Die Stimmung in der Weinbranche ist gegenwärtig trüb bis depressiv. Der Weinkonsum geht ebenso zurück wie die Neigung, für einen ordentlichen Tropfen tief in die Tasche zu greifen. Bei mehr als zehn Euro je Flasche wird die Luft dünn. Sehr dünn. Das ist kein deutsches Phänomen, sondern eine globale Entwicklung, auch wenn hierzulande die Pfennigfuchserei bei Lebensmitteln und Getränken besonders ausgeprägt scheint. Selbst aus China wird von einem dramatischen Rückgang bei Konsum und Produktion berichtet. Dass sich die Lage schnell wieder bessert, ist kaum zu erwarten. Ein verändertes Konsumverhalten und die demographische Entwicklung werden die Not der Weinerzeuger eher noch verschärfen.
Einen Lichtblick verheißt das noch junge Segment der alkoholfreien Weine. Für überzeugte Weinschmecker – wie mich – sind sie allerdings unverändert ein Graus und geschmacklich noch Lichtjahre von dem entfernt, was die Bierbrauer inzwischen mit ihren alkoholfreien Varianten zu leisten imstande sind. Auch viele Winzer tun sich mit der Entalkoholisierung ihrer Weine schwer. Schließlich geben sie sich über das Jahr hinweg viel Mühe, ein Produkt zu erzeugen, dessen Geschmackerlebnis maßgeblich auf der Vergärung von Zucker zu Alkohol beruht. Diesen nachträglich durch Vakuumsdestillation wieder mit hohem technischen Aufwand zu entfernen und damit auch Aromen zu verlieren, ist bei diesem Naturprodukt zu widersinnig. Dem Weintrinker können diese Überlegungen gleichgültig sein. Vor allem jene Mehrheit der allenfalls gelegentlichen Weintrinker, die auf unkomplizierten Genuss zum moderaten Preis schielen. Ihnen bietet sich eine neue Option, ebenso den Autofahrern, Schwangeren und Abstinenten, die bei einer Feier mit anstoße wollen. Das Geschmackserlebnis eines großen Weins aus herausragender Lage werden die Entalkoholisierer nach meiner Überzeugung niemals bieten könnten. Solche Weine sind ein flüssiges Kulturgut – und damit weit mehr als nur ein durstlöschendes Getränk. (leicht abgewandelter Kommentar in der FAZ vom 17.8.2024)