresse zu bringen. Einmal mehr zeigt sich zudem, wie heterogen das Weinland Deutschland ist: Während einige Weinregionen wie Rheinhessen, die Pfalz, die Nahe und auch der Rheingau starke Einbußen verzeichneten, legten die Ahr, die Mosel und Franken zu. Im vergangenen Jahr lagen die Verhältnisse, auch wegen der Spätfröste im April, ganz anders.   Der Vermarktung kommt zudem für das Wohl und Wehe vieler  Weingüter eine größere Bedeutung zu als die Erntemenge.

Früheste Weinlese ever

Hinter den Rheingauer Winzern liegt eine ungewöhnlich früh begonnene und wegen der Regenfälle und der sich ausbreitenden Fäulnis auch sehr  schnell beendete Hauptlese. Nur vereinzelt hängen Ende September noch Trauben am Stock in den sorgsam ausgewählten Weinbergsparzellen jener Winzer, die auf edelsüße Tropfen oder gar Eisweine hoffen. Doch die meisten Winzer haben die Ernte abgeschlossen, nachdem regnerisches Wetter angekündigt worden war.

Die Gefahr, dass weitere Fäulnis die Erntemenge weiter schrumpfen lässt, war vielen Winzerfamilien zu groß. Laut Weinbaupräsident Peter Seyffardt liege die Erträge geschätzt 15 bis 20 Prozent unter dem langjährigen Mittel von 7000 Liter je Hektar, nachdem bis Anfang September die Erwartungen noch deutlich optimistischer waren.

Das Weinbauamt in Eltville hatte schon Mitte September gemeldet: „Die meisten Weinberge im Rheingau sind gelesen“. Ein Einschränkung gab es im Hinblick auf spätreife und in der Rieslingregion exotische Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot. Diese zeigten sich auf skelettreichen Böden noch gesund, hieß es. Die vergleichenden Reifemessungen wurden allerdings eingestellt, weil die meisten Trauben in den ausgewählten Referenzflächen geerntet worden waren. Die letzten, nicht mehr repräsentativen Messungen des Jahres ergaben en durchschnittliches Mostgewicht beim Riesling von 96 Grad Öchsle und beim Merlot von 92 Grad Öchsle. Genau ein Jahr zuvor waren beim Riesling erst 80 Grad und 2023 rund 83 Grad erreicht gewesen.

Im Wetterfax an die Winzer hieß es, „die Lese 2025 war seit Beginn unserer phänologischen Aufzeichnungen im Jahr 1955 mit einem Lesebeginn am 10. September für die Rebsorte Riesling die früheste Lese überhaupt.“ Laut Weinbauamt liegt das dreißigjährige Mittel (Referenzjahre 1991 bis 2020) für den Lesebeginn zwischen Lorch und Hochheim beim 30. September. Diese Einschätzung bestätigt Manfred Stoll, der Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Laut Stoll rückt der Erntebeginn seit 50 Jahren in jeder Dekade um vier Tage nach vorn im Kalender. Die Zeiten, als sich die Winzer für die Lese  sechs bis acht Wochen Zeit lassen konnten, seien vorbei. Mancher Betrieb stemmte die Ernte diesmal binnen zwei Wochen, vereinzelt genügte Winzer sogar eine Woche. Das ist auch deshalb möglich, weil die Betriebe laut Seyffardt ihre Schlagkraft erhöht haben die Maschinenlese – auch wegen der hohen Personalkosten – sich immer mehr verbreitet.

