Wo sind die Weinpatrioten?

… so habe ich meinen FAZ-Kommentar zur Vorpremiere Großes Gewächs 2024 des VDP in den Wiesbadener Kurkolonnaden überschrieben. An der Güte des Weines liegt es jedenfalls nicht, dass zu wenig deutscher Wein getrunken wird.

Ich habe mich eingereiht unter die rund 200 Weinprofis aus 25 Ländern – darunter Gastronomen, Händler, Journalisten und Sommeliers –, die an drei Tagen insgesamt 462 Große Gewächse in 82 Flights verkosten. Insgesamt wurden laut VDP in diesem Jahr sogar 561 Große Gewächse aus 312 Weinbergen geprüft und zugelassen, aber nicht alle wurden jetzt präsentiert.

Gerade beim Riesling zeigt sich, dass 2023 außergewöhnlich gute Weine mit feiner Frucht, Tiefe und Eleganz hervorgebracht hat. Laut VDP wird 2023 als „bemerkenswert guter Jahrgang“ in die Weingeschichte eingehen, und das sehe ich nicht anders. Und  2022 stellt sich als phänomenales Jahr für deutschen Rotwein heraus, wie die Verkostung der Spätburgunder renommierter Erzeuger bestätigte.

Ich selbst habe mich diesmal auf die weißen Nicht-Rieslinge konzentriert:

Chardonnay: Insgesamt ein Dutzend feine Exemplare aus Baden, mit klaren Favoriten für mich. Seegers 2023 Herrenberg Lange Wingert steht für mich herausragend gut da, ebenso 2022 Dr. Hegers Winklerberg Hinter Winklen und nicht minder gut die 2022er Pagode von Stigler. Sehr geschliffen und würzig begeisterte mich überdies Franz Kellers 2022 Kirchberg. Winzer, pflanzt mehr Chardonnay, das gefällt mir saugut.

Grauburgunder: Eigentlich mag ich die Rebsorte nur mäßig, und wie sich diesmal wieder zeigte: „wenn überhaupt, dann nur vom Kaiserstuhl! Sehr straff und fein Hegers Schlossberg, daneben auf Augenhöhe die Bassgeige Kähner, beide 2022, von Franz Keller. Toll auch Salweys Henkenberg, das lässt sich trinken… und auch 2023 Herrenberg Oberklam von Seeger.

Weißburgunder: Durchweg besser für mich als fast alle Grauburgunder! Überraschend gut für mich der 2023 Schlossberg von Neipperg, und auf gewohnt gutem Niveau der 2023 Edelacker von Pawis, ganz knapp hinter 2022 Schloss Proschwitz. In der Pfalz hatten Siegrist und Jülg – beide mit einem fantastischen Sonnenberg – die Nase für mich vorn, wobei Knipsers 2023 Kirschgarten den Charme der Jugend auf seiner Seite hatte. Unerwartet betört wurde ich von einem 2023 Oberer First von Schlör aus Baden (neu entdeckt für mich), der mit ebenso gut gefiel wie Salweys Kirchberg und Seegers Oberklam. Mit dabei ganz vorne aber auch Dr. Hegers Winklerberg Hinter Winklen.

Silvaner: knapp 20 Exemplare aus Franken verkostet und ich gebe zu: die Guten haben mich mehr begeistert als fast alle Weißburgunder!  Ganz vorne mit dabei Horst und Rainer Sauer sowie das Weingut Schwane, jeweils mit ihrem „Am Lumpen 1655“. Sehr, sehr gut auch Hans Wirsching und Rudolf May, und für mich immer eine Silvaner-Bank: Ludwig Knolls 2022 „Am Stein“.