Lange überlegen muss Winzer Ralf Schönleber nicht. Er empfiehlt seine „Creation“ für die besonders festlichen Momente an den Feiertagen und um den Jahreswechsel. Ein Schaumwein, der im Sortiment des Sekt- und Weinguts F.B. Schönleber in Oestrich-Winkel eine Sonderstellung einnimmt. Denn während sieben seiner acht Sekte reinsortig sind, ist die „Creation“ eine Cuvée aus Riesling und Spätburgunder. Ein Sekt, der für Schönleber mehr ist als die Summe der beiden „Einzelteile“ und mit seiner Frische und Vielschichtigkeit überzeugt: Im Duett „tanzen Riesling und Spätburgunder auf der Zunge“, schwärmt er.
Bemerkenswert findet Schönleber, der das elf Hektar große Weingut mit seinem Bruder Bernd führt, einen neuen Trend zum knochentrockenem Sekt, dem „brut nature“. Diese Nachfrage wächst, die Zurückhaltung der Konsumenten gegenüber Schaumweinen ganz ohne Zucker ist einer Neugier und Aufgeschlossenheit gewichen. So beobachtet es Schönleber. Das Geheimnis dahinter: Ein Hefelager von mindestens drei, besser fünf Jahren – statt der gesetzlich verlangten neun Monate – um den Grundwein zu veredeln. Vor allem als Essensbegleiter sei ein „brut nature“ dann sehr gut geeignet, meint Schönleber. Das hatte sogar den Deutschen Fußballbund überzeugt, der den Sekt für seine VIP-Lounge ausgewählt hatte.
Den „knockentrocken“-Trend bei immer mehr Konsumenten bestätigt auch Mark Barth in Hattenheim, der ebenfalls auf ein langes Hefelager setzt, um dem Sekt Charakter, Finesse und Komplexität zu geben. Während bei Schönleber rund 20 Prozent der Produktion auf Sekt entfallen, sind es bei Barth sogar 40 Prozent. Bei beiden Betrieben mit steigender Tendenz. Barth investiert 2026 in eine neue Degogieranlage. Und er hat gerade erst seinen ersten Chardonnay-Sekt vorgestellt. Allerdings in einer schon vergriffenen kleinen Premierenauflage.
Schönleber und Barth gehören zu den Vorreitern der gehobenen Winzersekte im Rheingau und zu der Handvoll Rheingauer Betrieben, die sich dem Verband traditioneller Sektmacher angeschlossen haben und sich dem Sektstatut der Deutschen Prädikatsweingüter unterwerfen
Die gegenwärtige Weinabsatzkrise spürt Schönleber mit seinem hohen Privatkundenanteil nur am Rande. Im Handel gebe es aber einen Verdrängungswettbewerb, weiß Schönleber. Verluste kompensiert er mit dem Absatz an treue und neue Privatkunden, von denen derzeit wieder mehr die Vinothek ansteuern und bereit sind, für eine gute Flasche Wein oder Sekt auch einen angemessenen Preis zu zahlen.
Barth beobachtet, dass die Bestellzyklen teuer Kunden länger werden, weil die Lager nicht mehr so schnell wie früher umgeschlagen werden. Aus seiner Sicht bestätigt Barth die Sicht des Sektverbandes, wonach sich in der gegenwärtigen Konsum- und Absatzkrise der Schaumwein etwas besser schlägt als der Stillwein. Für seinen Betrieb sieht Schönleber die Talsohle der gegenwärtigen Weinkrise womöglich schon durchschnitten.
Nach Angaben des Verbandes Deutscher Sektkellereien hat sich der deutsche Sektmarkt im abgelaufenen Jahr „trotz zurückhaltender Konjunkturaussicht mit kleinen Abschwächungen weiterhin widerstandsfähig“ gezeigt. Das bestätige einmal mehr „seine grundlegende Robustheit“. Nach aktuellen Branchenzahlen ging der Schaumweinkonsum in Deutschland im Jahr 2024 auf 3,1 Liter je Kopf zurück. Damit fiel das Minus geringer aus als beim Wein. Im vergangenen Jahr wurden rund 250 Millionen Flaschen Sekt in Deutschland getrunken. Im ersten Halbjahr 2025 haben die Mitglieder des Verbandes in Deutschland 103,2 Millionen Flaschen Sekt verkauft. Das entspricht einem leichten Absatzrückgang von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Kleinere und mittelständische Mitgliedsbetriebe, die jährlich weniger als vier Millionen Flaschen herstellen, waren demnach stärker von den wirtschaftlichen Herausforderungen getroffen und verzeichneten in der ersten Jahreshälfte ein Minus von rund 7,6 Prozent. Eingeschränkt wurden die Prognosen der vergangenen Wochen durch die unveränderte Bedeutung des Absatzes im Hinblick auf Weihnachten und Silvester. Die meisten Schaumweine sind Getränke für besondere Anlässe und weniger für den Alltag. Der Dezember steht daher für einige Erzeuger für bis zu 20 Prozent des Absatzes und ist somit für die Jahresbilanz entscheidend.
Bei Barth und Schönleber ist das Dezemberfieber der Sektkäufer nicht ganz so ausgeprägt. Zudem entscheiden sich viele Privatkunden noch kurzfristig, wie sie sich für Weihnachten und den Jahreswechsel wappnen. Einstellen müssen sich Barth und Schönleber auf einen Wandel im Kaufverhalten, den die jüngsten „Genussstudie“ von Rotkäppchen-Mumm thematisiert. Demnach informieren sich 44 Prozent der Befragten vor dem Kauf über die Google-Suche, 42 Prozent nutzen Online-Rezensionen und schon jeder Vierte nutze KI-Tools wie ChatGPT. Das seien 15 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Bei den jungen Befragten habe sogar fast jeder Dritte angegeben, ChatGPT für personalisierte Produktempfehlungen oder die Beratung zum Food-Pairing zu nutzen. So erfahren wie Barth ist die künstliche Intelligenz aber nicht: Barth empfiehlt zu Silvester, den besonders hochwertigen Schaumwein wie seine Lagensekte aus Hassel und Schützenhaus schon zum Essen. Denn um Mitternacht richte sich die Aufmerksamkeit auf andere Dinge als die Güte im Glas. (aus der FAZ vom 23.12.2025)