In diesem Jahr ist die Hauptlese zu einem Zeitpunkt beendet worden, bevor sie üblicherweise gestartet wird. Das langjährige Mittel (Referenzjahre 1955 bis 2023) für den Lesebeginn beim 8. Oktober. Ein Lesebeginn im T-Shirt statt im dicken Pullover war in früheren Zeiten kaum vorstellbar. Der späteste Lesebeginn war nach den Aufzeichnungen der Weinbaustatistik in den Jahren 1961 und 1965 jeweils der 2. November. Das liegt mehr als 50 Tage hinter dem Lesestart im aktuellen Jahr. Klimatisch fügt sich 2025 für die Winzer in die kaum unterbrochene Reihe der „zu warmen“ Jahre seit 1990 ein. Die Vorfreude auf einen herausragenden Jahrgang dämpfte der September mit mehr als 100 Liter Niederschlag je Quadratmeter. Der Durchschnittswert für diesen Monat liegt bei 43 Litern. Der gefürchtete Sonnenbrand der Beeren war in diesem Jahr für die Winzer so wenig bedeutsam wie Wasserstress der Rebstöcke. Regen fiel genug, wenn auch nicht immer für jeden Standort zum gewünschten Zeitpunkt. Die Burgundersorten konnten schon Anfang September in guter Qualität eingebracht werden. Beim Riesling gab es dann wegen der Fäulnis teils erhebliche Mengenverluste. Zudem ließ sich aus den Beeren nicht soviel Saft pressen wie erwartet. Vereinzelt nannten Winzer deshalb Ernteeinbußen von bis zu 60 Prozent. Mit der Qualität ist der Weinbauverband zufrieden, zumal beim Riesling die Säure eher moderat ausfällt. Seyffardt verspricht den Verbrauchern einen „harmonischen, guten und fruchtbetonten“ Jahrgang. Der Riesling habe abermals gezeigt, dass er mit dem Klimawandel ebenso zurechtkommen könne wie mit widrigen Bedingungen vor und während der Ernte. Die Fassweinpreise sind mit 70 Cent je Liter allerdings unbefriedigend angesichts von Produktionskosten in Höhe von mindestens 1,20 Euro im Rheingau. (aus der FAZ vom 27.09.2025)

Jahrgangsverkostung Robert Weil

Es war ein forderndes Jahr, heißt es bei Weil in Kiedrich zum Jahrgang 2024, das am Ende hervorragende Traubenqualität beschert habe. Wieder einmal gab es klimatische Besonderheiten wie den mildesten Februar seit 1885, einen verfrühten Austrieb und – fast – Spätfrost Ende April. Aber nochmal gutgegangen! Was ab Ende September in den Keller kam, zeigt sich nun im Glas betörend gut. Einmal im Jahr habe ich dankenswerterweise die Chance einer umfassenden Jahrgangsverkostung. Diesmal hebe ich nur meine Favoriten hervor. Wie immer gilt: der Bessere ist der Feind des sehr guten!

2024 Kiedricher trocken: ungemein mineralisch und elegant, mit einer für den Ortswein schönen Fülle ausgestattet, ohne dabei überladenoder überpowered zu wirken. Ein trinkfreudiger Klassiker aus dem gotischen Weindorf mit Rasse, 90 RWP

2024 Turmberg trocken: herausragend, schon sehr zugänglich, viel Schmelz und Finesse, aber in sich ruhend, durchaus Druck am Gaumen, viel Zug und Grip, sehr hoher Trinkfluss, 93 RWP

2024 Gräfenberg GG trocken: Wie fast immer zu diesem frühen Zeitpunkt noch recht verschlossen, aber phänomenale Anlagen zeigend, das wird wieder ein ganz Großer, 95 RWP

2023 Monte Vacano trocken: geht vermutlich nur anders, aber kaum besser. Fülle und Finesse in kooperativer, Harmonie, da fehlen einem fast die passenden Worte, außer der Klage über ein allzu begrenztes Budget, um den inzwischen doch recht teuren Tropfen selbst einlagern zu können. Gänsehaut und ehrfürchtige 99 RWP

2024 Riesling „Tradition“… süffiger geht kaum, trinkt sich auf dem Balkon fast von alleine, in jeder Probe wird diese Flasche sicherlich als erstes geleert sein…. einfach hammergut auch für alle Nur-trocken-und-sonst-gar-nix-bitte!-Fanatiker,  91 RWP

