Hinter den Rheingauer Winzern liegt eine ungewöhnlich früh begonnene und wegen der Regenfälle und der sich ausbreitenden Fäulnis auch sehr schnell beendete Hauptlese. Nur vereinzelt hängen Ende September noch Trauben am Stock in den sorgsam ausgewählten Weinbergsparzellen jener Winzer, die auf edelsüße Tropfen oder gar Eisweine hoffen. Doch die meisten Winzer haben die Ernte abgeschlossen, nachdem regnerisches Wetter angekündigt worden war.
Die Gefahr, dass weitere Fäulnis die Erntemenge weiter schrumpfen lässt, war vielen Winzerfamilien zu groß. Laut Weinbaupräsident Peter Seyffardt liege die Erträge geschätzt 15 bis 20 Prozent unter dem langjährigen Mittel von 7000 Liter je Hektar, nachdem bis Anfang September die Erwartungen noch deutlich optimistischer waren.
Das Weinbauamt in Eltville hatte schon Mitte September gemeldet: „Die meisten Weinberge im Rheingau sind gelesen“. Ein Einschränkung gab es im Hinblick auf spätreife und in der Rieslingregion exotische Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot. Diese zeigten sich auf skelettreichen Böden noch gesund, hieß es. Die vergleichenden Reifemessungen wurden allerdings eingestellt, weil die meisten Trauben in den ausgewählten Referenzflächen geerntet worden waren. Die letzten, nicht mehr repräsentativen Messungen des Jahres ergaben en durchschnittliches Mostgewicht beim Riesling von 96 Grad Öchsle und beim Merlot von 92 Grad Öchsle. Genau ein Jahr zuvor waren beim Riesling erst 80 Grad und 2023 rund 83 Grad erreicht gewesen.
Im Wetterfax an die Winzer hieß es, „die Lese 2025 war seit Beginn unserer phänologischen Aufzeichnungen im Jahr 1955 mit einem Lesebeginn am 10. September für die Rebsorte Riesling die früheste Lese überhaupt.“ Laut Weinbauamt liegt das dreißigjährige Mittel (Referenzjahre 1991 bis 2020) für den Lesebeginn zwischen Lorch und Hochheim beim 30. September. Diese Einschätzung bestätigt Manfred Stoll, der Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Laut Stoll rückt der Erntebeginn seit 50 Jahren in jeder Dekade um vier Tage nach vorn im Kalender. Die Zeiten, als sich die Winzer für die Lese sechs bis acht Wochen Zeit lassen konnten, seien vorbei. Mancher Betrieb stemmte die Ernte diesmal binnen zwei Wochen, vereinzelt genügte Winzer sogar eine Woche. Das ist auch deshalb möglich, weil die Betriebe laut Seyffardt ihre Schlagkraft erhöht haben die Maschinenlese – auch wegen der hohen Personalkosten – sich immer mehr verbreitet.
In diesem Jahr ist die Hauptlese zu einem Zeitpunkt beendet worden, bevor sie üblicherweise gestartet wird. Das langjährige Mittel (Referenzjahre 1955 bis 2023) für den Lesebeginn beim 8. Oktober. Ein Lesebeginn im T-Shirt statt im dicken Pullover war in früheren Zeiten kaum vorstellbar. Der späteste Lesebeginn war nach den Aufzeichnungen der Weinbaustatistik in den Jahren 1961 und 1965 jeweils der 2. November. Das liegt mehr als 50 Tage hinter dem Lesestart im aktuellen Jahr. Klimatisch fügt sich 2025 für die Winzer in die kaum unterbrochene Reihe der „zu warmen“ Jahre seit 1990 ein. Die Vorfreude auf einen herausragenden Jahrgang dämpfte der September mit mehr als 100 Liter Niederschlag je Quadratmeter. Der Durchschnittswert für diesen Monat liegt bei 43 Litern. Der gefürchtete Sonnenbrand der Beeren war in diesem Jahr für die Winzer so wenig bedeutsam wie Wasserstress der Rebstöcke. Regen fiel genug, wenn auch nicht immer für jeden Standort zum gewünschten Zeitpunkt. Die Burgundersorten konnten schon Anfang September in guter Qualität eingebracht werden. Beim Riesling gab es dann wegen der Fäulnis teils erhebliche Mengenverluste. Zudem ließ sich aus den Beeren nicht soviel Saft pressen wie erwartet. Vereinzelt nannten Winzer deshalb Ernteeinbußen von bis zu 60 Prozent. Mit der Qualität ist der Weinbauverband zufrieden, zumal beim Riesling die Säure eher moderat ausfällt. Seyffardt verspricht den Verbrauchern einen „harmonischen, guten und fruchtbetonten“ Jahrgang. Der Riesling habe abermals gezeigt, dass er mit dem Klimawandel ebenso zurechtkommen könne wie mit widrigen Bedingungen vor und während der Ernte. Die Fassweinpreise sind mit 70 Cent je Liter allerdings unbefriedigend angesichts von Produktionskosten in Höhe von mindestens 1,20 Euro im Rheingau. (aus der FAZ vom 27.09.2025)