Riesling, eingedost…

habe ich meinen Artikel in der FAZ vom 3. September über ein Treburer Startup übschrieben…

Was bei der Abfüllung von Bier und Mineralwasser seit Jahrzehnten geübte Praxis ist, scheint für Wein noch immer undenkbar: ein Mehrwegsystem mit Pfandflaschen. Dabei ist die Einweg-Glasflasche unter Nachhaltigkeitsaspekten für die Winzer eine große Bürde, denn sie steht für knapp die Hälfte des CO2-Fußabdrucks eines Weinguts. Zwar versuchen inzwischen einige Weingüter, ihre Stammkunden zur Rückgabe des Altglases zu bewegen, um diese anschließend spülen zu lassen. Andere setzen auf Leichtglasflaschen oder testen die Akzeptanz von Bier-Mehrwegflaschen für Wein. Ein Durchbruch scheint aber in Deutschland noch nicht in Sicht. Und Wein im Tetrapak-Karton genießt hierzulande keinen guten Ruf.

Ein Ehepaar aus dem südhessischen Trebur versucht jetzt mit einer anderen, den Verbrauchern gut vertrauten Verpackung Bewegung in die der Tradition verhaftete Branche zu bringen: Wein in Dosen. Lisa und Thomas Quandt haben die Dose für Riesling und andere Sorten gewissermaßen neu entdeckt: schlank, hoch, ansprechend bedruckt und – vor allem – nicht mit Weinen von der Resterampe einer Kellerei, sondern mit Qualitätstropfen ambitionierter Erzeuger befüllt.

Die familiären Beziehungen zum renommierten Pfälzer Weingut Motzenbäcker und zur Winzerin Marie Menger-Krug erleichterten es, der Idee einen Testlauf folgen zu lassen. Mit Rosé, Sauvignon blanc und einem Riesling aus dem in Deidesheim beheimateten Ökoweingut ging es los. Was aber sagen die Kunden? Immerhin müssen sie rund 4,50 Euro je Dose auf den Tisch legen, was sich bei drei Dosen in etwa zum Flaschenpreis ab Weingut summieren würde. Die Kunden müssten langsam an das Produkt herangeführt werden, gibt das Ehepaar Quandt zu. Ob die Mehrzahl der Käufer den Wein direkt aus der Dose trinkt oder ihn in ein Glas umfüllt, können die beiden Geschäftsleute bisher nur vermuten. Sie gehen aber von erster Variante aus, was dem Weinkenner ein neues Vorgehen beim Kosten abverlangt. Denn riechen lassen sich die Weinaromen aus der Dose nur schwer. „Bei der Dose ist es umgekehrt wie mit dem Glas“, sagt Quandt: Erst ist der Gaumen dran, danach folgt die Nase.

Die Zielgruppe der jungen Weingenießer, die vor allem an unkompliziertem Genuss Interesse haben, dürfte das nicht stören. Bei der Nachhaltigkeit ist die Dose der schweren Glasflasche jedenfalls voraus. Zumal das Ehepaar Quandt geschafft hat, was viele Weingüter bislang scheuen: die aufwendige und langwierige Zulassung für das deutsche Pfandsystem. Die etwa zwölf Gramm leichten Dosen können somit zusammen mit den Bier- und Wasserflaschen am Rückgabeautomaten im Supermarkt entsorgt werden – gegen 25 Cent Rückvergütung je Dose.

Das Sortiment umfasst inzwischen neben Riesling, Rosé und Sauvignon blanc auch einen Weiß- und einen Grauburgunder sowie die deutsche Traditionssorte Scheurebe. Hinzu kommt eine Weinschorle mit einem Riesling des Eltviller Weinguts Blumensatt. Anlässlich des Fanfestes zum Pokalfinale zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Bayer Leverkusen gab es 12.000 Dosen einer Sonderedition Schorle in Kooperation mit dem Pfälzer Weingut Tina Pfaffmann. Und zum Münchner Oktoberfest gibt es eine weitere Sonderedition.

Der Wein in den recycelbaren Dosen sei einfach zu transportieren, bruchsicher, leicht und damit geeignet für alle Outdoor-Aktivitäten und geselligen Veranstaltungen wie Picknicks, Grill- oder Poolpartys und auch bei Konzerten, lauten die wichtigsten Argumente.

Punkten könnten die Dosen auch überall dort, wo Gewicht und Größe von Bedeutung sind wie in Flugzeugen oder in der Bahn, aber auch in der Minibar von Hotels. Die Umweltbelastung sei geringer als bei Glas, die Portionsgröße bei vielen Gelegenheiten „perfekt“. Die Hoffnung ist, dass Wein in Dosen absehbar so selbstverständlich wird wie Schraubverschlüsse statt Korken auf Weinflaschen. Auch für alkoholfreie Weine sehen sie eine gute Chance in der Dose. Mit dem Rheingauer Weingut Leitz gibt es dazu jetzt eine enge Kooperation: Der Sparkling Rosé „Eins-Zwei-Zero“ ist schon eingedost. (leicht gekürzte Fassung meines FAZ-Textes)