2024 Riesling Spätlese: ein wunderbares Säure-Süße-Spiel, anmutige Frische und Süffigkeit, die Säure balanciert die Süße auf  eine geradezu perfekt-phänomenale Weise aus, 91 RWP

2024 Turmberg Spätlese: monumental gut und schon recht präsent… 2-5 Jahre weglegen und wieder öffnen… und geplättet werden, 94 RWP

2024 Auslese Goldkapsel (Versteigerungswein), grandios und für mich die beiden bärenstarken Gräfenberg Beerenauslese und TBA sogar in den Schatten stellend, ein Süßwein in wunderbarer Balance und Harmonie, 99 RWP   

Die besten Silvaner GG

Neben Riesling und Chardonnay – und knapp vor Sauvignon blanc und Grünem Vetliner – liegt Silvaner auf Rang 3 meiner weißen Lieblingssorten. Wenig überraschend also, dass ich mich auf der GG-Verkostung in Wiesbaden zunächst auf diese fränkische Spezialität konzentriert habe. Zum Glück denn darunter waren wieder außerordentlich gute Weine. Ein halbes Dutzend muss ich ausdrücklich hervorheben, die Creme de la Creme mit unbedingter Kauf-Empfehlung!

Staatlicher Hofkeller: 2024 Stein-Berg,  91 RWP (einziger Bocksbeutel)

Rudolf May: 2024 Himmelspfad,  92 RWP

Zehnthof Luckert: 2024 Maustal, 93 RWP

Horst Sauer: Am Lumpen 1655, 92+ RWP

Max Müller I.: 2024 Ratsherr 93 RWP

Hans Wirsching: 2023 Echter-Berg, 92 RWP

GG Premiere Rheingau

Auf Schloss Vollrads gab es die Gelegenheit, eine Querschnitt der Großen Gewächse des Rheingaus zu verkosten – sowohl aus dem Jahrgang 2024 als auch 2023, wobei nur letztere jetzt schon im Verkauf sind und ausgeliefert werden. Da war durchaus Licht und Schatten unter insgesamt 33 vorgestellten Weinen. Ein homogeneres Feld – natürlich mit den herkunftsbezogenen Unterschieden (Terroir!) wäre wünschenswert gewesen.

Hier meine Favoriten (mindestens 92 Rheingauer Weinschmecker Punkte RWP)

Fred Prinz 2024 Erbach Marcobrunn  93 RWP

Robert Weil 2024 Kiedrich Gräfenberg 95 RWP

Graf von Kanitz 2023 Pfaffenwies Röder 92 RWP

Leitz 2023 Berg Schlossberg 92+ RWP

August Kesseler 2023 Schlossberg 94 RWP

Weingüter Wegeler 2023 Rothenberg 92+ RWP

Schloss Johannisberg 2023 Silberlack 94 RWP

Peter Jakob Kühn 2023 Doosberg 94++ RWP

Jakob Jung 2023 Siegelsberg 92 RWP

Künstler 2023 Marcobrunn 92 RWP

Diefenhardt 2022 Schlenzenberg Spätburgunder 92 RWP

Vertikale: Große Rheingauer Lagen

Kiedrich Gräfenberg – Schloss Johannisberg – Rüdesheim Schlossberg

alle Jahrgänge 2023 – 2012

Was für eine grandiose Einstimmung in der traditionelle VDP-„GG-Wochenende“ Ende August jeden Jahres…36 großartige Weine aus zwölf Jahrgängen. Besonders bemerkenswert für mich: meine jeweiligen Jahrgangsfavoriten variierten zum Teil deutlich, zum Teil blieben sie aber auch im Gleichklang.

Robert Weil: Das 90 Hektar große, inzwischen ökologisch wirtschaftende Riesling-Weingut hat die Gunst, dass der Gräfenberg zu den immer gut mit Wasser versorgten, dank der Waldnähe kühleren Berglagen gehört. Das zahlt sich aus, denn um eine Vollreife der Trauben müssen sich die Winzer seit 1989 ohnehin keine Gedanken mehr machen.

