Der modernste Weinkeller des Rheingaus ist Mitte August auf Schloss Vollrads eröffnet worden. Das Sparkassenweingut hat fast zwölf Millionen Euro investiert, um Arbeitsabläufe zu verbessern. Auch das altehrwürdige Schloss profitiert davon.
Der Weinherbst kann kommen. Ende September werden vermutlich die ersten Rieslingtrauben geerntet, und der neue Keller von Schloss Vollrads in Winkel ist bereit, um dort die Trauben anzunehmen, zu pressen, vergären zu lassen und zu lagern. Knapp zwölf Millionen Euro hat das der Nassauischen Sparkasse gehörende Weingut in den Neubau oberhalb von Winkel investiert, um modernen Ansprüchen bei der schonenden Verarbeitung des Leseguts zu genügen und die Arbeitsabläufe zu verbessern.
Genügt wurde auch den hohen Ansprüchen der Denkmalpflege, die immer ein wachsames Auge auf das Kulturdenkmal hat. Bei Anfahrt über die Vollradser Allee ist der immerhin fast 100 Meter lange und 25 Meter breite Baukörper nicht zu sehen. Und wer durch das Naturschutzgebiet Vollradser Wäldchen wandert, dem wird die Blickachse von der Anhöhe auf das Schloss nicht verstellt.
Die Kellerei, die an der tiefsten Stelle des flachen Hangs rund fünf Meter in den Boden hineinreicht, steht auf einer ehemaligen Pferdekoppel zwischen der nördlichen Schlossmauer und dem idyllischen Naturschutzgebiet Vollradser Wäldchen. Auf dieser Fläche befinden sich auch der Schlossparkplatz und eine 2011 gebaute Halle für die Geräte zur Bewirtschaftung der Weinberge. Die 20.000 Kubikmeter Erdaushub wurden zum Teil genutzt, um eine Senke in einem 500 Meter entfernten Weinberg aufzufüllen und diesen neu zu bepflanzen.
Im Sommer 2022 war nach langer Planung und Vorbereitung mit dem Bau begonnen worden. Für Geschäftsführer Ralf Bengel war es das zweite derartige Großprojekt in seinem Berufsleben, denn als ehemaliger Chefönologe der Hessischen Staatsweingüter war er seinerzeit in den Bau des Steinbergkellers bei Hattenheim involviert.
Ganz so groß ist der neue Vollradser Keller zwar nicht, aber auch der jüngste und modernste Weinkeller des Rheingaus ist geräumig, flexibel und auf die Zukunft ausgelegt. Diese kann weiteres Wachstum bedeuten, denn der Strukturwandel im Rheingau geht ungebremst weiter mit der Folge von immer weniger, dafür immer größeren und schlagkräftigen Erzeugern. Die Rebfläche des seit 2022 ökologisch wirtschaftenden Weinguts Schloss Vollrads ist seit dem Beginn des Kellereineubaus auf 70 Hektar gewachsen.
Nicht nur das Gebäude ist neu, auch die rund 80 temperaturgesteuerten Tanks mit einem Fassungsvermögen von 520.000 Litern wurden neu angeschafft, ebenso zwei 8000-Liter-Pressen. Imposant sind zwei 50.000-Liter-Tanks zum Abfüllen großer Mengen der meistverkauften Weine. Zwei Doppelstückfässer (jeweils 2400 Liter), gefertigt aus Eichenholz aus dem eigenen Wald, sollen bald noch hinzukommen.
Die neue Kellerei, die energetisch dem KfW-40-Standard genügt, ist auf eine möglichst schonende Verarbeitung der Trauben ausgelegt. Es gibt großzügig dimensionierte und klimatisierte Flächen für das Flaschenlager, für Materialien und Verpackung. Der Vorteil für das Schloss: Künftig werden keine Gitterboxen mit Flaschen oder Arbeitsgeräten mehr die optische Wirkung der sehenswerten Anlage beeinträchtigen. Denn am und mit dem Wein gearbeitet wird ausschließlich im neuen Gebäude.
Mit einer einzigen Ausnahme: dem alten Holzfasskeller, der weiter genutzt wird, um im Holzfass den Großen Gewächsen den Feinschliff zu geben. Ausgeklügelt ist auch das logistische Konzept, um die Anlieferung von Material und den Abtransport von Wein reibungslos zu bewältigen. Es gibt zudem Büros für das Kellereiteam nebst Sozialräumen.
Die neue Kellerei mit ihren zwei Arbeitsebenen und ihrer Fassade in Holzbauweise ist die neue Energiezentrale für das gesamte Schloss. Zusammen mit den Solarmodulen auf der Maschinenhalle kann jetzt eine Leistung von 350 Kilowatt erreicht werden. Reichen die Kraft der Sonne und die in einer Batterie gespeicherte Energie nicht aus, um den Strom zum Kühlen und Heizen zu garantieren, springen zwei mit Flüssiggas betriebene Blockheizkraftwerke in die Bresche. Insgesamt hofft Bengel, über das Jahr hinweg rund 80 Prozent der benötigten Energie selbst erzeugen zu können: „Wir wollen nichts ins Netz abgeben.“ Ob das gelingt, wird erst der Alltag zeigen. Drei alte Ölheizungen – die ohnehin zum Austausch angestanden hätten – können jetzt endgültig verschrottet werden. (mein Bericht aus der FAZ vom 14. August 2024)