Ein neues Weingut: Woii

Wer die „Rheingauer Weinwoche“ in Wiesbaden auf der Suche nach Neuheiten unter den fast 100 Weinständen durchstreift hat, der stieß auf Woii. Eine außergewöhnliche Neugründung, denn ihr liegt nicht das Motiv zugrunde, mit ordentlichem Wein gutes Geld zu verdienen. Zur Philosophie des Weinguts gehört es in erster Linie, jungen Studenten und angehenden Weinmachern der Hochschule Geisenheim die Chance zu geben, parallel zum Studium den ersten eigenen Wein nach eigenen Vorstellungen zu produzieren, abzufüllen, zu etikettieren und zu vermarkten.

Woii bietet eine Art Spielwiese, ein Reallabor vorwiegend für jene Studenten, die nicht aus einem Familienweingut stammen und deshalb regelmäßig mit der weinbaulichen Praxis konfrontiert sind. Sie sollen wertvolle Erfahrungen sammeln, um vielleicht selbst einmal ein Weingut übernehmen zu können.

Die Idee eines „studentisches Weinguts“ wurde an der Hochschule immer wieder diskutiert, um die praktische Ausbildung weiter zu stärken. Realisiert hat sie der promovierte Agrarwissenschaftler Maximilian Tafel mit einigen Mitstreitern. Weil die Übernahme eines bestehenden Weinguts mitsamt Technik und Ausstattung als die realistischere Option erschien als eine Neugründung auf der grünen Wiese, wandte sich das Team um Tafel an den Rüdesheimer Berater Erhard Heitlinger. Der vermittelt seit vielen Jahren Weingüter an Seiteneinsteiger und Investoren. Aktuell hat Heitlinger etliche Weingüter im Angebot, auch im Rheingau. Meist fehlt es in den Familienweingütern an Nachfolgern, die den Betrieb übernehmen wollen.

Ende 2023 hatte Heitlinger genau das im Angebot, was das Tafel als ideal erachtete: das Weingut Daniel. Unmittelbar am Geisenheimer Ortsrand und an einem Teil der gutseigenen 5,5 Hektar Weinberge gelegen. Ein nicht zu großes Weingut in großer Nähe zur Hochschule und ihren Studenten. Weingutsmakler Heitlinger fand nicht nur die Idee charmant. Über ihn kam auch ein Kontakt mit dem deutsch-amerikanischen Investor Klaus Lubbe zustande, der in ein junges Weingut investierten wollte, um diesem neue Perspektiven zu geben. „Der fand unsere Idee gut“, erinnert sich Tafel.

Lubbe erwarb das Weingut im Frühjahr vergangenen Jahres und verpachtete es an eine Betreibergesellschaft, deren Geschäftsführer Tafel ist. Seine Mitstreiterin Lara Pschorn ist als Außenbetriebsleiterin für die Pflege der Weinberg verantwortlich. Produziert wird der Wein in von vom Weingut Daniel angemieteten Räumen des ehemaligen Weinguts Heinrich Jung. Die Villa Daniel am Ortsrand wird für Woii-Veranstaltungen genutzt, die ehemaligen Wohnräume der Winzerfamilie werden als Ferienwohnungen mit schönem Blick auf Johannisberg vermietet.

Schon im ersten Jahr hatten sieben Studenten und kleine Teams die Chance, bei Woii ihren eigenen Wein herzustellen. Das Weingut stellt ihnen dazu die nötige Technik, vor allem Fässer und Tanks in Größen zwischen 225 und 1000 Liter zur Verfügung. Das Gros der Ernte nutzt Woii allerdings für eigene Produktion. Die Premierenauf der Rheingauer Weinwoche nutzt Tafel mit seinem Team, um den gerade erst bei einem Dienstleister in Winkel abgefüllt ersten Jahrgang vorzustellen: Einen fruchtigen Rosé, einen straffen Sauvignon blanc, zwei gehaltvolle Rieslinge aus den Lagen Kläuserweg, Mönchspfad und Rothenberg und einen cremigen Weißburgunder. Allesamt trocken. Ein Lagenwein „Geisenheimer Schlossgarten“ reift noch in der Flasche, ebenso ein Sekt. Die Umstellung auf ökologischen Weinbau ist im Gange, ein Wachstum auf bis zu 15 Hektar die Perspektive.

Vermarktet wird online, aber auch über die neue Vinothek in der Geisenheimer Ortsmitte, wo Woii auch seine Büros bezogen hat. Denn Woii wächst mit inzwischen zehn Mitarbeitern, und hat inzwischen zudem Veranstaltungssparte: Gepachtet wurde auch Schloss Schönborn in der Winkeler Straße in Geisenheim, das für Hochzeiten, Tagungen und Veranstaltungen aller Art gemietet werden kann.

Tafel beschreibt Woii als „Community-Weingut“, das charaktervolle Weine mit Ecken und Kanten erzeugen wolle und dabei auch ungewöhnliche Wege geht. Davon konnten sich auch die Besucher der Weinwoche überzeugen: Der eigens kreierte „Festwein“ kam aus der Zapfanlage.   

(aus der FAZ vom 2. August 2025)