Meine Tops: 2020 Gräfenberg GG dank Fülle, Schmelz und geschliffener Eleganz, 2016 einfach grandios mit Trinkfluss und feinster Reife, 2013 mit betörender Struktur, Spannkraft und Finesse. Daneben 2023, noch sehr jung aber mit allerbesten Anlagen.

Schloss Johannisberg: Gut 50 Hektar, Bio-Weingut bewusst ohne Zertifizierung, Taunusquarzit mit Lehmauflage am 50. Breitengrad

Meine Tops: 2021 Silberlack GG mit Grip und Zug, 2019 mit hoher Komplexität und Spannkraft, 2014 mit klassischer, kühler Anmutung und Eleganz. Parallelität zu Weil: 2023 ist/ wird ein ganz großer GG-Jahrgang!

Weingüter Wegeler: 33 Spitzenlagen im Portfolio, 23 Hektar im Rheingau auf Quarzit- und Schiefer-Böden, karg, warm, trocken, geringe Erträge.

Meine Topps: 2021 sehr präzise, vital, strahlend betörend…  zeigt die Stärke des Schlossberg gegenüber den warmen Jahren 2022 und 2020. 2016 knapp vor 2019 dank eines herrlichen Spannungsbogens, feinster Mineralität und Eleganz sowie einem langen Nachhall. 2013 phänomenal gut, sehr straff, jung und elegant, ein Strahlemann, der nach dem nächsten Schluck verlangt.  

Mein Flop: 2017 ging in keinem Flight an mich, auch wenn die Winzer den Jahrgang noch so sehr schätzen, meiner ist er nicht und wird er nicht.   

Die Winzer ernten, die Sauen auch

Im Rheingau hat Ende August vereinzelt die Lese begonnen. In den Keller wurden vor allem frühreife Sorten wie Frühburgunder geholt, die schon ordentliche Mostgewichte aufgewiesen haben. Sekterzeuger wie Schloss Vaux in Eltville und das Weingut Barth in Hattenheim haben zudem begonnen, die Grundweine für Schaumweine zu ernten. Das dem Regierungspräsidium Darmstadt zugeordnete Weinbauamt berichtet von einem Lesebeginn rund drei Wochen vor dem langjährigen Mittel. Die ergiebigen Niederschläge zum Ende der vergangenen Woche haben allerdings erste Sorgen aufkommen lassen. Denn die Wasseraufnahme der Rebstöcke führt dazu, dass die Beeren dicker werden und sich in kompakten Trauben gegenseitig „abdrücken“. Diese Verletzungen der Beerenhaus können vor allem bei warmen Temperaturen schnell zur Ausbreitung von Fäulnis führen.

„In einigen Weinbergen sind erste Fäulnis-Nester zu finden“, bestätigt das Weinbauamt in seinem wöchentlichen Rundbrief an die Winzer. Betroffen seien vor allem Weinberge zwischen Eltville-Erbach und Wiesbaden-Frauenstein, in denen schon vor den ersten Niederschlägen die Trauen sehr kompakt gewesen seien. Dort seien auch die größte Niederschlagsmengen gemessen worden.

Auch die ersten Schädlinge werden gesichtet. Laut Weinbauamt gab es in den Kontrollfallen erste Funde von Kirschessigfliegen, die vor allem Rotweinsorten befallen. Die Winzer werden gefordert, regelmäßig und in kurzen Abständen gefährdete Parzellen zu kontrollieren. Von der Ausbreitung des Japankäfers seien die Weinberge bislang verschont geblieben, teilt das  Dezernat Pflanzenschutzdienst des Regierungspräsidiums Gießen als Reaktion auf den Fund bei Trebur mit.

