In stürmischen Zeiten verbietet sich ein Wechsel auf der Kommandobrücke. Die im Zuge des Strukturwandels im kleiner werdende Zahl Rheingauer Winzer kann sich insofern glücklich schätzen, dass Peter Seyffardt gewillt ist, weitere drei Jahre die Verantwortung zu schultern. Die in der Vergangenheit zeitweise von einigen Winzern geübte Kritik an Seyffardts Amtsführung ist verstummt. Bei den Winzer scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass in der Krise nur Einigkeit weiterhilft.
Dass die Branche in der Krise steckt, ist unbestritten. Diese Krise hat den Rheingau längst erreicht, obwohl hier die Weinbaustruktur günstiger ist als beispielsweise in Rheinhessen. Der angeschlagene Fassweinmarkt mit seinen unter den Produktionskosten liegenden Preisen spielt im Rheingau eine eher untergeordnete Rolle für den Absatz. Dennoch sind die Krisensymptome eindeutig. Der Flächenhunger größerer Betriebe ist gestillt. Es gibt Verpächter, die ihre Weinberge sogar pachtfrei zur Bewirtschaftung anbieten, um der Pflicht zur aufwendigen Pflege zu entgehen. Winzer verschieben die teure Neupflanzung schon gerodeter Weinberge in eine ungewisse, hoffentlich bessere Zukunft. Andere lassen – sehr zum Ärger ihrer Kollegen – vorhandene Rebflächen unbewirtschaftet und von Brombeerhecken zuwuchern. Diese „Drieschen“ werden zu Ausgangspunkten von Schädlingsplagen und Pflanzenkrankheiten. In mehr als 100 Fällen hat das Weinbauamt deshalb schon den jeweiligen Bewirtschaftern Mahnbriefe geschickt.
Dieses unsolidarische Verhalten einiger Winzer zeigt symptomatisch, wie schwer es ist, die Branche hinter eine Marke „Rheingau“ zu versammeln. Zwar gehen die Blicke aus dem Rheingau nicht selten neidisch in Richtung Südtirol oder Wachau, doch die Kraft zu einschneidenden Veränderungen fehlt allzu oft. Eine Profilierung geht fast immer mit einem Verzicht einher. Schon der quälende lange Weg hin zur Streichung der den Verbraucher täuschenden Großlagen belegte, wie schwer sich die Winzer tun, um sich hinter einer gemeinsame Strategie zu versammeln. Die Stärke einer Marke liegt unter anderem ihrer Authentizität, in einer klaren, möglichst unverwechselbaren Positionierung im Markt und einer überzeugenden Kommunikation, die Vertrauen schafft. Davon ist der Rheingau noch weit entfernt. (aus meinem FAZ-Kommentar vor 22. Mai)