Eine Übersicht der Reifemessungen zeigt schnelle Fortschritte in den Weinbergen. Beim Riesling liegen die Mostgewichte im Vergleich zum Stichtag 1. September über den Werten der beiden Vorjahre. Das durchschnittliche Mostgewicht beim Riesling lag am Montag bei 76,8 Grad Oechsle. Im Vorjahr waren es am 2. September 61,6 Grad, im wärmeren Jahr 2023 am 4. September 70 Grad Öchsle.    

Beim Rotwein ist das Bild ähnlich. Das durchschnittliche Mostgewicht des Spätburgunder hat am Montag 81 Grad überschritten. Im Vorjahr waren es Anfang September 77,2 Grad, im Jahr 2023 70,2 Grad. Gerechnet wird damit, dass die Hauptlese beim Riesling am Wochenende 6./. September auf breiter Front startet und bis Ende September schon beendet ist – sofern keine längeren Phasen starker Niederschläge auftreten.

Die Winzer müssen bei der Ernte zudem schneller sein als die Wildschweine. Die Stadt Eltville berichtet von einem starken Aufkommen und beträchtlichen Schäden außerhalb der wegen der Schweinepest errichteten Schutzzäune. Ursache ist laut Stadtverwaltung der Klimawandel: „Die Trauben reifen früher und weisen durch den erhöhten Zuckergehalt eine besondere Attraktivität für Wildschweine auf.“ Während früher der Riesling mit seinem hohen Säuregehalt für die Wildschweine – im Gegensatz zu früh reifem Chardonnay oder Rotwein – eher uninteressant gewesen sei – habe sich das Bild nun gewandelt: „Auch der Riesling wird reifer mit weniger Säure. Die Trauben sind süßer und damit besonders anfällig für Wildschweinfraß.“ Die Winzer sollten daher ihre Weinberge mit Elektrozäunen mit drei Litzen sichern und die Wildschweingefahr ernst zu nehmen, um die zunehmenden Schäden eindämmen und die Ernte zu schützen.

Roden wir die besten Weinberge?

Die Krise des Weinbaus wird in Deutschland zu Rodungen im großen Maßstab führen. Steht die Hälfte der Winzerfamilien vor dem Aus? Das vertraute Bild saftig-grüner, geschlossener Weinberge könnte bald der Vergangenheit angehören. Der deutsche Weinbau steht vor einer Zäsur mit gravierenden Folgen für die Kulturlandschaft. Es droht ein Flickenteppich aus bewirtschafteten Weingärten, Brachen, wuchernder Wildnis und landwirtschaftlich alternativ bestellten Parzellen. Für einen geordneten Wandel fehlt es an überzeugenden Strategien und Konzepten. Denn der Wandel kommt für die langfristig denkenden Winzer in einem rasanten Tempo.

Die Gründe sind vielfältig. Seit Jahren gibt es eine globale Überproduktion von Wein und daraus folgend einen verschärften Verdrängungswettbewerb. Die Zurückhaltung beim Alkoholkonsum der jüngeren Generation geht einher mit Alkohol-Warnungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und mit dem „Hinauswachsen“ der Boomer aus der Phase intensiven Weinkonsums. Auch die Gastronomie schwächelt. Die hohe Preissensibilität der Verbraucher in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation trifft die deutschen Winzer hart, weil in anderen Länder günstiger produziert werden kann.

Hinzu kommen stark gestiegene Kosten für Energie, Glas, Verpackungsmaterial und Personal. Der stetig erhöhte Mindestlohn verteuert die Bewirtschaftung vor allem in den von Handarbeit geprägten Steillagen. Gerade sie sind das Symbol für deutschen Spitzenwein. Die Hessischen Staatsweingüter, Deutschlands größtes Weingut und Eigentümerin von mehr als 50 Hektar Steillagen, haben in jüngerer Zeit nicht nur Steillagen an andere Winzer abgegeben, sondern prüfen, ob wirklich jede steile Parzelle noch würdig ist, weiter bewirtschaftet zu werden.

Die Aufgabe und Rodung von Weinbergen ist das letzte Mittel verzweifelter Winzer. Bewässerungsanlagen zur Stabilisierung der Erträge, Querterrassen für eine leichte maschinelle Bewirtschaftung, selbständig fliegende Sprühdrohnen für einen effizienten Pflanzenschutz, Neupflanzung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten, die weniger Arbeit machen: das sind einige Optionen zum Erhalt der Steillagen. Aus Sicht des Rheingauer Weinbauverbands wäre zudem ein Label für aufwendig erzeugte „Steillagenweine“ wünschenswert, um höhere Preise am Markt durchsetzen zu können.   

Am Ende entscheidet der Verbraucher. Der allerdings, so die Beobachtung des Rheingauer Weinbaupräsidenten Peter Seyffardt, greift schon bei einem Preisunterschied von wenigen Cent eher zur günstigeren spanischen Alternative als zum heimischen Tropfen. In einem schrumpfenden deutschen Weinmarkt ist der Anteil der deutschen Winzer deshalb auf 42 Prozent gefallen – mit fatalen Folgen. Schon vor zwei Jahren wusste sich Württemberg nur durch die finanziell geförderte Krisendestillation unverkäuflicher Rotweine zu helfen. Doch das bringt nur kurzfristige Entlastung. Die Weinkeller werden immer voller, wie die jüngsten Zahlen des Deutschen Weinbauverbands zu den Lagerbeständen zeigen. Das Weingut Markgraf von Baden hat entschieden, 60 Hektar Rebfläche in der Bodenseeregion zu roden, um sie sie fortan für ökologischen Ackerbau zu nutzen. Statt Reben könnten dort Dinkel, Soja, Weizen und Sonnenblumen wachsen.

Der ebenfalls schwächelnde Weinexport ist nur für wenige Winzer ein Ausweg. Ausfuhren in den wichtigsten Exportmarkt, die Vereinigten Staaten, sind durch höhere Zölle deutlich erschwert worden. „Die Zölle, ein schwacher Dollar, steigende Fracht- und Verbrauchsmaterialkosten, höhere Mindestlöhne und gestiegene Energiekosten in Deutschland lassen den Betrieben wirtschaftlich kaum noch Luft zum Atmen“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Weinexporteure und Generalsekretär des Weinbauverbands, Christian Schwörer.

Der Niersteiner Winzer und Wein-Podcaster Dirk Würtz umschreibt die Lage so: „Wir haben seit Jahrzehnten zu viel Rebfläche, produzieren am Markt vorbei, sind nicht selbstkritisch und der wesentliche Punkt ist, dass wir es nicht geschafft haben, ein ordentliches Bewusstsein und eine echte Wertschätzung für den deutschen Wein aufzubauen.“

Die krisenhaften Folgen sind in allen Anbaugebieten erkennbar: Altersschwache Weinberge werden zwar gerodet, aber nicht sofort wieder neu bepflanzt. Nach einer Flurbereinigung bleiben neu geordnete  Weinbergsflächen länger unbestellt als üblich. Wo gerodete Flächen nicht gepflegt werden, sondern verwildern, bilden sich Hotspots für Schädlinge und Krankheitserreger.

Der Deutsche Weinbauverband gibt inzwischen öffentlich eine „tiefgreifende, strukturelle Krise“ zu. Eine Krise, die nicht vorübergehend ist, wie Analysen von Simone Loose, der Leiterin des Geisenheimer Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft belegen. Sie wertet in der „Geisenheimer Absatzanalyse“ regelmäßig die anonymisierten betriebswirtschaftlichen Zahlen von mehr als 600 deutschen Erzeugern aus. Die Absatzdelle könnte demnach zum Dauerzustand werden.

Weinbaupräsident Klaus Schneider verweist in einem Brief an Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) darauf, dass Wissenschaftler einen Flächenrückgang von bis zu 30.000 Hektar „in naher Zukunft“ erwarten. Das wäre knapp ein Drittel der deutschen Rebfläche – oder das Aus für rund die Hälfte aller Winzerfamilien in Deutschland.

Letzteres ist die Befürchtung der in diesem Jahr gegründeten „Zukunftsinitiative Deutscher Weinbau“. Dieser Verein und seine 160 Mitglieder – vornehmlich aus der Pfalz, Rheinhessen und Baden – haben von ihrer Interessenvertretung eine „schonungslose Offenheit“ vermisst. Anders als der Deutsche Weinbauverband wendet sich die Initiative unter ihrem Vorsitzenden, dem Pfälzer Biowinzer Thomas Schaurer, nicht an die Politik, sondern an die Bürger. Die simple Forderung: mehr Weinpatriotismus.

Schon eine zusätzliche Flasche deutscher Wein pro Kopf und Jahr anstelle einer importierten Flasche Wein sichere die Zukunft der deutschen Winzerfamilie, heißt es. Die Initiative hat den 30. August zum „Tag des Deutschen Weins“ aufgerufen. Dass die heimischen Verbraucher deutschen Wein nicht so zu schätzen wissen, wie es in anderen Ländern für die heimischen Tropfen der Fall ist, „müssen wir Winzer uns selbst ankreiden lassen“, sagt Schaurer. In der aktuellen Lage seien die deutschen Weinberge nichts mehr wert. Die Pacht- und Verkaufspreise seien im Keller, sagt Schaurer, der in der Südpfalz 44 Hektar bewirtschaftet. Die Flächennachfrage sei völlig zum Erliegen gekommen. Wenn sich die Lage nicht schnell bessert, werde es viele Insolvenzen geben. Sein Appell geht an die Einsicht der Weintrinker: Wer die Weinlandschaften zu schätzen wisse, solle zum Tropfen aus deutscher Herkunft greifen. Oder er müsse die Folgen für das Landschaftsbild hinnehmen. Es gehe nicht um Mitleid, sondern um die Frage, „ob der Weinbau und mit ihm die Wertschöpfung in Deutschland erhalten bleiben soll“.

Der Weinbauverband hingegen setzt seine Hoffnungen eher in die Politik als in einen wachsenden Weinpatriotismus der Weintrinker. Der Verband wünscht sich staatliche Zuschüsse  für die Pflege vorübergehend nicht mehr bewirtschafteter Weinberge. Die rheinland-pfälzische Weinbauministerin Daniela Schmitt (FDP) hat in dieser Woche ein „Weinbaupaket 2025+“ vorgelegt und sich mit der Forderung nach einem „klaren Bekenntnis zum Kulturgut Wein“ hinter die Forderungen des Deutschen Weinbauverbands gestellt. Für Schmitt liegt auf der Hand: „Ohne Weinbau wäre Rheinland-Pfalz nicht Rheinland-Pfalz.“ Den Winzern empfiehlt sie „weniger Masse, dafür mehr Profil und internationale Wettbewerbsfähigkeit.“ Auch Schmitt zieht die patriotische Karte und ruft Kellereien und Handel ebenso wie die Verbraucher auf, auf regionale Herkunft und Qualität zu achten, damit die Weinwirtschaft wieder in Schwung komme.

Zur Entlastung der Winzer und des Marktes gestattet Rheinland-Pfalz, mit der kostspieligen Neupflanzung von Brachflächen bis zu acht Jahre warten zu dürfen, ehe Pflanzrechte verlorengehen. Das Budget des Landes zur Absatzförderung wurde auf drei Millionen Euro erhöht, um den Verkauf anzukurbeln. Schmitt hat zudem mit ihrem hessischen Kollegen Ingmar Jung (CDU) die Initiative zu einem Treffen aller weinbautreibenden Bundesländer gegeben. Das soll helfen, die notwendigen Veränderungen voranzutreiben, damit das Landschaftsbild keinen Schaden nimmt und die Winzer eine Perspektive haben. (mein Bericht aus der FAZ vom 30. August 2025)